Mängel der gemieteten Geschäftsräume

base giuridica

Nome del giudice

Urteil des Bezirksgerichts Luzern

Data

17.06.2013

Sommario

Ein Herabsetzungsanspruch gemäss Artikel 259d OR besteht entgegen dem Wortlaut bereits dann, wenn der Mietsache eine Eigenschaft fehlt, welche nicht oder nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Gebrauchstauglichkeit steht, sondern aus anderen Gründen Gegen-stand der Vereinbarung bildete. Das Vorliegen eines Mangels wurde bejaht, da die zugesicherte Mietfläche nicht der tatsächlich vorhandenen Fläche entsprach. Die Berufung auf die offensichtliche Erkennbarkeit der Minderfläche war nicht möglich. Der Umfang der Herabsetzung wurde nach der relativen Methode berechnet. Als Mangel gilt u a. die ungenügende Heizung, ungenügende Isolation, Kondenswasser oder übermässige Feuchtigkeit. Ein Mangel wurde bejaht, da ein Raum wegen der niedrigen Temperatur nicht als Verkaufsraum benutzt werden konnte. Für die Bestimmung des Umfangs der Herabsetzung sind objektive Kriterien massgebend.

Esposizione dei fatti

Die Mieterin mietete ab dem 1. Oktober 2007 Geschäftsräume im Erdgeschoss, 1. Obergeschoss und 2. Obergeschoss einer Liegenschaft. Der monatliche Mietzins belief sich auf Fr. 8810.–, zuzüglich Fr. 550.– Nebenkosten.
Im Schreiben vom 16. Februar 2009 teilte die Mieterin der Beklagten mit, dass im hinteren Verkaufsraum Mängel bestünden und effektiv eine kleinere Fläche nutzbar sei als im Mietvertrag vom 19. Juli 2007 angegeben. Die Mieterin verlangte eine Mietzinsreduktion.
Am 23. September 2010 wendete sich die Mieterin an die zuständige Schlichtungsbehörde. Sie stellte den Antrag, dass der monatliche Mietzins von Fr. 8810.– rückwirkend seit dem 1. Oktober 2007 um monatlich Fr. 1740.50 herabzusetzen sei. Der Mieterin wurde im Anschluss an die unvermittelt beendete Einigungsverhandlung am 19. Januar 2011 der Weisungsschein ausgestellt.
In der Klage vom 17. Februar 2011 beantragte die Mieterin eine Herabsetzung des monatlichen Mietzinses von Fr. 8810.– um Fr. 1740.50, rückwirkend ab 1. Januar 2008. Die Klageantwort der Vermieterin vom 6. April 2011 lautete auf Abweisung der Klage. In der Replik bzw. Duplik wurden die Anträge und Ausführungen aufrechterhalten.
Anlässlich der Instruktionsverhandlung vom 30. Januar 2012 wurden zwei Personen als Zeugen befragt. Die Parteien schlossen eine Vereinbarung ab, welche einen Widerrufsvorbehalt enthielt. In der Eingabe vom 8. Februar 2012 widerrief die Vermieterin die Vereinbarung. Auf eine Hauptverhandlung wurde von Seiten der Parteien verzichtet. Die Mieterin und die Vermieterin reichten jeweils einen schriftlichen Schlussvortrag ein.


