Fehlender Mobiltelefonempfang in einer Geschäftsliegenschaft

base giuridica

Nome del giudice

Kreisgericht Alttoggenburg

Data

18.08.2004

Sommario

Wegen einem nicht vorhandenen Mobiltelefonempfang in einer Geschäftsliegenschaft kann nicht absichtliche Täuschung oder Grundlagenirrtum geltend gemacht werden. Ebenfalls ist dies nicht als Mangel zu qualifizieren, welcher zum Vertragsrücktritt nach Artikel 258 i.V.m. Artikel 107 OR berechtigt. Schlussendlich ist auch eine Vertragserfüllung nicht unzumutbar und eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäss Artikel 266g OR damit ausgeschlossen.

Esposizione dei fatti

Die Parteien haben am 22. April 2003 einen Mietvertrag über Büroräumlichkeiten und über sechs Garagenplätze in einem Geschäftshaus abgeschlossen. Integrierender Bestandteil des Mietvertrages bilden die Allgemeinen Bedingungen „Büro–, Gewerbe– und Industrieräumlichkeiten“. Der Beginn der beiden Mietverhältnisse wurde auf den 01. Juni 2003 festgelegt, erstmals kündbar per 30. Juni 2010. Es wurde ein jährlicher Bruttomietzins von Fr. 46'992.00 zuzüglich MwSt. für die Geschäftsräume vereinbart, sowie insgesamt Fr. 684.00 monatlich für die sechs Garagenplätze. Gemäss Mietvertrag beabsichtigten die Parteien einen Umbau der Büroräumlichkeiten mit festgehaltenen Kosten von Fr. 75'000.00, wovon die Vermieterin/Klägerin maximal Fr. 55'000.00 übernehmen werde. Der Restbetrag sowie zusätzliche Mehrkosten gegenüber dem Kostenvoranschlag (bedingt durch Abänderungswünsche) sollten vereinbarungsgemäss zulasten der Mieterin/Beklagten gehen. Dementsprechend leistete die Beklagte am 16. Mai 2003 eine Akontozahlung von Fr. 20'000.00.
Am 19. Mai 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie festgestellt habe, dass in den Mieträumlichkeiten kein Mobiltelefonempfang möglich sei. Dies sei für sie jedoch zwingend. Weiter hielt die Beklagte in ihrem e–Mail vom 19. Mai 2003 an die Klägerin fest, dass, sofern nicht eine technische Lösung ohne finanzielle Konsequenzen für die Beklagte gefunden werden könne, sie vom Antritt des Mietverhältnisses absehen müsse. Die Klägerin lehnte noch am selben Tag eine Kostenbeteiligung ihrerseits ab. Am 20. Mai berief sich die Beklagte in einem Schreiben an die Klägerin auf Grundlagenirrtum und trat das Mietverhältnis in der Folge wie angekündigt nicht an.
Die Klägerin machte daraufhin eine Forderung von Fr. 12'583.55 geltend und behielt sich eine Nachklage für weitere Ansprüche ab 01. Januar 2004 vor. Sie berief sich auf den gültig abgeschlossenen Mietvertrag und dass dieser zusammen mit den Allgemeinen Bedingungen für beide Parteien verbindlich geworden sei. Ziffer 10 dieser Allgemeinen Bedingungen, welche die Folgen der vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses durch den Mieter regle, sei vorliegend anwendbar. Dort war vorgesehen, dass der Mieter für Mietzins und Nebenkosten bis zur Wiedervermietung, längstens bis zum nächstmöglichen Kündigungstermin haftet. Ferner sei der Mieter entsprechend der genannten Bestimmung verpflichtet, jeglichen Schaden zu ersetzen, der dem Vermieter aus der vorzeitigen Auflösung des Mietverhältnisses erwächst, so namentlich die mit der Wiedervermietung des Objektes verbundenen Insertionskosten. Daraus schliessend machte die Klägerin eine Forderung von insgesamt Fr. 38'336.15, beinhaltend Mietzins für 7 Monate zuzüglich MwSt. für Büroräumlichkeiten und Garagenplätze, Honorar Architekt für Planung Umbau und Insertionskosten geltend. Davon wurden Fr. 20'000.00 Akontozahlung für dem Umbau sowie Fr. 5'752.60 für nicht ausgeführte Investitionen abgezogen, was eine Forderung von Fr. 12'583.55 ergibt.
Die Beklagte ihrerseits machte geltend, dass der Mobiltelefonempfang nicht auf allen Netzen einwandfrei funktioniert habe, wovon sie jedoch ausgegangen sei und was für sie zwingend gewesen sei. Sie beruft sich dementsprechend auf absichtliche Täuschung (Art. 28 OR), eventualiter auf Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziffer 4 i.V.m. Art. 23 OR). Weiter habe die Klägerin die Mietsache mit Mängeln übergeben, welche die Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch ausschliesse oder erheblich behindere (Art. 258 OR), weshalb die Beklagte vom Vertrag habe zurücktreten können. Ausserdem sei die Vertragserfüllung für die Beklagte unzumutbar gewesen und der Mietvertrag entsprechend nach Art. 266g OR per 31. August 2003 aufgelöst worden. Widerklageweise forderte die Beklagte deshalb die geleisteten Fr. 20'000.00 zurück.

