Fristlose Kündigung und Mietzinsherabsetzung wegen eines Brandes (Rohbaumiete)

base giuridica

Nome del giudice

Bezirksgericht Luzern

Data

18.04.2013

Sommario

Aufgrund eines technischen Defekts an einem Gerät der Mieterin entstand ein Brand, der die Mieterausbauten zerstörte und das Mietobjekt erheblich beschädigte. Trotz von Seiten der Vermieter durchgeführter Sanierungsmassnahmen am Grundausbau empfand die Mieterin die Räumlichkeiten als vollkommen gebrauchsuntauglich, weshalb diese den Mietvertrag unter Berufung auf Artikel 259b litera a OR fristlos kündigte. Das Urteil behandelt einerseits die Prozessvoraussetzungen einer die Kündigung betreffenden Feststellungsklage und andererseits die Anforderungen und Auswirkungen eines selbst zu verantwortenden Mangels.

Esposizione dei fatti

Am 6./16. November 2009 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über Räumlichkeiten für den Betrieb eines Solariums und einer Wellness-Anlage inkl. Restauration sowie drei Aussenparkplätze ab. Darin wurde insbesondere auch der im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung zu übernehmende Grundausbau festgeschrieben.
Am 21. Juni 2010 kam es in den gemieteten Räumlichkeiten zu einem Brand, der die von der Mieterin eingebauten Anlagen und Installationen zerstörte und auch das Mietobjekt (Grundausbau) erheblich beschädigte.
Am 28. Oktober 2010 kündigte die Mieterin den Mietvertrag unter Berufung auf Art. 259b lit. a OR fristlos. Die Vermieter akzeptierten die Kündigung jedoch nicht.
Mit Klage vom 31. August 2011 beantragte die Mieterin, es sei festzustellen, dass der zwischen den Parteien abgeschlossene Mietvertrag vom 16. November 2009 durch die Mieterin rechtsgültig per 28. Oktober 2010 gekündigt worden sei. Weiter forderte sie von den Vermietern die Bezahlung von Fr. 18 348.10 nebst Verzugszinsen. Dies zwecks Rückforderung ihrer Mietzinszahlungen für die Periode vom 22. Juni 2010 bis 31. Oktober 2010 (Art. 259d OR).
Mit Klageantwort vom 12. Januar 2012 beantragten die Vermieter, die Klage sei abzuweisen. Gleichzeitig forderten sie mit Widerklage, die Mieterin habe ihnen Fr. 60 823.25, nebst Verzugszinsen zu bezahlen. Ihre Forderung begründeten die Vermieter mit ausstehenden Mietzinsen für die Periode vom 1. November 2010 bis 31. Januar 2012.

Considerazioni

2. Feststellungsklage

2.1 Die Mieterin beantragt, es sei festzustellen, dass der Mietvertrag am 28.10.2010 rechtsgültig gekündigt worden sei. Die Vermieter führen aus, die Mieterin habe kein Interesse an der beantragten gerichtlichen Feststellung.

2.2 Mit der Feststellungsklage kann die gerichtliche Feststellung, dass ein Recht oder Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht verlangt werden (Art. 88 ZPO). Als Prozessvoraussetzung ist zu beachten, dass die klagende Partei ein schutzwürdiges Interesse an der verlangten Feststellung haben muss (Art. 59 Abs. 2 lit. a ZPO). Die Rechtsprechung verlangt, dass sich das Interesse auf die sofortige Feststellung der strittigen Rechte bezieht, bzw. ein aktueller Konflikt betreffend die fraglichen Rechte besteht (OBERHAMMER, Basler Kommentar, 2010, N 14 zu Art. 88 ZPO). Gegenüber der Leistungs- und Gestaltungsklage ist die Feststellungsklage subsidiär. Kann der Kläger den Rechtsschutz mit einer Leistungs- oder Gestaltungsklage erlangen, hat er kein hinreichendes Interesse an einer Feststellungsklage (OBERHAMMER, a.a.O., N 17 zu Art. 88 ZPO).