Considerazioni

3.2.1 Das Ziel der gerichtlichen Vertragsauslegung besteht in der Feststellung des übereinstimmenden wirklichen Willens, den die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend erklärt haben (subjektive Auslegung). Lässt sich dieser übereinstimmende wirkliche Wille feststellen, so bestimmt sich der Vertragsinhalt nach dem wirklichen Willen der Parteien (vgl. Art. 18 Abs. 1 OR). Lässt sich dieser übereinstimmende wirkliche Wille der Parteien nicht mehr (mit Sicherheit) feststellen, muss das Gericht sich damit begnügen, durch objektvierte („normative“) Auslegung den Vertragswillen zu ermitteln, den die Parteien mutmasslich gehabt haben. Hierbei hat das Gericht das als Vertragswille anzusehen, was vernünftig und redlich (korrekt) handelnde Parteien unten den gegebenen (auch persönlichen) Umständen durch die Verwendung der auszulegenden Worte oder ihr sonstiges Verhalten ausgedrückt und folglich gewollt haben würden. Massgebend ist hier also der objektive Sinn des Erklärten, dessen Ermittlung eine Wertung erfordert: Das Gericht hat nach einem sachgerechten Resultat zu suchen, weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine unangemessene Lösung gewollt haben. Behauptungs- und Beweislast für den Bestand und den Inhalt eines vom objektivierten (normativen) Auslegungsergebnis abweichenden subjektiven Vertragswillens trägt jene Partei, welche aus diesem Willen zu ihren Gunsten eine Rechtsfolge ableitet (vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/EMMENEGGER, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Band I, 2008, N. 1200 ff., mit Hinweis auf BGE 119 II 372 u.a.). Das primäre Auslegungsmittel ist der Wortlaut der von den Parteien verwendeten Worte. Mangels anderer Anhaltspunkte ist anzunehmen, dass die Parteien die Worte gemäss dem allgemeinen Sprachgebrauch zur Zeit des Vertragsabschlusses verwendet haben. Der einzelne Ausdruck ist stets im Zusammenhang, in dem er steht, als Teil eines Ganzen aufzufassen (systematisches Element). Zu den Umständen als ergänzende Auslegungsmittel gehören insbesondere das Verhalten der Parteien vor Vertragsabschluss, insbesondere die Vertragsverhandlungen und Vertragsentwürfe, die Interessenlage der Parteien bei Vertragsabschluss und das Verhalten der Parteien nach Vertragsabschluss, namentlich Erfüllungshandlungen der Parteien. Die Auslegung mit letztgenanntem Mittel führt nach der Rechtsprechung zur Feststellung des wirklichen Parteiwillens und ist demnach für die Auslegung nach Vertrauensprinzip ohne Bedeutung (vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/ EMMENEGGER, a.a.O., N. 1206 ff. mit Hinweis auf BGE 129 III 680, 132 III 632 und 133 III 67). Im Verhältnis zu den ergänzenden Auslegungsmitteln kommt dem Wortlaut ein Vorrang zu in dem Sinne, dass wenn die übrigen Auslegungsmittel, insbesondere der Vertragszweck, nicht sicher einen anderen Schluss erlauben, es beim Wortlaut sein Bewenden hat (vgl. GAUCH/SCHLUEP/SCHMID/ EMMENEGGER, a.a.O., N. 1220).

