Mietzinserhöhung nach umfassender Überholung

base giuridica

Nome del giudice

Mietgericht Zürich

Data

20.11.2015

Sommario

Mietzinserhöhungen nach umfassenden Überholungen sind häufig Gegenstand aufwendiger gerichtlicher Streitigkeiten. Das nachfolgend zitierte Urteil legt diesbezüglich und auf Mieterseite dar, welche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einrede des übersetzten Ertrags bestehen als auch welche Anforderungen an die Widerlegung der in Artikel 14 Absatz 1 VMWG aufgestellten Wertvermehrungsvermutung – 50 bis 70 %–Regel – zu setzen sind. Auf Seiten des Vermieters wird aufgezeigt, ob Mieterentschädigungen und Verzinsungskosten den Baukosten hinzuzurechnen sind, welche Anforderungen an die Substantiierung geltend gemachter Baukosten zu stellen sind und welcher Verteilschlüssel auf die Kosten für allgemeine Gebäudeteile anzuwenden ist.

Esposizione dei fatti

In den Jahren 2010 und 2011 wurde die Liegenschaft durch die Vermieterin (Klägerin) einer umfassenden Überholung unterzogen. Dabei wurde die Dachgeschosswohnung von einer einstöckigen in eine zweistöckige, ca. 195 m2 grosse Wohnung ausgebaut. In den darunterliegenden Geschossen befindet sich pro Etage je eine 5–Zimmerwohnung. Während die Wohnung im Erdgeschoss über eine Fläche von 129 m2 verfügt, haben die Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoss eine Grösse von je 126 m2.

Am 8. Dezember 2011 zeigte die Vermieterin den im 2. Obergeschoss wohnenden Mietern (Beklagte) eine Mietzinserhöhung per 1. April 2012 an. Den bis dahin zu leistenden monatlichen Nettomietzins von Fr. 2522.– zuzüglich Nebenkosten von Fr. 343.– erhöhte sie auf Fr. 3416.– zuzüglich Nebenkosten von Fr. 343.–. Die Erhöhung begründete die Vermieterin wie folgt:

„1  Anpassung Referenzzinssatz, Teuerungsausgleich und Kostensteigerung

Basis für Mietzins    bisher          aktueller Stand      Änderung

Referenzzinssatz      2.75 %        2.50 %                    –2.91 %

Lebenskostenindex  159.8 P        160.2 P                    0.10 %

Gebühren/Abgaben  Sept. 10      Nov. 11                    0.58 %

Senkungsanspruch Mieter                                           2.23 %         Fr. –56.00

2    Erhöhung infolge Gebäude–, Küchen– und Badsanierung       Fr.  950.00“

Mit Eingabe vom 7. September 2012 – und nach erfolglos gebliebenen Schlichtungsverfahren – reichte die Vermieterin Klage beim Mietgericht des Bezirks Zürich ein. Sie begehrte dabei, es sei festzustellen, dass der Mietzins von monatlich Fr. 3416.– netto zuzüglich Fr. 343.– akonto Heiz- und Betriebskosten nicht missbräuchlich sei. Hierfür wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die Gesamtkosten der umfassenden Sanierung Fr. 2 145 111.25 betragen. Der Bauleiter sei beauftragt worden diese Kosten in die Bereiche Gebäude allgemein, Innenausbau Wohnungen EG bis 2. OG und Ausbau Wohnung Dachstock aufzuteilen. Diese Aufteilung sehe wie folgt aus:

(Innen)Ausbaukosten der drei Wohnungen EG bis 2. OG                      Fr.                808 149.10

      Kosten Sanierung allgemeine Gebäudeteile                                        Fr.                733 578.20

      Kosten Ausbau Wohnung Dachgeschoss                                           Fr.               592 622.00

      Total                                                                                                          Fr.          2 145 473.00

Die für die fragliche Mietzinserhöhung massgebende Bausumme setze sich aus den Innenausbaukosten der drei Wohnungen im EG bis 2. OG sowie einem Anteil an den Sanierungskosten für die allgemeinen Gebäudeteile zusammen und betrage Fr. 1 340 365.–. Von diesen Kosten seien 60 % als wertvermehrend zu betrachten und zu einem Kapitalisierungssatz von 6.5 % zu verzinsen. So berechnet sei eine monatliche Mietzinserhöhung von Fr. 1452.05 zulässig. Die angezeigte Mietzinserhöhung wegen wertvermehrender Investitionen in Höhe von Fr. 950.– sei dagegen deutlich tiefer ausgefallen.