2.3 Die Parteien sind sich nicht einig, ob die Kündigung der Mieterin vom 28.10.2010 das Mietverhältnis beendete oder nicht. Beide Vertragsparteien haben ein Interesse, diese Frage beurteilen zu lassen. Die Mieterin kann die Gültigkeit der Kündigung ausschliesslich mit einer Feststellungsklage klären lassen. Allerdings ist das Feststellungsinteresse der Mieterin weggefallen, nachdem die Vermieter mit ihrer Widerklage für die Zeit nach der strittigen Kündigung Mietzinsen gefordert hatten. Denn bei der Beurteilung der Widerklage ist zunächst die Gültigkeit der umstrittenen Kündigung zu klären. Auf den Feststellungsantrag gemäss Ziffer 1 der Klage ist deshalb nicht einzutreten.


5. Mangel nach Art. 259a Abs. 1 OR

5.1 … Die Rechtsfolgen der fehlenden oder eingeschränkten Gebrauchs-tauglichkeit des Mietobjekts während der Vertragsdauer sind in Art. 259a f. OR geregelt (SVIT, Das schweizerische Mietrecht, Kommentar, 2008, N 8 zu Art. 256 OR). Bei Mängeln am Mietobjekt, die der Mieter weder zu verantworten noch auf eigene Kosten zu beheben hat, oder wenn der Mieter im vertragsgemässen Gebrauch des Mietobjekts gestört wird, kann der Mieter nach Art. 259a Abs. 1 OR verlangen, „dass der Vermieter: …
b. den Mietzins verhältnismässig herabsetzt;“ …

5.2 Wie ausgeführt, konnte das Mietobjekt nach dem Brand mindestens für eine gewisse Zeit nicht mehr genutzt werden, obwohl die Vermieter nach dem Brand unverzüglich Sanierungsmassnahmen einleiteten. Das Mietobjekt war somit zu 100 % im Gebrauch beeinträchtigt. Zu prüfen bleibt, ob der Brand – wie von den Vermietern geltend gemacht wird – von der Mieterin im Sinne von Art. 259a Abs. 1 OR “zu verantworten“ war.

5.3 Unter vom Mieter zu verantwortenden Mängeln sind solche zu verstehen, die der Mieter oder Personen für die er einstehen muss, vorsätzlich oder fahrlässig verursacht haben. Unter Umständen kann allerdings bereits eine Mitverantwortung des Mieters für den Ausschluss der Mängelrechte genügen. So hat er beispielsweise Störungen und Belästigungen durch andere Hausbewohner im Sinne des Gesetzes zu “verantworten“, wenn er nicht als blosses Opfer solcher Machenschaften erscheint (Urteil BGer 4C.106/2002 vom 18.06.2002, E.3.2-4; WEBER, Basler Kommentar, 2011, N 2 zu Art. 259a OR). Die Rechtsbehelfe von Art. 259a OR stehen dem Mieter unabhängig vom Verschulden des Vermieters zu. Einzig Schadenersatz kann er Mieter nur verlangen, falls der Vermieter seine Nicht- oder Schlechterfüllung verschuldet hat (SVIT, a.a.O., N 67 zu Vorbemerkungen Art. 258-259i OR). Das Risiko für Mängel, die weder der Mieter zu verantworten noch der Vermieter schuldhaft verursacht hat, trägt der Vermieter. Zufällig oder durch höhere Gewalt entstandene Ereignisse sind folglich dem Vermieter anzulasten (LACHAT/ZAHRADNIK, Mietrecht für die Praxis 2009, 31/5.8).

5.4 Der Brand brach kurz vor Mitternacht am 21. Juni 2010 aus. Gemäss Polizeirapport vom 30. Juni 2010 lag der Brandherd in einer Kühl- und Gefrierkombination, die sich hinter der Theke im Empfangsbereich des Wellness-Studios befand. Im Polizeirapport wird aufgenommen, dass der Brandfall auf einen elektrotechnischen Defekt zurück zu führen sei. Ein Verschulden infolge einer falschen Bedienung, Wartung oder ähnlichem könne keiner Person nachgewiesen werden. … Nachdem der Mieterin am Ausbruch des Brandes keinerlei Verschulden nachgewiesen werden kann, ist davon auszugehen, dass es sich bei den Brandfolgen um einen Schaden handelt, der – im Sinne von Art. 259a Abs. 1 OR – nicht vom Mieter zu verantworten ist. Die Mieterin kann somit für die Dauer der Beeinträchtigung des Mietobjekts eine Herabsetzung des Mietzinses verlangen. Solange das Mietobjekt überhaupt nicht nutzbar war, hat sie keinen Mietzins zu bezahlen.