Considerazioni

4a  Absichtliche Täuschung (Art. 28 OR]
[....] Eine absichtliche Täuschung durch positives Verhalten kann vorweg ausgeschlossen werden und wird im Weiteren auch nicht geltend gemacht. Zu prüfen ist einzig, ob die Beklagte durch Schweigen der Klägerin getäuscht und zum Vertragsab¬schluss verleitet worden ist. Dies setzt wie oben erwähnt voraus, dass die Klägerin den Irrtum der Beklagten kannte und zur Aufklärung verpflichtet gewesen wäre.
Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die Klägerin den Irrtum der Beklagten hätte erkennen müssen. Hinweise fehlen, dass der Mobiltelefonempfang in den Mieträumlichkeiten während den Vertragsverhandlungen je Gesprächsthema gewesen wäre. Auch im heutigen Zeitalter ist ein uneingeschränkter Mobiltelefonempfang nicht etwas Alltägliches, was in Geschäftsräumlichkeiten ohne weiteres vorausgesetzt werden kann. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine spezielle Vorstellung der Beklagten. Für die Klägerin war weder während den Vertragsverhandlungen noch bei Vertragsabschluss erkennbar, dass die Beklagte von einem uneingeschränktem Empfang auf allen drei Netzen ausging und dass dies für die Beklagte für den Entschluss zum Vertragsabschluss von wesentlicher Bedeutung war. Den Ausführungen der Beklagten, die Klägerin habe ihre Unkenntnis bewusst ausgenutzt, kann daher nicht gefolgt werden. [....] Ob der Empfang tatsächlich unzureichend ist und ob der Klägerin diese Problematik bekannt war, kann unter diesen Umständen offen gelassen werden.
Weiter ist zu bedenken, dass keine allgemeine Aufklärungspflicht besteht. Die Klägerin war insbesondere nicht verpflichtet, die Beklagte über Umstände aufzuklären, welche diese bei gehöriger Aufmerksamkeit selber zu erkennen vermag. Ein allfälliger unzureichender Mobiltelefonempfang im Gebäude kann ohne weiteres festgestellt werden. Vorliegend wurden intensive Vertragsverhandlungen geführt, in dessen Rahmen die Räumlichkeiten auch besichtigt worden sind. Zudem handelt es sich bei der Beklagten um eine Firma, welche gemäss Handelsregisterauszug den Handel von Geräten der Unterhaltungselektronik und der Übermittlungstechnik sowie diesbezüglicher Dienstleistungen bezweckt. Eine hohe Sensibilität und Auf¬merksamkeit in Bezug auf das Thema konnte deshalb gerade von der Beklagten erwartet werden. Die Überprüfung der Empfangsqualität bei einer Besichtigung wäre problemlos und ohne grossen Aufwand möglich gewesen. Eine Aufklärungspflicht der Klägerin muss unter diesen Umstanden verneint werden. [....]
Aufgrund dieser Ausführungen kann von einer absichtlichen Täuschung der Beklagten durch die Klägerin nicht die Rede sein und die Beklagte ist nicht zum Vertragsabschluss verleitet worden, weshalb eine einseitige Unverbindlichkeit des Mietvertrages im Sinne von Art. 28 OR ausgeschlossen ist.

4b  Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 i.V.m. Art. 23 OR)
[....] Entscheidend ist, ob die Beklagte diesen Empfang nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags betrachten durfte. Die Beklagte bringt vor, dass dies bei der Vermietung von Geschäftsräumlichkeiten an dieser Lage an ein Unternehmen der Fall sein müsse. Dem kann nicht gefolgt werden. Vielmehr bilden nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr andere Punkte die Grundlage für den vorliegenden Mietvertrag, wie beispielsweise der Mietzins, Grösse, Lage, Ausbau, Verfügbarkeit des Mietobjektes etc. Entsprechend werden auch die Vertragsverhandlungen über diese Punkte geführt worden sein. Die Ausstattung mit Festnetzanschluss gehört hierbei zum üblichen und ausreichenden Standard. Anderweitige Wünsche oder Vorstellungen hätte die Beklagte ausdrücklich anbringen müssen, damit sie Vertragsgrundlage geworden wären. Dies tat die Beklagte bezüglich des Mobiltelefonempfangs nicht. Der von der Beklagten vorgestellte Sachverhalt bezüglich eines uneingeschränkten Mobiltelefonempfangs auf allen drei Netzen stellt daher beim vorliegenden Vertrag ein nicht entscheidendes Detail dar. Alles andere würde gegen Treu und Glauben im Geschäftsverkehr laufen. Es lässt sich somit nicht behaupten, dass vorliegend der Empfang auf allen Mobiltelefonnetzen in den Mieträumlichkeiten als eine notwendige Grundlage des Vertrages zu gelten hat. [....]
Aus den vorstehenden Erwägungen sind vorliegend die Voraussetzungen des Grundlagenirrtums nicht gegeben. Die Beklagte kann sich daher nicht auf die einseitige Unverbindlichkeit des Vertrages nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 i.V.m. Art. 23 OR berufen. [.....]

