Mündlich abgeschlossener Mietvertrag

base giuridica

Nome del giudice

Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden

Data

04.03.2010

Sommario

Besteht nur ein mündlich abgeschlossener Mietvertag, gelten ergänzend die dispositiven Bestimmungen des Mietvertragsrechtes nach Artikel 253ff. OR. Die speziellen Klauseln eines vom Mietenden nicht unterzeichneten Mietvertrages gelangen nicht zur Anwendung.

Esposizione dei fatti

Die Beklagten mieteten von der Klägerin eine 6-Zimmer-Wohnung. Mietbeginn war der 1. April 2003. Der Mietzins betrug Fr. 1'800.– pro Monat. Am 25. Januar 2006 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist auf den 30. April 2006. Am 23. Februar 2006 bestätigte die Klägerin den Erhalt des Kündigungsschreibens, machte jedoch geltend, dass die Kündigungsfrist vier Monate betrage und das Mietverhältnis somit erst auf den 31. Mai 2006 gekündigt werden könne.
Mit Zahlungsbefehlen leitete die Klägerin gegen die Beklagten die Betreibung für den Mietzins des Monates Mai 2006 in Höhe von Fr. 1'800.– sowie für Reinigungskosten von Fr. 2'900.– ein. Gegen beide Zahlungsbefehle haben die Beklagten Rechtsvorschlag erhoben.
Am 24. Januar 2007 fand vor der Schlichtungsstelle für Miet- und Pachtverhältnisse eine Schlichtungsverhandlung statt. Es konnte keine Einigung erzielt werden.
Mit Eingabe vom 23. Februar 2007 macht die Klägerin geltend, dass die Frist für die Kündigung der Wohnung vier Monate betrage, weshalb die Beklagten die Miete für den Monat Mai 2006 ebenfalls zu bezahlen hätten. Sie beruft sich dabei auf den schriftlichen Mietvertrag vom 23. Februar 2006, in dem eine viermonatige Kündigungsfrist vereinbart worden sei. Die Beklagten stellen sich auf den Standpunkt, dass sie diesen Mietvertrag nie unterzeichnet hätten und mit einer Ausdehnung der gesetzlichen Kündigungsfrist auf vier Monate nicht einverstanden gewesen seien.

