Vergleich

base giuridica

Nome del giudice

Kantonsgericht St.Gallen

Data

27.07.2006

Sommario

Ein im Zusammenhang mit einer Kündigung abgeschlossener Vergleich kann zwar wegen Grundlagenirrtums angefochten werden. Die Anfechtung ist jedoch nicht gerechtfertigt, nur weil sich Punkte, die zur Zeit des Vergleichsabschlusses als ungewiss betrachtet wurden, im nachhinein geklärt haben und sich erweist, dass eine Partei aufgrund einer falschen Risikokalkulation in den Vergleich eingewilligt hat.

Esposizione dei fatti

Der Gesuchsteller ist Mieter einer Wohnung mit Parkplatz und Garage in der Liegenschaft K.; die Gesuchsgegnerin ist Vermieterin. Mit Schreiben vom 29. August 2003 kündigte die Gesuchsgegnerin das Mietverhältnis per 30. November 2003. Auf Antrag des Gesuchstellers entschied die Schlichtungsstelle des Gerichtskreises St. Gallen, die Kündigung sei ungültig.
Die Gesuchsgegnerin erhob hiergegen am 1. Dezember 2003 Klage beim Kreisgerichtspräsidium St. Gallen und beantragte, es sei festzustellen, dass die Kündigung gültig sei.
Im Rahmen des Gerichtsverfahrens einigten sich die Parteien am 29. März/ 1. April 2004 auf eine Beendigung des Mietverhältnisses per Ende Juni 2006 unter Ausschluss einer weiteren Erstreckungsmöglichkeit. Gestützt auf diesen Vergleich schrieb der Kreisgerichtspräsident St. Gallen die Streitsache am 19. April 2004 als erledigt ab.
Am 23. März 2006 stellte der Gesuchsteller ein Revisionsgesuch und beantragte, der Entscheid vom 19. April 2004 sei aufzuheben und das frühere Verfahren wieder aufzunehmen. Im Wesentlichen machte der Gesuchsteller geltend, er habe den früheren Vergleich auf falscher Grundlage abgeschlossen und sich für die Gesuchsgegnerin erkennbar in einem Grundlagenirrtum befunden.
Mit Entscheid vom 7. Juni 2006 wies das Kreisgerichtspräsidium St. Gallen das Revisionsgesuch ab.
Am 14. Juli 2006 wandte sich der Gesuchsteller mit Berufung an das Kantonsgericht und erneuerte seine bereits in der Eingabe vom 30. Juni 2006 gestellten Anträge.

Considerazioni

2. Ist ein Entscheid aufgrund eines Vergleichs ergangen und bereits in Rechtskraft erwachsen, kann auf dem Wege der Revision geltend gemacht werden, dass er auf einer privatrechtlich unwirksamen Erklärung beruht (vgl. Art. 247 lit. d i.V.m. 246 Abs. 1 ZPO). Die Voraussetzungen der Revision hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sie verlangt (vgl. LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Kommentar zur Zivilprozessordnung des Kantons St. Gallen, Bern 1999, N 1a zu Art. 249 ZPO).
 Die privatrechtliche Unwirksamkeit eines Vergleichs kann namentlich auf Willensmängel zurückzuführen sein (vgl. auch LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, a.a.O., N 7a zu Art. 247 lit. d ZPO). Hauptanwendungsfall bildet der Grundlagenirrtum. Ein solcher liegt vor, wenn beide Parteien irrtümlich einen Sachverhalt als gegeben betrachtet haben oder wenn sich eine Partei mit Wissen der anderen über den Sachverhalt geirrt hat. Ausgeschlossen ist die Anfechtung allerdings, wenn sich Punkte, die zur Zeit des Vergleichsabschlusses als ungewiss betrachtet wurden, im nachhinein geklärt haben. Die Parteien haben sich nämlich gerade im Hinblick auf die Ungewissheit von solchen Punkten im Vergleich geeinigt; diese Punkte können daher nicht Gegenstand eines Grundlagenirrtums sein (LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, a.a.O., N 7b zu Art. 247 ZPO; FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung, 3. Aufl., Zürich 1997, N 11 zu § 293 ZH-ZPO; vgl. auch BGE 117 II 218 ff., 223; 114Ib 74 ff., 79). Als unbeachtlich gilt auch ein Irrtum über das Vorhandensein von Beweismitteln (vgl. FRANK/STRÄULI/MESSMER, a.a.O., N 11 zu § 293 ZH-ZPO; SCHMIDLIN, Berner Kommentar zum Obligationenrecht, Art. 23-31 OR, Bern 1995, N 362 zu Art. 23/24 OR, m.w.H.; MEIER-HAYOZ, Berufung auf Irrtum beim Vergleich, SJZ 1953 [49. Jahrgang], 117 ff. 119).