Die Mieter anerkannten zwar die vorgenommene Sanierung als umfassende Überholung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 VMWG. Sie bestritten jedoch die Höhe der Baukosten von Fr. 2 145 111.– und machten geltend, die Aufteilung in die drei Bereiche (Kosten Wohnungen EG bis 2. OG, Allgemein, Dachstock) sei nicht nachvollziehbar. Bestritten wurde daher auch die behauptete massgebende Investitionssumme von Fr. 1 340 365.– nach Bestand und Umfang. Die Mieter hielten zudem dafür, dass ein wertvermehrender Anteil von höchstens 30 % gerechtfertigt sei, der zu einem Kapitalisierungssatz von 5.14 % verzinst werden dürfe.




Considerazioni

4. Einrede des übersetzten Ertrags

Mietzinse sind missbräuchlich, wenn damit ein übersetzter Ertrag aus der Mietsache erzielt wird (Art. 269 OR). Der zulässige oder missbräuchliche Ertrag bestimmt sich anhand einer Nettorenditeberechnung (vgl. dazu SVIT-Kommentar III, Art. 269 OR N 6 ff.).

4.1 Die Mieter erheben die Einrede des übersetzten Ertrags , indem sie geltend machen, sofern die Mietzinserhöhung den anerkannten Betrag von Fr. 600.– übersteige, führe dies zu einem nach Art. 269 OR missbräuchlichen Mietzins.

Die Vermieterin hält dem entgegen, die Liegenschaft sei vor Jahrzehnten in ihr Eigentum übertragen worden. Unbekannt sei, zu welchen Konditionen dies erfolgt sei. Sofern überhaupt allfällige Übernahmewerte vorhanden wären, wären diese gegenüber heutigen Wertverhältnissen unrealistisch und könnten zu einer Ertragsberechnung nicht mehr herangezogen werden. Der Einwand des übersetzten Ertrags sei somit unbehelflich. Unstrittig ist im Übrigen zwischen den Parteien, dass die streitgegenständliche Liegenschaft eine Altbaute ist.

4.2 Die Vermieterin hat den Mietzins wegen Mehrleistungen i.S.v. Art. 269a lit. b OR erhöht. Die Mieter sind grundsätzlich berechtigt, gegenüber einer derart begründeten Mietzinserhöhung die Einrede des übersetzten Ertrags zu erheben (BGE 124 III 310 E. 2b; 140 III 433 E. 3 und 3.1 je mit weiteren Verweisungen).

Sowohl der angerufene Erhöhungsgrund als auch die erwähnte auf die Nettorenditeberechnung gestützte Einrede des übersetzten Ertrags beruhen auf dem Prinzip der Kostenmiete. Dieser steht die Marktmiete gegenüber. Der Marktmietzins wird anhand des orts- und quartierüblichen Mietzinses ermittelt (Art. 269a lit. a OR). Diese beiden Prinzipien stehen zueinander in einem gewissen Spannungsverhältnis (z.B. BGE 118 II 124 E. 4). Bei Altbauten geht die Marktmiete der Kostenmiete vor, weil die Nettorenditeberechnung zu wirtschaftlich unrealistischen Ergebnissen führt (zuletzt BGE 140 III 433 E. 3.1 mit weiteren Verweisungen). In Anbetracht dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung, worauf die Vermieterin sich beruft, kann bei Altbauten eine Nettorendite unterbleiben, wenn die Vermieterin sich auf die Orts- und Quartierüblichkeit beruft und eine genügend grosse Anzahl von Vergleichsobjekten im Sinne von Art. 11 VMWG nennen kann (so der Sachverhalt in BGE 4C.323/2001 E. 3a). Im vorliegenden Fall macht die Vermieterin allerdings keinerlei Ausführungen zur Orts- und Quartierüblichkeit. Vielmehr lässt sie es beim allgemeinen Hinweis bewenden, eine Nettorenditeberechnung führe – sofern diese überhaupt durchgeführt werden könne – zu unrealistisch tiefen Werten. Bei einer derartigen Konstellation, bei welcher die Orts- und Quartierüblichkeit nicht einmal behauptet wird, ist indessen davon auszugehen, dass die Marktmiete gar nicht zu prüfen ist. Die Vermieterin macht es sich daher mit ihrer Argumentation zu einfach. Nur allein die theoretisch denkbare Tatsache, dass eine Ertragsberechnung zu unrealistischen wirtschaftlichen Ergebnissen führt oder führen kann, bewirkt noch nicht, dass eine solche zum vorneherein gänzlich zu unterbleiben hat. Eine Ertragsberechnung entfällt vielmehr erst dann, wenn die Vermieterin substantiiert Vergleichsobjekte nennt, aufgrund derer die Orts- und Quartierüblichkeit bestimmt werden kann. Erst in einem solchen Fall wird die Marktmiete zum Prozessthema und es stellt sich auch erst dann die Frage, ob die Marktmiete der Kostenmiete vorgeht.