6. Dauer der Gebrauchsuntauglichkeit des Mietobjekts

6.1 Nach dem Brand hatten die Vermieter die in Ziffer 1.3 des Mietvertrags genannten Bauten und Anlagen zu sanieren bzw. wieder herzustellen, während die Mieterin für den übrigen Innenausbau ihres Betriebs aufzukommen hatte. Diesbezüglich waren sich die Parteien nach dem Brand grundsätzlich einig.
Nach Auffassung der Mieterin hatten die Vermieter die ihnen obliegenden Sanierungsmassnahmen nicht hinreichend erfüllt. Das Mietobjekt weise infolge des Brandes mindestens bis zur Kündigung vom 28. Oktober 2010 einen schweren Mangel auf, der die Gebrauchstauglichkeit ganz ausschliesse. Insbesondere bemängelt die Mieterin giftige Geruchsimmissionen. Die problematischen Rückstände durch Russ und Löschwasser seien von den Vermietern nicht gereinigt worden. Nach Auffassung der Vermieter dauerten die von der Vermieterin auszuführenden Sanierungsmassnahmen bis Anfang August 2010. Danach sei das Mietobjekt für die Mieterin wieder nutzbar gewesen. Zwar räumten die Vermieter ein, dass sie die Türen und WCs noch nicht wieder eingebaut haben. Doch dies sei mit der Mieterin abgesprochen worden. Man habe diesbezüglich zugewartet, um diese Massnahmen mit dem von der Mieterin geplanten Innenausbau abzustimmen. In der Folge habe die Mieterin sich jedoch nie gemeldet, weil der Innenausbau unterversichert und deshalb nicht realisierbar gewesen sei.


6.4 … Mithin ist festzuhalten, dass im August 2010 im Mietobjekt die Brandspuren noch riechbar waren, dass noch Türen und WCs fehlten und einige Wände und Decken schwarze Brandspuren aufwiesen, wie auf den Fotos der Vermieter dargestellt. Im Übrigen war das Lokal in einem gereinigten Zustand, sodass die Mieterin mit dem ihr obliegenden Wiederaufbau der Inneneinrichtung hätte beginnen können. Dass die Vermieter mit einigen – ihnen obliegenden – Arbeiten zuwarteten, um ihre baulichen Massnahmen auf diejenigen der Mieterin abzustimmen, ist nicht zu beanstanden. Wohl wird von X. [Mitarbeiter der Mieterin] bestritten, dass die Mieterin mit dem diesbezüglichen Vorgehen der Vermieter einverstanden gewesen sei. Auf der andern Seite macht die Mieterin nicht geltend, sie habe das Zuwarten der Vermieter kritisiert. Dies hätte sie indes tun müssen, wenn sie mit dem Zuwarten der Vermieter nicht einverstanden gewesen wäre. Denn es erscheint als vernünftig, dass die Vermieter die ihnen obliegenden baulichen Massnahmen mit dem von der Mieterin vorzunehmenden Innenausbau abstimmen wollten. Dass die Mieterin ihrerseits mit dem Innenausbau nicht begonnen hat, ist nicht von den Vermietern sondern von der Mieterin zu verantworten.

6.5 Nach dem Gesagten ist davon auszugehen, dass das Mietobjekt ab August 2010 in einem Zustand war, der es der Mieterin erlaubt hätte, mit dem ihr obliegenden Innenausbau zu beginnen. Nicht nutzbar war das Mietobjekt in der Periode vom 22. Juni bis 31. Juli 2010, mithin während einem Monat und 9 Tagen. Während dieser Zeit hatten die Vermieter keinen Anspruch auf Mietzins. Ausgehend von einem Bruttomietzins von 4267 Franken haben die Vermieter der Mieterin für diese Periode 5547 Franken (= 4267 + 1280 Franken) zurück zu bezahlen.

