Passivlegitimation bejaht

base giuridica

Nome del giudice

Kantonsgericht von Graubünden

Data

12.07.2004

Sommario

Der Beklagte hat die Liegenschaft seiner Tochter abgetreten und verfügt nur noch über ein Wohnrecht. Trotzdem wird die Passivlegitimation bejaht, da die Tochter dem Beklagten mit stillschweigender Vereinbarung gestattet hat, die Wohnung mietweise einem Dritten zu überlassen.

Esposizione dei fatti

Am 4. Mai 1995 haben die Parteien einen Mietvertrag über eine 3-Zimmer-Wohnung abgeschlossen. Am 20. August 2002 haben die Mieter Herrn W. ein Mietzinsherabsetzungsbegehren unterbreitet. Dieser lehnte das Ersuchen ab. Mit Eingabe vom 23. September 2002 gelangten die Mieter an die Schlichtungsbehörde. Es wurde jedoch keine Einigung erzielt. Mit Prozesseingabe vom 20. Dezember 2002 prosequierten die Mieter den Entscheid der Schlichtungsbehörde an das Bezirksgericht Prättigau/Davos.
Abklärungen dieses Gerichtes beim Grundbuchamt ergaben, dass die fragliche Wohnung per 19. Dezember 2000 vom Beklagten an dessen Tochter auf Rechnung künftiger Erbschaft abgetreten worden war. Zugleich hatte die Tochter ihren Eltern am gleichen Grundstück ein lebenslängliches, unübertragbares, unentgeltliches und unvererbliches Wohnrecht im Sinne von Art. 776ff. ZGB eingeräumt. Seit dem 19. Dezember 2000 war der Beklagte somit nicht mehr Alleineigentümer der Mietwohnung. Das Gericht argumentierte, mit Rücksicht auf Art. 261 Abs. 1 OR sei der Beklagte seit diesem Tag nicht mehr Vermieter. Die Klage wurde deshalb mangels Passivlegitimation abgewiesen. Gegen dieses Urteil erhoben die Mieter beim Kantonsgericht Berufung.

Considerazioni

2. d)
Im vorliegenden Fall verhält es sich so, dass W.W. das Eigentum an der Liegenschaft, in welcher sich die fragliche Mietwohnung befindet, mit Vertrag vom 19. Dezember 2000 an seine Tochter abtrat und somit im Sinne von Art. 261 Abs. 1 OR veräusserte. W.W. ist daher seit dem 19. Dezember 2002 nicht mehr als Eigentümer der fraglichen Wohnung anzusehen. Rechtsdogmatisch wurde E.J. durch die Abtretung neue Eigentümerin und Vermieterin der Wohnung. Gleichzeitig räumte sie aber ihren Eltern ein mit den bestehenden Mietverhältnissen an den einzelnen Wohnungen der Liegenschaft kollidiertes, beschränktes dingliches Recht (Wohnrecht am gesamten Wohnhaus und nicht nur an einer einzelnen Wohnung) ein, womit faktisch erneut ein „Eigentümerwechsel“ im Sinne von Art. 261a OR von E.J. auf W. und M.W. stattfand, welcher die sinngemässe Anwendbarkeit von Art. 261 OR nach sich zog. Mit anderen Worten ging das Mietverhältnis durch die Wohnrechtseinräumung grundsätzlich auf das Ehepaar W. über. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles stellt sich allerdings die Frage, ob W.W. nicht trotzdem – entgegen den Ausführungen der Vorinstanz – weiterhin alleiniger Vermieter der gegenständlich interessierenden Wohnung blieb.

aa)
E.J. räumte ihren Eltern gemäss Vertrag vom 19. Dezember 2000 ein unübertragbares und unvererbliches Wohnrecht am gesamten Wohnhaus ein. Es leuchtet nun aber ohne weiteres ein, dass das Ehepaar W. nicht alle Wohnungen der Liegenschaft selbst bewohnen kann. Obwohl das Wohnrecht als unübertragbar bezeichnet wurde, hätte es keinen Sinn ergeben, sämtliche Wohnungen – mit Ausnahme der von den Wohnberechtigten bewohnten Wohnung – leer stehen zu lassen, weshalb offenbar auch nach der Einräumung des Wohnrechts sämtliche Mietverhältnisse unverändert bestehen blieben. Das ist insofern von Bedeutung, als nach Bundesgericht und herrschender Lehre sowohl die Übertragung eines Wohnrechts als auch dessen Ausübung prinzipiell ausgeschlossen ist (vgl. Baumann, Zürcher Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 3. Aufl., Zürich 1999 N 27 zu Art. 776 ZGB mit weiteren Hinweisen). Das Wohnrecht gestattet seinem Inhaber nur den Gebrauch, nicht aber die Nutzung der Sache; eine Ausübungsübertragung würde dem Inhaber die Ziehung ziviler Früchte (Einnahmen aus Vermietung) und somit die Nutzung der Sache gestatten. Der Wohnberechtigte darf daher den Wohnraum grundsätzlich nicht vermieten (vgl. Baumann, a.a.O., N 28 zu Art. 776 ZGB). Immerhin wird es aufgrund des Prinzips der Vertragsfreiheit aber als möglich und zulässig betrachtet, dass der Eigentümer dem Berechtigten vertraglich gestatten kann, die Wohnung/das Gebäude mietweise einem Dritten zu überlassen. Gegenüber dem Eigentümer kommt einer solchen Vereinbarung lediglich eine obligatorische Wirkung zu und kann daher nicht im Grundbuch eingetragen werden. Das bedeutet aber, dass eine entsprechende Vereinbarung einem späteren Erwerber des Grundstücks nicht entgegengehalten werden kann, wenn er diese zusätzliche Pflicht nicht übernommen hat (vgl. BGE 116 II 289; Baumann, a.a.O., N 29 zu Art. 776 ZGB; Mooser, Basler Kommentar, N 6 zu Art. 776 ZGB).