Considerazioni

Der Abschluss eines Mietvertrages über eine Familienwohnung ist nach Art. 253 OR formlos gültig, bedarf also nicht zwingend der schriftlichen Form, sondern kann auch mündlich oder stillschweigend abgeschlossen werden. Im vorliegenden Fall liegt kein schriftlicher Mietvertrag vor, da der Formularvertrag vom 24. Februar 2003 nur von der Klägerin, nicht aber von den Beklagten unterzeichnet worden ist. Die Klägerin behauptet nicht, dass die fragliche Kündigungsklausel zwischen den Parteien mündlich vereinbart worden sei. Eine mündliche Einigung der Parteien lag offenbar nur bezüglich des Mietobjektes, der Höhe des Mietzinses und des Zeitpunktes des Mietantrittes vor. Das war aber für den Abschluss eines gültigen Mietvertrages bereits ausreichend, da über die objektiv wesentlichen Elemente des Mietvertrages (Vertragsobjekt und Entgeltlichkeit) ein Konsens bestand (Lachat et al., Mietrecht in der Praxis, 8. Auflage, N 6/3.1.). Über die Dauer der Kündigungsfrist wurde zwischen den Parteien offensichtlich nicht mündlich verhandelt, mindestens behauptet dies die Klägerin nicht. Es entspricht denn auch einer Erfahrungstatsache, dass bei Mietverträgen häufig nur über den Mietzins für ein bestimmtes Mietobjekt und den Zeitpunkt des Mietantrittes verhandelt wird. Kommt darüber eine Einigung zustande, arbeitet der Vermieter in der Regel den detaillierten schriftlichen Mietvertrag mit den ergänzenden Vertragsklauseln aus und lässt diesen dem Mieter zur Unterschrift zukommen.
So wurde auch im vorliegenden Fall verfahren. Die Einhaltung der Schriftform nach Art. 16 Abs. 1 OR betrachtete die Klägerin offensichtlich nicht als Gültigkeitsvoraussetzung für das Zustandekommen des Mietvertrages (Lachat et al., a.a.O., N 6/4.1.3.), da sie sich damit abfand, dass die Beklagten ohne unterzeichneten Mietvertrag das Mietobjekt bewohnten. Es fragt sich aber, ob die Klägerin davon ausgehen konnte, dass die Beklagten mit den Klauseln des Mietvertrages vom 24. Februar 2003 stillschweigend einverstanden waren, da sie nie ausdrücklich etwas Gegenteiliges zu erkennen gegeben hatten. Ein Mietvertrag kann ausnahmsweise stillschweigend, d.h. durch konkludentes Handeln abgeschlossen werden (Lachat et al., a.a.O., N 6/4.5.). In der Regel beinhaltet Stillschweigen nach Art. 6 OR keine Annahme eines Antrages und führt daher nicht zu einem stillschweigenden Vertragsabschluss (Lachat et al., a.a.O., N 6/4.5.2.). Eine Ausnahme besteht nach Art. 6 OR nur, wenn wegen der besonderen Natur des Geschäftes oder nach den Umständen eine ausdrückliche Annahmeerklärung nicht zu erwarten war. Da der Abschluss des Mietvertrages kein Rechtsgeschäft mit besonderer Natur war (BSK-OR I, Art. 6 N 11f.), fragt sich einzig noch, ob besondere Umstände im Sinne von Art. 6 OR vorlagen. Die Klägerin macht geltend, dass die Beklagten in die Wohnung eingezogen seien, ohne den ihnen bereits vorliegenden Mietvertrag unterzeichnet zu haben. Durch dieses Verhalten hätten sie nach Treu und Glauben ihren Willen zum Ausdruck gebracht, mit den Klauseln dieses Mietvertrages einverstanden zu sein. Dieser Auffassung kann aber nicht gefolgt werden, da diese Situation keiner der in Lehre und Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen entspricht oder nahekommt (Vertrauensverhältnis aufgrund einer bestehenden Geschäftsbeziehung, angebahnte Vertragsverhandlungen im Voraus erteilte Annahmeerklärung: BSK-OR I, Art. 6 N 13 ff.). Die Praxis anerkennt zwar, dass eine Annahme trotz Stillschweigen vorliegt, wenn der Offertempfänger den ihm angebotenen Vertrag in Vollzug setzt, das heisst, seine Leistung erbringt und die angebotene Gegenleistung beansprucht (BSK-OR I, Art. 6 N 13 b.). die Klägerin scheint sich auf diesen Fall zu berufen. Die vorliegende Situation unterscheidet sich davon jedoch grundlegend, da zwischen den Parteien bereits ein mündlich abgeschlossener Mietvertrag bestand. Dieser konnte vollzogen werden, da neben dem Mietobjekt die Höhe des Mietzinses und der Zeitpunkt des Mietantrittes vereinbart worden waren. Weiterer vertraglicher Abmachungen bedurfte es für den Vollzug des Mietvertrages nicht, da ergänzend die dispositiven Bestimmungen des Mietvertragsrechtes nach Art. 253 ff. OR galten. Es war daher keine (stillschweigende) Zustimmung der Beklagten zum schriftlichen Mietvertrag notwendig, um das Mietverhältnis zum Entstehen zu bringen. Etwas anderes wäre es, wenn der Mietvertrag vom 24. Februar 2003 über das bereits mündlich Abgemachte hinaus zusätzliche Klauseln enthalten hätte, die während des Mietverhältnisses von den Beklagten auch tatsächlich vollzogen worden wären und somit der gelebten Vertragwirklichkeit entsprochen hätten. Dann wäre der Schluss erlaubt, dass sie mit dem Mietvertrag vom 24. Februar 2003 stillschweigend einverstanden waren. Da aber eine Kündigungsklausel naturgemäss erst bei der Auflösung des Mietverhältnisses zur Anwendung kommt und vorher nicht praktisch ''gelebt'' werden kann, kann die Klägerin daraus nichts ableiten.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der geltend gemachte Mietvertrag vom 24. Februar 2003 nicht durch konkludentes Verhalten der Beklagten oder gestützt auf Treu und Glauben zwischen den Parteien rechtsverbindlich geworden ist. Gültigkeit hatte zwischen den Parteien allein der vor Mietantritt abgeschlossene mündliche Mietvertrag mit den ergänzenden Bestimmungen des Mietvertragsrechtes. Deshalb galt nicht die viermonatige, sondern die gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten gemäss Art. 266c OR. Die Kündigung auf den 30. April 2006 war somit zulässig und die Beklagten müssen den ausstehenden Mietzins für den Monat Mai 2006 nicht bezahlen.

Decisione

48/2 - Mündlich abgeschlossener Mietvertrag

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