3.2.2 Es ist also zu prüfen, ob die im Mietvertrag erwähnte Fläche eine zugesicherte Eigenschaft des Mietobjektes darstellt, oder – wie die Vermieterin vorbringt – nur informeller Natur ist.
Wenn die Grösse des Mietobjekts im beiderseits unterschiebenen Vertrag in Quadratmetern aufgeführt ist, gehört die Fläche zum wesentlichen Vertragsinhalt (GASCHE, Die Mietfläche von Wohn- und Geschäftsräumen, in: mp 2001, S. 2). Vorliegend ist die Mietfläche in den Vertrag aufgenommen worden und ist damit Vertragsinhalt. Die genaue Fläche ist vor allem bei Geschäftsmieten von Bedeutung, wo der Mietpreis in aller Regel pro Quadratmeter bezahlt wird (GASCHE, a.a.O., S. 5). Obwohl die Parteien keinen Mietpreis pro Quadratmeter vereinbart haben, ist die Flächenangabe gleichwohl von grosser Bedeutung, ermöglicht sie der Mieterin doch erst die Vergleichbarkeit des Mietobjekts mit anderen Mietobjekten. Bei Büro-, Verkauf- oder Ausstellungslokalen ist die Mietfläche ein wichtiges Merkmal des Mietobjektes, im Gegensatz zu Wohnungen wo für den Mieter vorwiegend die Anzahl der Räume massgebend ist. Bei Geschäftsräumen ist die Fläche sodann ein wesentliches Kriterium, um abzuschätzen, ob der verlangte Mietzins in der Region marktgerecht ist (Urteil BGer 4C.5/2001 vom 16.3.2001 E. 3a; BGE 135 III 537 E. 2.2).
In der Lehre wird teilweise die Auffassung vertreten, eine Flächenangabe könne nur dann als zugesicherte Eigenschaft gelten, wenn die Messmethode für die Flächenberechnung ebenfalls vereinbart worden ist (vgl. GASCHE, a.a.O., S. 4). Wenn die Art und Weise der Flächenbestimmung eindeutig ist, ist von einer zugesicherten Eigenschaft auszugehen (LACHAT et al., Mietrecht für die Praxis, 2009, S. 143 f.; Urteil BGer 4A_417/2007 vom 14.2.2008). Die Vermieterin legte der Mieterin Umbaupläne im Massstab 1:50 vor, aus welchen die ihres Erachtens tatsächlichen Flächen hervorgehen. Die Mieterin hat diese Pläne nicht zurückgewiesen, sondern sie ihrerseits für ihre Planung verwendet. Somit kann die Art und Weise der Flächenberechnung ohne Weiteres festgestellt werden, zumal keine Unsicherheitsfaktoren wie Dachschrägen oder Einbauschränke bestehen. Die im Mietvertrag aufgeführte Fläche stellt eine zugesicherte Eigenschaft der Mietsache dar.


3.4.1 Wie eingangs ausgeführt, sieht Art. 259d OR eine Herabsetzung des Mietzinses vor, wenn die Tauglichkeit der Sache zum vorausgesetzten Gebrauch beeinträchtigt oder vermindert ist. Entgegen dem Wortlaut ist nicht vorausgesetzt, dass die Mietsache an einem Mangel leidet, welcher deren Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch beschlägt. Der Herabsetzungsanspruch ist vielmehr auch dort gegeben, wo der Mietsache eine Eigenschaft fehlt, die mit der Gebrauchstauglichkeit nichts oder nicht unmittelbar etwas zu tun hat, sondern aus anderen Gründen vereinbart worden ist (vgl. SVIT-Kommentar, Das schweizerische Mietrecht, N. 4 zu Art. 259d OR). Sämtliche Mängel, für die der Vermieter gemäss Art. 259a OR einzustehen hat, geben Anspruch auf Mietzinsminderung (WEBER, Basler Kommentar, 2011, N 2 zu Art. 259d OR; vgl. LACHAT et al., a.a.O., S. 170 f.). Ob ein Mangel vorliegt, ergibt sich aus dem Vergleich des tatsächlichen Zustandes der Mietsache mit dem Zustand, wie er vereinbart bzw. nach den Umständen zu erwarten oder zugesichert war (LACHAT et al., a.a.O., S. 138). Ein Mangel liegt vor, wenn die im Vertrag zugesicherte Mietfläche nicht jener entspricht, welche tatsächlich vorhanden ist (BGE 135 III 537 ff. E. 2.2; BGE 113 II 25 E. 1 S. 27 ff.). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Berufung auf die Mangelhaftigkeit ausgeschlossen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Fläche des Mietobjektes kleiner ist, als im Mietvertrag erwähnt (LACHAT et al., a.a.O., S. 143 f. mit weiteren Hinweisen).
Wie bereits festgehalten wurde, erhoben die Parteien die Fläche zum Vertragsinhalt. Die Vermieterin kann sich nicht darauf berufen, die Minderfläche sei offensichtlich erkennbar gewesen. Somit liegt ein Mangel vor, der zur Herabsetzung des Mietzinses berechtigt.