Da die Vermieterin es unterlassen hat, sich zur Orts- und Quartierüblichkeit zu äussern, sind die Mieter grundsätzlich berechtigt, gegenüber der strittigen Mietzinserhöhung die Einrede des übersetzten Ertrags (zu hohe Nettorendite) zu erheben (vgl. dazu auch BGE 4C.323/2001 E. 3a letzter Satz).

4.3                                               Gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung ist die Netto-
rendite anhand der vom Eigentümer in die Liegenschaft investierten Eigenmittel zu überprüfen. Diese Nettorendite entspricht der Verzinsung des Eigenkapitals. Als Eigenkapital gilt dabei die Differenz zwischen den Anlagekosten und den aufhaftenden Schulden (BGE 122 III 257 E. 3a). Als Anlagekosten gelten einzig die Kosten bei Erwerb oder Erstellung der Liegenschaft (z.B. Kaufpreis, Baukosten und Kosten für Land). Andere Werte kommen nicht in Frage (BGE 122 III 257 E. 3). Die Mieter sind gemäss Art. 8 ZGB dafür beweispflichtig, dass ihre Einrede, wonach der Mietzins zu einem übersetzten Ertrag führt, zutrifft. Eine Ertragsberechnung setzt zunächst voraus, dass das Eigenkapital berechnet werden kann. Dies wiederum bedingt, dass die Anlagekosten und die Hypothekarschulden ermittelt werden müssen. Die Mieter sind demnach zur Höhe der Anlagekosten und Hypothekarschulden zum Beweis zuzulassen.

Auf der Liegenschaft lasten keine Hypothekarschulden. Gemäss einer im Beweisverfahren eingeholten schriftlichen Auskunft des Grundbuchamtes X vom 29. Juli 2014 wurde das Eigentum an der Liegenschaft im Jahr 1969 an die Kollektivgesellschaft Y (Vermieterin) übertragen. Dabei wurde kein Übernahmewert festgelegt, denn gemäss Auskunft des Grundbuchamtes wurde die Eigentumsübertragung im Grundbuch “gestützt auf eine Grundbuchanmeldung, welche zwar die Schuldübernahme aber keine Übernahmewerte enthält, und ohne zusätzlichen Rechtsgrundausweis eingetragen“. Zufolge einer Umwandlung in eine Kommanditgesellschaft wurde die Vermieterin am 5. Dezember 1985 sodann als neue Eigentümerin ins Grundbuch eingetragen. Die Grundbuchanmeldung enthielt wiederum keine Angaben zum Wert des Grundstücks. Weitere vor diesen Eigentumsübertragungen datierende Unterlagen aufgrund derer die Anlage- oder Baukosten ermittelt werden können, existieren nicht bzw. nicht mehr.

Mangels Vorliegens von Unterlagen sowie zufolge dieser schriftlichen Auskunft steht fest, dass die Anlagekosten nicht eruiert werden können. Demzufolge kann auch das Eigenkapital nicht ermittelt werden. Da Belege zur Feststellung des investierten Eigenkapitals fehlen, kann eine Nettorenditeberechnung nicht vorgenommen werden. Die von den Mietern erhobene Einrede bleibt demnach unbewiesen.

6.1 Massgebende Baukosten und weitere anrechenbare Positionen

Gestützt auf die Schlussrechnung Umbau behauptet die Klägerin Baukosten in Höhe von Fr. 2 145 111.–.

Die Vermieterin macht geltend, zu den Baukosten seien die Mieterentschädigungen von Fr. 11 062.– und die Verzinsungskosten von Fr. 13 270.– für die von ihr bis zum Inkrafttreten der Mietzinserhöhung vorgeleisteten Sanierungskosten hinzuzurechnen. Gemäss ständiger Praxis des Mietgerichts zählen die Mieterentschädigungen nicht zu den Renovationskosten und sind allein vom Vermieter zu tragen (ZMP 2/04, S. 14 und 18; anders Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich vom 3. Mai 2001, E. 4c in: MRA 5/01, S. 139). An dieser Praxis des Mietgerichts ist festzuhalten. Mit den Entschädigungen sollen die eingeschränkte Gebrauchstauglichkeit der Mietsache abgegolten werden. Dieser Anspruch steht den Mietern von Gesetzes wegen zu (Art. 259d OR). Es kann daher nicht angehen, dass diese Entschädigungen zu den Baukosten hinzugerechnet werden, würden doch damit die Mieter die ihnen zugesprochenen Entschädigungen im Laufe der Jahre dem Vermieter wieder zurückzahlen.

