Klare Begründung der Mietzinserhöhung

base giuridica

Nome del giudice

Gerichtkreis X Thun

Data

09.07.2001

Sommario

Eine Mietzinsreserve setzt sich aus zahlreichen aufgelaufenen Erhöhungsfaktoren zusammen und umfasst damit mehrere Erhöhungsgründe. Um Artikel 19 VMWG gerecht zu werden, sind diese Erhöhungsgründe je in Einzelbeträgen auszuweisen.

Esposizione dei fatti

Am 6. Juni 2000 schlossen die Klägerin und der Beklagte einen Mietvertrag über eine 3½-Zimmer-Wohnung ab. Der Beklagte übernahm die Wohnung von seiner ausserterminlich ausziehenden Vormieterin zu dem selben Mietzins, den seine Vormieterin bezahlt hatte, für Fr. 891.-- pro Monat plus monatliche Akontozahlung für Nebenkosten. Hingegen wurde die Mietzinsbasis, welche für die Vormieterin galt, nicht in den Vertrag des Beklagten übertragen. Die Klägerin passte diese den aktuellen Gegebenheiten an und überwies nicht ausgeschöpfte Erhöhungsmöglichkeiten für den Mietzins in die Mietzinsreserve. Hatte diese bei der Vormieterin noch 4.42% betragen, so findet sich im Vertrag des Beklagten nun ein Mietzinsvorbehalt von 11.73%. Die Zusammensetzung dieser Reserve ist dem Vertrag nicht zu entnehmen. Mit Schreiben vom 10. Januar 2001 gab die Klägerin dem Beklagten eine Mietzinsänderung mit Wirkung ab 1. Mai 2001 bekannt. Der Nettomietzins wurde auf Fr. 980.-- erhöht. Die Mietzinsänderung wurde folgendermassen begründet:

 

Hypothekarzins Art. 13 VMWG:
bisher 4.00%, neu 4.25%, Schwankung 3.00%

Teuerungsausgleich Art. 16 VMWG:
bisher 183.20 P, neu 185.10 P, Schwankung 0.41%

Kostensteigerung Art. 12 VMWG:
bisher 04.2000, neu 04.2001, Schwankung 0.75%

Mietzinsreserve per 1.8.2000, Schwankung 11.73

Mietzinsreserve per 1.8.2001, Schwankung 5.22


Der Beklagte erachtet diese Erhöhung des Mietzinses als missbräuchlich.


Considerazioni

1.) Vorab stellt sich die Frage, ob der Kläger mit der "Übernahme des Mietverhältnisses" seiner ausserterminlich ausziehenden Vormieterin in deren Mietverhältnis eingetreten ist.
Art. 264 OR, der die vorzeitige Rückgabe einer Mietsache regelt, geht allein auf das Verhältnis zwischen kündendem Mieter und Vermieter ein. So hält er (unter anderem) fest, der Mieter könne sich von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreien, wenn der Nachmieter bereit sei, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
Das Verhältnis zwischen Vermieter und neuem Mieter kommt in diesem Artikel nicht zur Sprache. Insbesondere ist von Gesetzes wegen kein Eintritt in das Vertragsverhältnis des Vormieters vorgesehen. Es sind somit keinerlei Einschränkungen für die Gestaltung des neuen Vertragsverhältnisses vorgesehen. Diese unterliegt vollumfänglich dem Willen der neuen Vertragsparteien.
Vorliegend wurde zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein neues Dokument als Mietvertrag aufgesetzt. Es findet sich darin keinerlei Verweis auf den Vertrag zwischen Vermieter und Vormieterin. Zwischen Beklagtem und Klägerin wurde somit ein neuer Vertrag abgeschlossen. Für den Beklagten gelten damit allein die in seinem Vertrag vermerkten Bedingungen, und es sind ihm auch nur die in seinem Vertrag aufgeführten Grundlagen für die Festlegung seines Mietzinses bekannt.