bb)
Nach Auffassung des Kantonsgerichts liegen im hier zu beurteilenden Fall mehrere Indizien vor, die darauf hindeuten, dass zwischen E.J. als Eigentümerin der Liegenschaft und ihrem Vater W.W. als Inhaber des Wohnrechts an der gesamten Liegenschaft im Zusammenhang mit dem Abtretungsvertrag vom 19. Dezember 2000 stillschweigend eine Vereinbarung dahin gehend geschlossen wurde, Letzterem – wie vor der Abtretung des Grundstücks – weiterhin das Recht auf Vermietung der einzelnen Wohnungen (und somit auch derjenigen der Berufungskläger) zu belassen. So wurde zwischen der Eigentümerin E.J. und dem Ehepaar K. nach der Grundstückabtretung und der gleichzeitigen Wohnrechtseinräumung kein neuer Mietvertrag geschlossen. Auch wenn die Kenntnis von Eintragungen im Grundbuch fingiert wird (Art. 970 Abs. 3 ZGB), muss die Mieterschaft schriftlich über einen Eigentumsübergang informiert werden (vgl. Lachat/Stoll/Brunner, Das Mietrecht für die Praxis, 5. Auflage, Zürich 2002, FN 58, S. 481). Dies war vorliegend gerade nicht der Fall, da offenbar beabsichtigt war, dass der Mietzins für die fragliche Ferienwohnung auch nach erfolgter Eigentumsübertragung weiterhin einzig und allein an W.W. bezahlt werde. Ausserdem ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Frage nach der Passivlegitimation von W.W. erst spät im Verfahren überhaupt zum Thema wurde. Weder anlässlich der Schlichtungsverhandlung vor der Schlichtungsbehörde für Mietverhältnisse des Bezirks Prättigau/Davos noch in der Prozessantwort vom 18. Februar 2003 wurde geltend gemacht, dass der Beklagte nicht mehr Vermieter der fraglichen Wohnung sei. Erst der Hinweis des Obmanns der kantonalen Schätzungskommission 3 im Schreiben vom 7. Mai 2003 an die Vorinstanz, wonach E.J. seit dem 19. Dezember 2000 Eigentümerin der Liegenschaft sei, brachte diesbezüglich den Stein ins Rollen. Dies spricht dafür, dass sich der Berufungsbeklagte nach der Eigentumsübertragung an seine Tochter selbst weiterhin als Wohnungsvermieter betrachtet. Entgegen den Ausführungen der Vorinstanz trifft es sodann nicht zu, dass die Eigentümerschaft nur beiden Wohnberechtigten zusammen gestatten kann, die Wohnungen zu vermieten. Angesichts des Grundsatzes der Vertragsautonomie ist nicht ersichtlich, weshalb E.J. und W.W. nicht konkludent hätten vereinbaren können, dass Letzterer immer noch allein, das heisst ohne seine ebenfalls wohnberechtigte Ehefrau als Vermieter fungierte und dementsprechend den Mietzins einziehe, umso mehr als dieser Abmachung ja keine dingliche Wirkung zukommt. Dass sich dieses stillschweigende Abkommen nicht auch auf die Ehefrau des Beklagten bezog, wird wiederum durch die Tatsache, wonach in der Prozessantwort vom 18. Februar 2003 die Befragung von M.W. als Zeugin beantragt wurde, verdeutlicht. Der Beklagte ging demnach zum damaligen Zeitpunkt selbst davon aus, allein Vermieter der fraglichen Wohnung und damit im vorliegenden Verfahren passivlegitimiert zu sein.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass W.W. – trotz der Eigentumsabtretung der Liegenschaft an seine Tochter – aufgrund des ihm gleichzeitig eingeräumten Wohnrechts und der ihm konkludent gestatteten Weitervermietung Vermieter der Ferienwohnung der Berufungskläger geblieben ist. Die Passivlegitimation des Berufungsbeklagten ist somit zu bejahen.

Decisione

39/2 - Passivlegitimation bejaht

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