Das Obergericht hat zudem in Erw. 4b. des erwähnten Entscheids festgehalten, dass Zwischenzinsen den Sanierungskosten zuzurechnen sind. Nach der Praxis des Mietgerichts gehören die Finanzierungskosten indessen nur dann zu den überwälzbaren Investitionskosten, wenn sie tatsächlich angefallen sind, was z.B. für die Baukreditzinsen zutrifft. Werden die Sanierungskosten hingegen aus eigenen Mitteln finanziert, sind keine Verzinsungskosten zu berücksichtigen (ZMP 1/04, S. 8 und 11 f.). Sofern der Vermieter die Baukosten aus eigenen Mitteln finanziert, kann er sein Kapital nicht anderweitig verzinsen. Diese entgangenen Zinseinnahmen sind daher genauso wie die Zinsen für einen vom Vermieter aufgenommenen Baukredit als Investitionskosten zu betrachten. Auch ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, der eine Unterscheidung zwischen Baukreditzinsen und Eigenkapitalzinsen nahelegen würde. An der erwähnten Praxis des Mietgerichts ist daher nicht mehr festzuhalten. Der Vermieter kann somit einen Zwischenzins für sein eigenes Kapital, welches er zur Finanzierung der Sanierung einsetzte, verlangen. Die Vermieterin macht ab 1. Dezember 2011 bis 1. April 2012 einen Zins von 3 % geltend. Dieser Zinssatz sowie die beantragte Dauer von vier Monaten sind nicht zu beanstanden. Die Vermieterin beansprucht Verzinsungskosten von Fr. 13 270.–. Sie verlangt daher auf einem Kapital von Fr. 1 327 000.– Zinse, was ebenfalls nicht zu beanstanden ist.

6.2.1 Zur klägerischen Substantiierung der Baukostenaufteilung

a) Die Vermieterin begründet die Aufteilung der Baukosten wie folgt: Gestützt auf die Schlussrechnung Umbau seien Gesamtbaukosten von Fr. 2 145 111.– ausgewiesen. Bauleiter Z sei damit beauftragt worden, diese Investitionskosten in die erwähnten drei Bereiche nach BKP-Positionen gegliedert und differenziert zu erfassen bzw. aufzuteilen. Z sei in der Lage, über jede einzelne BKP-Position in der Berechnung der „Sanierungskosten nach Bereichen“ Zeugnis abzulegen. Die Kosten der Sanierungsmassnahmen, welche in den drei Etagen EG bis 2. OG in gleicher Weise ausgeführt worden seien, würden nach dieser Berechnung Fr. 808 149.– betragen. Die Kosten, welche für alle vier Etagen im gleichen Umfang angefallen seien, betrügen Fr. 733 578.–.

Die Mieter machen geltend, die Vermieterin verweise pauschal auf eine Aufteilung ohne im Detail zu sagen, wie Z zu seiner Einschätzung gekommen sei und nach welchen Kriterien er vorgegangen sei. Dies habe die Vermieterin im Einzelnen substantiiert zu behaupten, was die Vermieterin versäumt habe. Die Kostenaufteilung könne nicht intellektuell nachvollzogen werden. Mit dem Gerichtspräsidenten sei der Vermieterin entgegenzuhalten, dass sie nur das Ergebnis behaupte, ohne Ausführungen dazu zu machen, welche Überlegungen dahin geführt hätten.

b) Zur Substantiierung der Behauptungen gehört, dass eine Partei die rechtserheblichen Tatsachen nicht nur in den Grundzügen, sondern umfassend und klar darzulegen hat, dass darüber Beweis abgenommen werden kann. Eine Partei darf sich daher nicht mit allgemeinen Behauptungen begnügen, in der Meinung, die Begründung ihres Prozesspunktes werde sich aus dem Beweisverfahren ergeben. Das Beweisverfahren soll nicht dazu dienen, ungenügende Parteivorbringen zu vervollständigen (BGE 108 II 337 E. 3; BSK ZPO-Gehri, Art. 55 N 4 und BSK-ZPO-Hafner, Art. 168 N 15).