5 Die Beklagte macht geltend, sie sei zum Vertragsrücktritt nach Art. 258 i.V.m. Art. 107 OR berechtigt gewesen, da die Vermieterin die Mietsache mit Mängeln habe übergeben wollen, welche die Tauglichkeit der Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch ausschliessen oder erheblich beeinträchtigen.
Ein Mangel der Mietsache charakterisiert sich dadurch, dass die Mietsache vom vertraglich geschuldeten Zustand abweicht und die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch fehlt oder beeinträchtigt ist (SVIT–Kommentar Mietrecht II, 2. Auflage, Zürich 1998, Vorbem. zu Art. 258–259i, N 23). Ob eine Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch taugt, beurteilt sich allgemein nach objektiven Kriterien. Abzustellen ist darauf, was der Mieter vernünftigerweise erwarten darf. Auf subjektive Anschauungen und Wunschvorstellungen des Mieters kommt es nicht an, ausser wenn die Parteien diese zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht haben (SVIT–Kommentar Mietrecht II, a.a.O., N 47, m.w.H.). Zudem kommt dem Zustand der Mietsache, wie sie vom Mieter vor Vertragsabschluss insbesondere im Rahmen einer Besichtigung zur Kenntnis genommen wurde, für die Bestimmung des vertragsgemässen Zustandes eine entscheidende Bedeutung zu. Denn so wie der Mieter die Mietsache bei Vertragsabschluss kennt, akzeptiert er sie mit den ihr zukommenden Eigenschaften (SVIT–Kommentar Mietrecht II, a.a.O., N 32, m.w.H.).
Vorliegend wurden vor Vertragsabschluss keine speziellen Zusicherungen in Bezug auf den Mobiltelefonempfang in den Mieträumlichkeiten gemacht. Es gelingt der Beklagten wie bereits erwähnt nicht zu beweisen, dass ihre subjektive Vorstellung von einem uneingeschränkten Mobiltelefonempfang auf allen drei Netzen Vertragsbestandteil geworden ist. Auch bei den vorliegenden Geschäfts– und Büroräumlichkeiten gehört der Mobiltelefonempfang nicht zu den objektiven Kriterien, deren Vorhandensein die Beklagte – ohne die Klägerin bei den Vertragsverhandlungen darauf aufmerksam zu machen – erwarten durfte (vgl. im Übrigen die vorstehenden Ausführungen zur absichtlichen Täuschung und Erkennbarkeit des irrtümlich vorgestellten Sachverhalts unter Erwägung 4 a). Im Weiteren hat die Beklagte die Räumlichkeiten mit Vertragsabschluss im Sinne der Besichtigung akzeptiert, wobei ein allenfalls unzureichender Empfang vor Vertragsabschluss ohne weiteres hätte festgestellt werden können. [....]
Da der allenfalls unzureichende Empfang keinen Mangel der Mietsache darstellt und die Gebrauchstauglichkeit durchaus gegeben ist, kann die Beklagte nicht nach Art. 258 i.V.m. Art. 107 OR vom Vertrag zurücktreten. Der Mietvertrag hat weiterhin Bestand.

6 Weiter macht die Beklagte geltend, die Vertragserfüllung sei für sie aufgrund des unzureichenden Mobiltelefonempfangs unzumutbar, womit sie nach Art. 266g OR das Mietverhältnis aus wichtigem Grund  ausserordentlich habe kündigen können. Auch deshalb schulde sie die eingeklagten Mietzinsen nicht.
Wichtige Gründe zur vorzeitigen Auflösung eines Mietvertrages liegen dann vor, wenn sich durch nicht vorauszusehende, vom Kündigenden unverschuldete Umstände das Vertragsverhältnis derart geändert hat, dass der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann, ihre Vertragspflichten langer zu erfüllen. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist gemäss Art. 4 ZGB nach Recht und Billigkeit zu entscheiden. Dabei müssen die Interessen der anderen Vertragspartei, die Grundsätze der Verbindlichkeit von Verträgen und der Rechtssicherheit gegeneinander abgewogen werden (SVIT–Kommentar Mietrecht II, a.a.O., Art. 266g, N 10f.,m.w.H.).
Der allenfalls unzureichende Mobiltelefonempfang stellt keinen wichtigen Grund dar, welcher zur Auflösung des Vertrages berechtigen würde. Es kann auf das oben unter Erwägung 4 b zum Grundlagenirrtum genannte verwiesen werden. Im Übrigen überwiegen die Interessen der Klägerin an der Aufrechterhaltung des Vertrages und die Rechtsfolge der Auflösung würde zu weit gehen.

Decisione

40/1 - Fehlender Mobiltelefonempfang in einer Geschäftsliegenschaft

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