2.) Art. 19 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 VMWG hält fest, das Formular für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen müsse eine klare Begründung der Erhöhung enthalten. Wenn mehrere Erhöhungsgründe geltend gemacht würden, so seien diese je in Einzelbeträgen auszuweisen. Zweck dieser Bestimmung ist die Schaffung von Transparenz bei Mietzinsanpassungen. Der Mieter soll in die Lage versetzt werden, Faktor für Faktor nachvollziehen zu können, ob eine Mietzinserhöhung gerechtfertigt ist.

2.a) Die Mitteilung der Mietzinserhöhung der Klägerin zeigt einerseits übersichtlich auf, dass ein Teil der Anpassung auf ein Ansteigen des Hypothekarzinses und des Landesindex der Konsumentenpreise wie auch auf eine Kostensteigerung zurückzuführen ist. Es wird dargelegt, in welchem Umfang sich die genannten Faktoren auf den Mietzins auswirken. Diese Begründung genügt den Anforderungen von Art. 19 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 VMWG. Die aufgeführten Faktoren rechtfertigen die dafür vorgesehene Mietzinserhöhung um total 4.16% oder Fr. 37.-- (vgl. Art. 12, 13 und 16 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG).

2.b) Die angekündigte Erhöhung des Mietzinses ging jedoch über diese Anpassungen hinaus; so wurde weiter die Mietzinsreserve um 6.51% ausgeschöpft (es verbleiben 5.52%).
Die Mietzinsreserve setzt sich aus zahlreichen aufgelaufenen Erhöhungsfaktoren zusammen und umfasst damit wiederum mehrere Erhöhungsgründe. Um Art. 19 VMWG gerecht zu werden, sind diese Erhöhungsgründe je in Einzelbeträgen auszuweisen. Das Aufführen des "Sammel¬posten Mietzinsreserve" vermag der gesetzlichen Begründungspflicht nicht zu genügen.
Dies wird auch aus Rechtsprechung und Literatur zum Thema Mietzinsreserve ersichtlich. Bereits für die Anbringung eines Mietzinsvorbehaltes wird eine detaillierte Offenlegung der Zusammensetzung einer Mietzinsreserve gefordert. So halten Lachat/Stoll/Brunner fest: (Ein Mietzinsvorbehalt) muss in präziser Weise begründet sein; insbesondere muss die Vermieterschaft die vorbehaltenen Anpassungsgründe nennen. Auch hier finden die Bestimmungen über die Begründung einer Mietzinserhöhung Anwendung (vgl. Lachat/Stoll/Brunner, Das Mietrecht für die Praxis, Zürich 1999, S. 382). Im nicht publizierten BGE vom 24.2.1994 (Mietrechtspraxis 3/94, S. 135ff.) wird festgehalten, es gehe bei den Anforderungen an die Vorbehaltserklärung einzig um den Schutz des Mieters im Vertrauen auf den gegenwärtigen Mietpreis. Die Entwicklung solle für ihn insoweit absehbar sein, als es sich um Faktoren handle, welche im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder der Mietzinserhöhung bereits bestünden. Das sei aber nur aus einer entsprechenden Begründung ersichtlich. Es verstehe sich von selbst, dass diese den gleichen Anforderungen wie eine Begründung der Mietzinserhöhung zu genügen habe.
Selbst wenn die Ausschöpfung der Mietzinsreserve im vorgesehenen Umfang also materiell gerechtfertigt wäre – formell ist sie mangels detaillierter Begründung nicht korrekt erfolgt. Die ausgeprägte Formstrenge des Mietrechts zieht aufgrund dieser formellen Mängel die Nichtigkeit desjenigen Teils der Mietzinserhöhung nach sich, welche auf der Ausschöpfung der Mietzinsreserve basiert.
Aufgrund dieser Sachlage wird festgestellt, dass für die 3 ½-Zimmer-Wohnung ab 1. Mai 2001 eine Mietzinserhöhung von 4.16% gerechtfertigt und damit ein Mietzins von Fr. 928.00 pro Monat nicht missbräuchlich ist.

Decisione

35/12 - Klare Begründung der Mietzinserhöhung

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