Diese aufgeführten Grundsätze gelten uneingeschränkt für das ordentliche Verfahren, in welchem es den Parteien obliegt, die Tatsachen darzulegen und die Beweismittel anzugeben, auf die sie ihre Begehren stützen (Art. 55 Abs. 1 ZPO; sog. Verhandlungsgrundsatz). Vorbehalten bleiben indessen gesetzliche Bestimmungen über die Feststellung des Sachverhalts und die Beweiserhebung von Amtes wegen (Art. 55 Abs. 2 ZPO). Für Mietzinsstreitigkeiten gilt ohne Rücksicht auf den Streitwert das vereinfachte Verfahren (Art. 243 Abs. 2 lit. c ZPO). Für diese Streitigkeiten stellt das Gericht den Sachverhalt von Amtes wegen fest (Art. 247 Abs. 2 lit. a ZPO; sog. sozialer Untersuchungsgrundsatz). Im vereinfachten Verfahren trägt das Gericht bei der Beschaffung des Prozessstoffes eine Mitverantwortung. Es nimmt diese Ausgabe primär durch die Ausübung der Fragepflicht wahr und kann die erforderlichen Beweise von Amtes wegen erheben (Dike-Komm-ZPO, Art. 55 ZPO N 33 ff.; Bsk ZPO-Gehri, Art. 55 N 17). So wirkt das Gericht durch entsprechende Fragen darauf hin, dass die Parteien ungenügende Angaben zum Sachverhalt ergänzen und die Beweismittel bezeichnen (Art. 247 Abs. 1 ZPO). Im Weitern kann das Gericht Beweismittel ohne entsprechende Parteianträge abnehmen (vgl. Art. 58 Abs. 2 ZPO).

Den in Erw. a) wiedergegebenen Argumenten der Mieter ist daher zunächst entgegenzuhalten, dass die Vermieterin aufgrund der sozialen Untersuchungsmaxime nur in untergeordnetem Masse substantiierungspflichtig ist. Dies gilt auch für eine Partei die anwaltlich vertreten ist. Der klägerische Rechtsvertreter führte in der Hauptverhandlung aus, die Vermieterin habe im Hinblick auf die Plausibilisierung und die Berechnung der Mietzinserhöhung die Bauleitung beauftragt, eine Aufteilung nach drei Kriterien – Gesamtliegenschaft, nur Wohnungen EG bis 2. OG, nur Dachgeschosswohnung – vorzunehmen. Die einzelnen Unternehmer nähmen eine solche Aufteilung nicht vor. Der Fensterbauer liefere eine Anzahl Fenster, der Baumeister erbringe Baumeisterarbeiten in allen Bereichen der Liegenschaft, ebenso der Sanitär und der Schreiner etc. Praktisch sämtliche Untergattungen seien Werkverträge, welche als Leistungsinhalt alle Bereiche in dieser Liegenschaft hätten. Die Bauleitung habe aus den Unternehmerrechnungen die einzelnen Positionen herausfiltrieren und den einzelnen Bereichen zuordnen müssen. Es sei eine anspruchsvolle Aufgabe, die Herr Z nach bestem Wissen und in Anwendung der berufsbedingten Sorgfalt ausgeübt habe. Dabei habe er sich beispielsweise überlegen müssen, wo wie viele Meter Leitungen verlegt worden seien, wo wie viele Baumeister gearbeitet und Regiestunden aufgewendet hätten. Die Aufteilung der Kosten für die Küchengeräte sei einfacher, weil bekannt gewesen sei, welche Geräte in der Dachgeschosswohnung installiert worden sein. Herr Z habe aufgrund der Unternehmerrechnungen, der Kenntnisse über den Bauvorgang, der Pläne sowie anderer Unterlagen die Kostenaufteilung für jede einzelne BKP-Position vorgenommen. Das Produkt habe die Vermieterin in Form dieser von ihm vorgenommenen Zusammenstellung mit gewissen Erläuterungen ins Recht gelegt. Diese Ausführungen veranlassten den (damaligen) Mietgerichtspräsidenten offenbar zu einer Zwischenbemerkung, ist doch in einer Protokollnotiz festgehalten,

„(Der Mietgerichtspräsident erklärt, es läge nur das Endprodukt [vor]. Es gebe zu wenig Erläuterungen, wie man dazu gekommen sei.)“

Daraufhin wandte der klägerische Rechtsvertreter ein, „dazu müsste ich etwa 150 Seiten schreiben, da jeder Meter Elektro- und Sanitärleitung substantiiert werden müsste. Wir sind der Auffassung, dass die Substantiierung genügend ist, wenn wir unter Hinweis auf den beauftragten Fachmann dessen Produkt, das nach BKP-Positionen gegliedert ist, präsentieren…“. Falls das Gericht nach diesen Ausführungen des klägerischen Rechtvertreters tatsächlich die Auffassung vertreten hätte, mit dem Verweis auf die vom Bauleiter Z erstellte Zusammenstellung sei die Aufteilung der Baukosten von der Vermieterin ungenügend substantiiert worden, hätte es dies in Anwendung von Art. 55 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit Art. 274 ZPO der Vermieterin klar und deutlich mitteilen müssen. Eine blosse präsidiale Zwischenbemerkung genügt diesen Anforderungen nicht…

