Nichtigkeit der Kündigung

base giuridica

Nome del giudice

Kantonsgerichtspräsidium Zug

Data

24.05.2007

Sommario

Die Kündigung des Vermieters muss dem Mieter und seiner Ehegattin separat zugestellt werden, auch wenn sich die Ehegatten bereits getrennt haben. Andernfalls ist die Kündigung nichtig. Das Gericht hat die Nichtigkeit der Kündigung jederzeit – also auch noch im Ausweisungsverfahren – von Amtes wegen zu berücksichtigen.

Esposizione dei fatti

Per 1. Mai 2000 schlossen die Gesuchstellerin als Vermieterin und die Gesuchsgegner als Mieter einen Mietvertrag über die 4½-Zimmer-Wohnung im 1. OG als Familienwohnung mit zwei Kellerabteilen in H. ab.
Nachdem die Gesuchsgegner die von ihnen geschuldete Miete unbestrittenermassen nicht mehr bezahlt hatten, setzte ihnen die Gesuchstellerin mit Schreiben vom 20. September 2006 und vom 22. Januar 2007 eine 30-tägige Frist zur Bezahlung der ausstehenden Mietzinse und drohte ihnen gleichzeitig an, dass der Mietvertrag bei unbenütztem Ablauf der Frist gekündigt werde. Die Gesuchsgegner bezahlten die ausstehenden Mietzinse innert der gesetzten Frist nicht, worauf die Gesuchstellerin das Mietverhältnis am 22. März 2007 mit amtlichem Formular gemäss Art. 266l Abs. 2 OR auf den 30. April 2007 kündigte.
Mit Eingabe vom 21. April 2007 beantragte der Gesuchsgegner bei der Schlichtungsbehörde in Mietsachen des Kantons Zug eine Erstreckung des Mietverhältnisses um drei Monate.
Mit Eingabe vom 1. Mai 2007 stellte die Gesuchstellerin beim Kantonsgerichtspräsidium Zug den Antrag, die Gesuchsgegner seien unter Androhung des polizeilichen Vollzugs im Unterlassungsfalle zu verpflichten, die 4½-Zimmer-Wohnung im 1. OG mit zwei Kellerabteilen innert einer vom Richter festzusetzenden Frist zu räumen und die Schlüssel der Gesuchstellerin abzugeben.
In seiner Vernehmlassung vom 21. Mai 2007 beantragte der Gesuchsgegner eine Erstreckung des Mietverhältnisses bis zum 30. Juni 2007. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, es liege ein ausserordentlicher Härtefall vor, da er seit längerer Zeit arbeitslos sei und Schulden von weit über CHF 6OO'OOO.-- habe. Obwohl seine Frau sich von ihm trenne, wohnten beide Kinder zur Zeit immer noch bei ihm. Die Kinder nun kurz vor Schulschluss radikal aus der Schule reissen zu müssen, mache die extreme psychische Belastung sowohl für ihn wie auch für die Kinder nur noch schlimmer; ein geordneter Umzug per 1. Juli 2007 würde die Situation wenigstens ein wenig entschärfen und erträglicher machen.
In ihrer Stellungnahme vom 23. Mai 2007 beantragte die Gesuchstellerin sinngemäss die Abweisung des Erstreckungsgesuchs; die Frist zur Räumung sei auf den 1. Juni 2007, 12.00 Uhr, festzusetzen.

Considerazioni

6. Nach Art. 266n OR und Art. 266o OR muss eine Kündigung des Vermieters dem Mieter und seinem Ehegatten separat zugestellt werden. Das gleiche gilt für die Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung nach Art. 257d OR. Andernfalls ist die Kündigung nichtig. Die Gerichte haben die Nichtigkeit - unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbots - unabhängig von einer Klage oder einem Parteiantrag jederzeit (also auch noch im Ausweisungsverfahren) von Amtes wegen zu überprüfen (vgl. dazu Weber, Basler Kommentar, 3. A., Basel/Genf/München 2003, N 2 zu Art. 266o OR; mp 2002, S. 22 f.). Da vorliegend sowohl die Mahnung/Kündigungsandrohung gemäss Art. 257d Abs. 1 OR vom 20. September 2006 als auch diejenige vom 22. Januar 2007 den Ehegatten nicht je separat, sondern gemeinsam zugestellt wurden, sind die Formvorschriften von Art. 266n OR nicht erfüllt. Dies führt zur Nichtigkeit der Kündigung vom 22. März 2007, was - wie erwähnt - von Amtes wegen zu berücksichtigen ist.
Daran ändert auch nichts, dass sich die Gesuchsgegnerin 2 offenbar kürzlich vom Gesuchsgegner 1 getrennt hat. Unter Familienwohnung versteht man nämlich die Wohnung, in welcher die Ehegatten dauernd den räumlichen Mittelpunkt ihres Ehe- und Familienlebens, mithin ihren gemeinsamen Haushalt haben oder bestimmungsgemäss haben sollten. Selbst wenn sich die Ehegatten bereits vor dem 22. Januar 2007, d.h. im Zeitpunkt der zweiten Mahnung, getrennt hätten, würde dies an der Nichtigkeit nichts ändern, da die Art. 266m-266o OR ihrem Schutzzweck entsprechend gerade bei Aufhebung des gemeinsamen Haushalts aktuell werden. Sie gelten deswegen grundsätzlich auch während des Getrenntlebens im Sinne von Art. 175 ff. ZGB und während des Scheidungs- oder Trennungsprozesses (vgl. Weber, a.a.O., N 2 zu Art. 266m/266n OR, mit zahlreichen Hinweisen).
7. Da die Kündigung nichtig ist, hat die Gesuchstellerin keinen Anspruch auf Rückgabe der Mietsache. Mithin kann sie auch nicht die Ausweisung der Mieter verlangen. Ihr Gesuch muss daher abgewiesen werden.
Da die Kündigung nichtig ist, ist im Übrigen auch das Begehren des Gesuchsgegners 2 betreffend Mieterstreckung gegenstandslos geworden. Lediglich der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass bei Zahlungsverzug eine Erstreckung des Mietverhältnisses von Gesetzes wegen ausgeschlossen ist (vgl. Art. 272a Abs. 1 lit. a OR).

Decisione

44/3 - Nichtigkeit der Kündigung

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