3. Vorliegend macht der Gesuchsteller sinngemäss geltend, dass er sich – namentlich unter Eindruck der von der Gesuchsgegnerin vorgelegten Rapporte – darüber geirrt habe, dass die Zeugin X. die Darstellung der Gesuchsgegnerin, wonach wichtige Gründe für eine Kündigung ausserhalb der Sperrfrist vorgelegen hätten, bestätigen würde. Hierbei handelt es sich jedoch – entgegen der Ansicht des Gesuchstellers – nicht um einen im Revisionsverfahren beachtlichen Irrtum:
 Die Ungewissheit, welche mit dem Vergleichsabschluss beseitigt wurde, bestand für die Parteien darin, ob es der Gesuchsgegnerin gelingen würde, die eine Kündigung innerhalb der Sperrfrist rechtfertigenden wichtigen Gründe nachzuweisen. Ob solche existierten, vermochte vorliegend einzig der Gesuchsteller abzuschätzen. Dieser musste wissen, ob die von der Gesuchsgegnerin auf Grundlage der eingereichten Rapporte erhobenen Vorwürfe der Wahrheit entsprachen oder nicht. Nachdem der Gesuchsteller in den Vergleich einwilligte, obwohl er die ihm gemachten Vorhaltungen schon damals weitgehend von sich wies und bezweifelte, dass die Äusserungen in den Rapporten „ von der Hand von X. stammen und dass sie auch deren Behauptungen beihalten“ kann er darauf heute nicht mehr zurückkommen. Eine solche Anfechtung zuzulassen, widerspräche den oben ausgeführten Grundsätzen: Dass die Parteien durch Zugeständnisse und gegenseitiges Nachgeben zu einer Neuordnung ihres Rechtsverhältnisses gelangen, bei welcher sie auf eine umfassende Überprüfung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse verzichten, liegt gerade in der ungewissheits- und streiterledigenden Funktion des Vergleichs (vgl. RUST, Die Revision im Zürcher Zivilprozess, Zürich 1981, 139 f.; MEIER-HAYOZ, a.a.O., 118). Jedem Vergleichsabschluss geht somit eine Kalkulation verschiedener Risikofaktoren voraus, welche jede Partei nur individuell und gestützt auf die ihr zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Informationen vornehmen kann. Diese Risikoeinschätzungen, welche der Gesuchsteller gestützt auf seine Kenntnisse, dass sich die Vorfälle entsprechend den ihm gemachten Vorhaltungen abgespielt hatten oder nicht, vornahm, und bei welcher er den mutmasslichen Inhalt der Zeugenaussage von X. und deren mutmassliche Würdigung durch das Gericht berücksichtigten musste, kann vorliegend, auch wenn sie sich – entsprechend den Behauptungen des Gesuchstellers – nachträglich als falsch erweisen sollte, nicht mehr korrigiert werden. Dies gilt umso mehr, als es im umgekehrten – für den Gesuchsteller nachteiligen – Fall auch der Gesuchsgegnerin verwehrt wäre, gestützt auf Erkenntnisse, wonach die wichtigen Gründe für eine Kündigung vor Ablauf der Sperrfrist mit Sicherheit vorgelegen haben, auf den Vergleich und damit auf ihre damalige Risikoeinschätzung zurückzukommen.

4. Dem Gesuchsteller hilft sodann auch nicht, dass er sich auf Täuschung beruft: Der Gesuchsteller wusste, ob die in den Rapporten festgehaltenen Vorwürfe der Wahrheit entsprachen oder nicht, so dass er darüber nicht in Irrtum versetzt werden konnte. Eine Täuschung könnte somit höchstens darin gelegen haben, dass er aufgrund der (Behauptungsweise verfälschten) Rapporte annahm, dass die Zeugin die darin festgehaltenen Vorwürfe auch dem Gericht gegenüber bestätigen würde, und dass er insoweit eine falsche Risikokalkulation vornahm, aufgrund welcher er fälschlicherweise in den Vergleich einwilligte.
 Schon oben wurde indessen darauf hingewiesen, dass die Risikoeinschätzung, die eine Partei im Hinblick auf einen Vergleichsabschluss vornimmt, individueller Natur ist. Auch wenn vorliegend tendenziell zugetroffen haben mag, dass sich der Gesuchsteller durch die Rapporte in seiner Einschätzung bestärkt sah, wonach der Gesuchsgegnerin der Beweis wichtiger Gründe für die Kündigung innerhalb der Sperrfrist gelingen könnte, bestand darüber letztlich keine Gewissheit. Weder konnte der Gesuchsteller mit Sicherheit annehmen, dass X. die rapportierten Vorfälle dem Richter gegenüber bestätigen würde, noch abschätzen, welche Bedeutung der Richter einer entsprechenden Aussage zumessen würde. Insofern lag keine eigentliche Täuschung vor. Soweit der Gesuchsteller schliesslich einen eigentlichen Prozessbetrug durch die Gesuchsgegnerin geltend machen will, ist ihm entgegen zu halten, dass er schon in seiner Klageantwort den Vorwurf erhob, dass die auf Grundlage der Rapporte erhobenen Behauptungen der Gesuchsgegnerin nicht zutreffen bzw. die Rapporte nicht von X. stammen. Damit kann er – immer vorausgesetzt, dass diese (schwerwiegenden) Vorwürfe zuträfen – aber auch diesbezüglich keiner Täuschung unterlegen sein. Gestützt auf diese Erkenntnis wäre es dem Gesuchsteller vielmehr offen gestanden, gerade nicht in den Vergleich einzuwilligen und stattdessen einen ordentlichen Prozess zu durchlaufen, in welchem sich der Richter mit den Vorwürfen der Parteien abschliessend hätte auseinandersetzen müssen. Nachdem der Gesuchsteller dies nicht getan hat, kann er auf diesen Entscheid nicht nachträglich zurückkommen, weshalb sich eine Anfechtung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht rechtfertigt.

Decisione

43/8 - Vergleich

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