c) Bei eingereichten Urkunden sind konkrete Behauptungen aufzustellen, die den einzelnen Urkunden zugeordnet werden können. Unzulässig wäre es hier, für die behaupteten Tatsachen pauschal auf die eingereichten Aktenstücke zu verweisen (Leuenberger in: Sutter-Somm/Hasenböhler/ Leuenberger, Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, 2. Auflage, Art. 221 N 46). Sachverhaltselemente sind durch Verweis auf eingelegte Akten genügend behauptet, wenn der entsprechende Verweis in der Rechtsschrift spezifisch ein bestimmtes Aktenstück nennt und aus dem Verweis in der Rechtsschrift selbst klar wird, ob das Dokument in seiner Gesamtheit oder welche Teile des Aktenstücks als Parteibehauptung gelten sollen (z.B. BSK ZPO-Hafner, Art. 168 N 16).

Aus den klägerischen Ausführungen in den Rechtsschriften und im Hauptverfahren ist unschwer zu entnehmen, dass sich die Vermieterin gesamthaft auf die Zusammenstellung des Bauleiters Z stützt. Aus der klägerischen Behauptung ergibt sich auch, dass die Vermieterin sämtliche darin aufgeführte Zahlen mitsamt den angegebenen Begründungen, mit welchen die Bauleitung für jede Baukostenposition die Kosten in die drei Baubereiche aufteilte, übernahm. Damit erhob die Vermieterin die in der Zusammenstellung enthaltenen Zahlen und Begründungen in der Gesamtheit zu ihrer eigenen Sachdarstellung. Dies war sowohl für das Gericht als auch die Gegenpartei ohne Weiteres ersichtlich. Ein derartiger umfassender Verweis der Vermieterin auf eine von ihr eingereichte Beilage stellt somit eine genügend substantiierte Behauptung dar.

d) Tatsachenbehauptungen müssen so konkret formuliert sein, dass ein substantiiertes Bestreiten möglich ist oder der Gegenbeweis angetreten werden kann. Bestreitet der Prozessgegner das an sich schlüssige Vorbringen der behauptungsbelasteten Partei, kann diese gezwungen sein, die rechtserheblichen Tatsachen nicht nur in den Grundzügen, sondern so umfassend und klar darzulegen, dass darüber Beweis abgenommen werden kann (BGE 127 III E. 2b mit weiteren Hinweisen).

In der von der Bauleitung erstellten Tabelle sind die Baukosten, welche je nach Arbeitsgattung bzw. je Baukostenposition anfielen, auf jeder Zeile im Einzelnen aufgeführt. Zudem wurden die entsprechenden Kosten, welche für jede einzelne Baukostenposition anfielen, in vier Spalten unterteilt (Gesamtbaukosten, Gebäude allgemein, Kosten Wohnungen EG bis 2. OG, Kosten Wohnung DG).

Aus der Zusammenstellung geht demnach hervor, welchen Betrag die Vermieterin je Baukostenposition geltend macht und zu welchen Beträgen sich diese Kosten auf die drei Baubereiche aufteilen. Damit ist die Vermieterin ihrer Substantiierungspflicht in genügender Weise nachgekommen, kann und konnte doch für die drei Baubereiche Baukostenposition für Baukostenposition Beweis abgenommen werden und war es den Mietern gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung möglich, jede einzelne Position substantiiert zu bestreiten und den Gegenbeweis anzutreten. Dies gilt umso mehr als in der Tabelle noch ausgeführt wurde, welche Arbeiten in den entsprechenden Baubereich ausgeführt wurden. Es würde daher zu weit gehen, von der Vermieterin darüber hinaus noch zu verlangen, darzulegen, wie der Bauleiter jede einzelne Position für den jeweiligen Bauteil berechnet hat.

e) Die Mieter berufen sich schliesslich noch auf eine Äusserung des Experten, welcher festhielt, eine Erläuterung des Systems oder Prinzips (Schnittstellen) für die Kostenaufteilung liege nicht vor. Die Ausschreibungsunterlagen und Werkverträge im Speziellen für die Elektro-, Haustechnik- und Sanitärinstallationen seien nicht mit einer entsprechenden Gliederung gestaltet worden. Eine Zuordnung sei deshalb nicht möglich. Auch für Honorare und Nebenkosten könne eine Zuordnung nicht erfolgen. Diese vom Experten ausgeführte Problematik betrifft nicht die Frage der Substantiierung, sondern diejenige der Beweisbarkeit…