6.6 Da verschiedene den Vermietern obliegende Arbeiten auch im August und September 2010 noch ausstanden, ist der Mieterin für diese zwei Monate eine Mietzinsreduktion von 35 % zu gewähren. Die Vermieter haben ihr somit für diese Periode einen Betrag von Fr. 2986.90 (= 2 x 1493.45) zurück zu erstatten. Da die Mieterin ihrerseits den Wiederaufbau ihrer Einrichtung nicht innert angemessener Frist an die Hand nahm, hat sie ab Oktober 2010 allein zu verantworten, dass die von den Vermietern zu leistenden Sanierungsmassnahmen noch ausstanden. Ab diesem Zeitpunkt ist ihr keine Mietzinsreduktion mehr zu gewähren.


8. Beendigung des Mietverhältnisses

8.1 Kennt der Vermieter einen Mangel und beseitigt er ihn nicht innert angemessener Frist, so kann der Mieter nach Art. 259b lit. a OR fristlos kündigen, wenn der Mangel die Tauglichkeit einer unbeweglichen Sache zum vorausgesetzten Gebrauch ausschliesst oder erheblich beeinträchtigt. Der Vermieter muss Mängel innert angemessener Frist beheben, auch wenn er den Eintritt nicht verschuldet hat. Bei schweren Mängeln hat der Vermieter schneller zu handeln. Es ist nicht nötig, dass der Mieter ihm eine Frist ansetzt (SVIT, a.a.O., N 14 zu Art. 259b OR). Die fristlose Kündigung ist möglich, wenn es sich um einen schweren Mangel handelt. Wenn der Vermieter einen schweren Mangel soweit behebt, dass er nicht mehr als schwer zu bezeichnen ist, kann der Mieter nicht mehr kündigen (SVIT, a.a.O., N 20 zu Art. 259b OR). Ob ein Mangel schwer wiegt, bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (Urteil BGer 4C.269/2005 vom 16.11.2006, E.4.1)
Die Mieterin macht geltend, das Mietobjekt sei im Zeitpunkt der Kündigung nicht in einem gebrauchsfähigen Zustand gewesen. Sie sei deshalb berechtigt gewesen, dass Mietverhältnis fristlos zu beenden.

8.2 Wie ausgeführt, hatte die Mieterin ab Oktober 2010 selbst zu verantworten, dass die Vermieter noch nicht alle ihnen obliegenden Sanierungsmassnahmen erledigt hatten. Es lag somit im Zeitpunkt der Kündigung vom 28.10.2010 kein schwerer Mangel vor, der zu einer fristlosen Kündigung berechtigt hätte. Die Kündigung der Mieterin erfolgte somit zu Unrecht und bleibt ohne Rechtswirkungen. Gemäss Mietvertrag konnte die Mieterin frühestens auf den 31.10.2014, unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 12 Monaten, kündigen.

8.3 Zudem wird die Pflicht, den im Vertrag vereinbarten Mietzins zu bezahlen, erst mit der Rückgabe des Mietobjekts beendet. Die Rückgabe der Mietsache bedeutet, dass das Mietobjekt dem Vermieter auch tatsächlich zurückgegeben wird. Dies erfolgt dadurch, dass der Mieter dem Vermieter die ausschliessliche Verfügungsgewalt am Objekt überträgt. Die typische Rückgabehandlung stellt die Übergabe sämtlicher (noch verfügbarer) Schlüssel an den Vermieter dar. Räumt der Mieter das Mietobjekt, gibt er aber die Schlüssel nicht zurück, ist die Rückgabe nicht erfolgt (SVIT, a.a.O., N 3a und 3b zu Art. 267-267a).
Vorliegend hat die Mieterin den Vermietern die Schlüssel des Objekts nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung zurückgegeben. Im Dezember 2010 war Y. im Auftrag der Mieterin im Mietobjekt, da die Mieterin eine Beratung betreffend einen allfälligen Wiederaufbau ihrer Firma gewünscht hatte. Sodann erklärte der Zeuge Z., er habe im Dezember 2011/Januar 2012 im Auftrag der Mieterin im Mietobjekt Rückbauarbeiten vorgenommen. Anlässlich der Instruktionsverhandlung vom 12.6.2012 war die Mieterin immer noch im Besitz der Schlüssel. All dies zeigt, dass das Mietverhältnis auch seitens der Mieterin nicht per 28.10.2010 beendet wurde.

Decisione

55/6 - Fristlose Kündigung und Mietzinsherabsetzung wegen eines Brandes (Rohbaumiete)

Ritorno