3.4.2 Der Umfang der Herabsetzung wird nach der relativen Methode berechnet. Man vergleicht den aktuellen, mit dem vertragskonformen Zustand. Der Mietzins ist im gleichen prozentualen Verhältnis herabzusetzen, wie der aktuelle Zustand gegenüber den vereinbarten Zustand infolge der Beeinträchtigung vermindert ist, womit das Gleichgewicht zwischen den vertraglichen Leistungen wieder hergestellt werden soll. Massgebend für die Bemessung der Mietzinsherabsetzung sind objektive Kriterien. Bezieht sich der Mangel auf eine falsche Flächenangabe, so berechnet sich die Mietzinsreduktion im Verhältnis zwischen der im Vertrag angegebenen und der tatsächlich vorhandenen Fläche des Mietobjekts (LACHAT et al., a.a.O., S. 173 f.). Wenn die Flächenangaben im Mietvertrag aber nicht exakt sind, rechtfertigt sich ein Abzug in der Grössenordnung von 3% (vgl. Urteil Cour de justice Genf vom 6. Dezember 1996, in: mp 1998 S. 24 f.). Entgegen den Ausführungen der Vermieterin wurden im Mietvertrag keine ca.-Werte angegeben.


4.2.2 …
Die Vermieterin bestreitet mit Verweis auf den vorgesehenen Verwendungszweck des Raumes, dass ein Mangel vorliegt. Das Erdgeschoss wird in der Vermietungsdokumentation einheitlich als Ladenfläche und im Mietvertrag als Verkaufsgeschäft bezeichnet. Die Fläche gliedert sich in mehrere Räume, welche zusammen 108.4 m2 messen. Davon entfallen 26.4 m2 auf den Raum im hinteren Teil und 80 m2 auf den Verkaufsraum im vordern Teil. Für die gesamte Fläche fordert die Vermieterin einen einheitlichen Mietzins. Somit ist davon auszugehen, dass es sich beim besagten Raum um eine Verkaufsfläche handelt. In einem gebrauchstauglichen Zustand befinden sich solche Räumlichkeiten, wenn sie tatsächlich für diesen Zweck genutzt werden können. Dies ist hier offensichtlich nicht der Fall, geben die einvernommenen Zeuginnen doch übereinstimmend an, es sei zu kalt, um den Raum als Schulungsraum zu benutzen, bzw. um im Raum während längerer Zeit etwas machen zu können. Damit steht fest, dass der besagte Raum sich nicht in dem Zustand befindet, welcher von einem Verkaufsraum oder Ladenlokal erwartet werden darf. Es liegt somit ein Mangel vor. Nicht von Belang ist in diesem Zusammenhang, für welchen Zweck die Mieterin den Raum benutzen wollte.

4.3 Ein Mangel rechtfertigt die Herabsetzung des Mietzinses nach Art. 259d OR. Der Umfang der Herabsetzung beurteilt sich nach objektiven Kriterien. Abzustellen ist insbesondere auf die Art und die Beschaffenheit des Mietobjektes, die Art des Mangels bzw. der Beeinträchtigung sowie den vereinbarten Gebrauch, wozu auch die zugesicherten Eigenschaften gehören, nicht aber subjektive, in der Person des Mieters liegende Umstände (LACHAT et al., a.a.O., S. 173). Es ist mithin bei einem Ausfall des Personenlifts gleichgültig, ob der Mieter der Wohnung im 5. Stock eine 30- oder aber eine 80-jährige Person ist, oder ob er den Lift bis dahin ständig, bloss gelegentlich oder gar nicht benützte. Auf solche subjektive Umstände könnte nur abgestellt werden, wenn im Mietvertrag entsprechende Regelungen in Form von ausdrücklichen Zusicherungen enthalten sind (SVIT-Kommentar, a.a.O., N 19 zu Art. 259d OR). Die Herabsetzung hat dem Mass der Beeinträchtigung der Gebrauchstauglichkeit zu entsprechen. Wo die Bemessung der Mietzinsherabsetzung nicht einfach anhand objektiver Kriterien erfolgen kann, ist die Herabsetzung nach den Regeln der Billigkeit, der allgemeinen Lebenserfahrung, des gesunden Menschenverstandes sowie anhand der Kasuistik zu bestimmen (SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 16 f. zu Art. 259d OR).


Decisione

54/3 - Mängel der gemieteten Geschäftsräume

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