6.2.2.6             Massgebende Kosten für die Berechnung der Mietzinserhöhung der Wohnungen EG bis 2. OG

Die Vermieterin hat die auf die allgemeinen Gebäudeteile entfallenden Kosten gleichmässig auf die vier Wohnungen verteilt. Für die drei Wohnungen im Erdgeschoss bis zum 2. Obergeschoss setzte die Vermieterin daher Kosten von Fr. 550 184.– ein (Fr. 773 578.– x ¾). … Berücksichtigt man, dass die Wohnung im Dachgeschoss rund 70 m2 (195m2 gegenüber 129 m2 bzw. 126 m2;…) grösser als die übrigen drei Wohnungen ist, rechtfertigt es sich allerdings nicht, die entsprechenden Kosten zu je einem Viertel zu verteilen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass eine grössere Wohnung in grösserem Masse von den allgemeinen Gebäudeteilen profitiert als eine kleinere Wohnung. Die Kosten sind daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts im Verhältnis der Wohnungsfläche oder des Rauminhalts zu verteilen (BGE 4A_470/2009 E. 7 mit weiteren Verweisungen). Stellt man vorliegend auf die Wohnungsfläche ab, beträgt der Kostenanteil für die beklagtische Wohnung an den allgemeinen Gebäudeteilen Fr. 158 134.– (Fr. 722 898.–: 576 m2 x 126 m2).

7. Wertvermehrender Anteil / Kapitalisierungssatz

7.1   Rechtliche Vorbemerkungen

Die Parteien sind sich einig, dass die ausgeführten Renovationsarbeiten nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung als umfassende Überholung zu erachten sind. Die Kosten umfassender Überholungen gelten in der Regel zu 50 bis 70 % als wertvermehrende Investition (Art. 14 Abs. 1 VMWG). Diese Aufteilung stellt eine widerlegbare Vermutung dar. Wenn die einzelnen Arbeiten konkret als wertvermehrend oder werterhaltend qualifiziert werden können, gelangt der Pauschalansatz von 50 bis 70 % nicht zur Anwendung. Eine Mietzinserhöhung ist in diesem Fall (nur) nach
Massgabe der effektiven Mehrleistungen zulässig (BGE 118 II 415 E. 3a; 4A_495/2010 E. 4.1). Eine Unterschreitung dieses Rahmens setzt voraus, dass der Mieter konkret nachweist, dass der wertvermehrende Anteil weniger als 50 % der Investitionskosten ausmacht. Die entsprechende Beweisführung bedingt aber wiederum, dass die einzelnen Arbeiten konkret als wertvermehrend oder werterhaltend qualifiziert werden können (BGE 4A_495/2010 E. 9.2).

7.2 Bestimmung des wertvermehrenden Anteils

Im Wesentlichen wurden in der Liegenschaft folgende Sanierungsarbeiten durchgeführt: Sanierung Kanalisation, Ersatz der Fenster, Anbau eines zweiten neuen Balkons, Sanierung und Isolierung des Daches, Ersatz der Heizung von Öl auf Gas inkl. Einbau neuer Radiatoren im Schlafzimmer, neue schallschutzhemmende Gipskartondecke, Ersatz von Küche und Nasszellen inkl. Ersatz sämtlicher sanitärer Apparate und Installationen, Ersatz und Neuinstallation der elektrischen und sanitären (Steig)Leitungen inkl. Sanierung Hauptverteilung, neuer Trockenraum, neue Türen inkl. Ersatz von Schliessanlage und Sonnerie.

Die Mieter anerkennen, dass die neuen Balkone, die neuen Fenster mit verbesserter Lärmdämmung und der neue Waschturm wertvermehrend sind. Im Übrigen bestreiten die Mieter, dass die erwähnten Sanierungsarbeiten wertvermehrende Verbesserungen geschaffen hätten. Sie anerkennen daher einen wertvermehrenden Anteil von höchstens 30 %.

Die in Art. 14 VMWG enthaltene Sonderregelung für umfassende Überholungen bezweckt einerseits, den Vermieter durch eine vereinfachte und für ihn vorteilhafte Abrechnungsart zur Sanierung älterer Bauten zu ermuntern oder ihn wenigstens nicht davon abzuhalten. Andererseits soll die insbesondere bei grösseren Umbauarbeiten oft schwierige Unterscheidung zwischen reinen Unterhalts- und wertvermehrenden Arbeiten durch einen Pauschalsatz von 50 bis 70 % erleichtert werden (BGE 118 II 415 E. 3a; 4A_495/2010 E. 4.1). Nach Art. 14 Abs. 1 VMWG gelten die Kosten umfassender Investitionen in der Regel zu 50 bis 70 % als wertvermehrende Investitionen. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ist zu folgern, dass von dieser Pauschale abgewichen werden kann. Kann der Mieter (bzw. der Vermieter) im Einzelnen nachweisen, dass der Anteil wertvermehrender Investitionen tiefer (bzw. höher) ist, gelangt der Pauschalansatz nicht zur Anwendung. Eine Mietzinserhöhung ist in diesem Fall nur nach Massgabe der effektiven Mehrleistungen zulässig (BGE 118 II 415 E. 3a; 4A_495/2010 E. 4.1 und E. 7).

Wie bereits oben dargelegt, behaupten die Mieter, dass lediglich für drei Bauteile (Einbau neuer Balkone, Montage eines neuen Waschturms, Ersatz der Fenster) Wertvermehrungen geschaffen worden seien. Hinsichtlich sämtlicher restlicher Arbeiten nehmen die Mieter offenbar an, handle es sich um werterhaltende Arbeiten. Zudem vertreten sie die Ansicht, der Pauschalansatz komme erst dann zu Anwendung, wenn die Vermieterin nachweisen könne, dass der Anteil der Wertvermehrung nicht konkret bestimmt werden könne. Diese Ansichten sind aus den nachfolgenden Gründen unzutreffend:

Bei der Modernisierung einer Liegenschaft werden eine Vielzahl von Renovationsarbeiten ausgeführt. In der Regel ist es deshalb unmöglich oder nur mit unverhältnismässig hohem Aufwand möglich, die einzelnen Arbeiten auszuscheiden und für jede einen wertvermehrenden Anteil zu bestimmen. Gerade deswegen und um diesen praktischen Schwierigkeiten zu begegnen hat der Verordnungsgeber bei einer umfassenden Überholung einen Pauschalansatz in der Bandbreite zwischen 50 bis 70 % festgelegt. Liegt eine umfassende Überholung vor, was vorliegend unstrittig ist, ist nach Art. 14 Abs. 1 VMWG sowie der oben angeführten Rechtsprechung der Pauschalsatz anwendbar. Sofern und soweit die Mieter sich auf den Standpunkt stellen, der wertvermehrende Anteil betrage 30 %, liegt es einzig an ihnen – und nicht an der Vermieterin – die Bauabrechnung und die einzelnen Unterlagen zu prüfen und konkret zu behaupten sowie nachzuweisen, welche Arbeit wieviel gekostet hat und welcher wertvermehrende Anteil dieser Arbeit zuzusprechen ist. Dies haben die Mieter indessen unterlassen und sich damit begnügt, der Mehrheit der ausgeführten Arbeiten einen Mehrwert abzusprechen. Es erstaunt zwar nicht, dass die Mieter es bei einer derartigen Bestreitung beliessen. Denn eine lückenlose Unterscheidung zwischen reinen Unterhalts- und wertvermehrenden Arbeiten ist bei der vorliegenden umfassenden Renovation, bei welcher beinahe sämtliche in Frage kommenden Gebäudeteile der Liegenschaft saniert wurden, gar nicht möglich (vgl. dazu auch BGE 4A_495/2010 E. 9.2). Eine konkrete Mehrwertbestimmung kommt hingegen nach den Erfahrungen des Mietgerichts vor allem dann in Frage, wenn ein oder einige wenige Bauteile saniert werden. Die Liegenschaft wurde gemäss unwidersprochener klägerischer Sachdarstellung letztmals 1976 umfassend saniert. Werden über zwanzig- oder sogar über dreissigjährige Bauteile und Einrichtungen ersetzt, kann in der Regel nicht mehr vom gleichen Standard gesprochen werden. So ist regelmässig anzunehmen, dass nach dieser Zeit ein technologischer Fortschritt zu verzeichnen ist, der zu höherwertigen, leistungsfähigeren, energiesparenderen Einrichtungen führt (BGE 4A_495/2010 E. 6.3). Diese Überlegungen gelten bei der Sanierung der Liegenschaft – um nur die wichtigsten Arbeiten zu nennen – beispielsweise für den Ersatz der Heizung, der Küchen und der Nasszellen, den Ersatz der elektrischen und sanitären Installationen, der Sanierung und Isolierung des Daches und der Decke, der Renovation der Wohnungseingangstüren etc. Ungeachtet der Bestreitungen der Mieter kommen denn auch diesen Einrichtungen zu einem gewissen Anteil wertvermehrender Charakter zu.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der wertvermehrende Anteil der Umbaukosten innerhalb des Pauschalsatzes von 50 bis 70 % festzusetzen ist.

[Das Mietgericht entschied sich für einen Wertvermehrungsanteil von 60 %]




Decisione

56/5 - Mietzinserhöhung nach umfassender Überholung

Ritorno