Erstreckung des Mietverhältnisses – Aufhebung der Erstreckung

base giuridica

Nome del giudice

Kantongericht Appenzell

Data

11.07.2006

Sommario

Die Auflösung eines Mietverhältnisses durch Kündigung eines bereits gültig auf einen bestimmten Termin hin aufgelösten, aber noch nicht beendeten Mietverhältnisses, das nicht erstreckt wurde, ist nicht möglich. Ein Verzicht auf die Erstreckung in der Zeit zwischen dem Abschluss der Erstreckungsvereinbarung und dem Beginn des erstreckten Mietverhältnisses ist möglich.

Esposizione dei fatti

Der Kläger und Berufungskläger (im Folgenden: Kläger) und die Beklagten und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Beklagten) schlossen am 26. März 2003 einen Mietvertrag über das Wohnhaus Liegenschaft B. für einen vorschüssig zu bezahlenden monatlichen Mietzins von Fr. 1'500.00.  
Mit Schreiben vom 18. September 2004 kündigte der Kläger als Vermieter den Mietvertrag auf Ende März 2005 mit dem amtlichen Formular gegenüber beiden Mietern, die in der Zwischenzeit geheiratet hatten.  
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2004 verlangten die Beklagten eine Schlichtungsverhandlung mit dem Hauptbegehren, die Kündigung sei als ungültig aufzuheben, und mit dem Eventualbegehren, das Mietverhältnis sei um die gesetzliche Maximaldauer zu erstrecken.  
An der Verhandlung vor der Schlichtungsstelle für Mietverhältnisse des Kantons Appenzell I.Rh. vom 24. November 2004 schlossen die Parteien einen Vergleich. Unter anderem stellten sie fest, die vom Kläger auf den 31. März 2005 ausgesprochene Kündigung sei gültig. Sie vereinbarten eine Erstreckung des Mietverhältnisses bis 31. März 2006. Weiter legten sie fest, während der Erstreckungsdauer sei den Beklagten die Kündigung des Mietverhältnisses unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von vier Monaten auf jedes Quartal mit Ausnahme von Ende Dezember möglich.      
Mit eingeschriebenem Brief vom 27. Dezember 2004 teilten die Beklagten dem Kläger mit, sie kündigten auch von ihrer Seite das Mietverhältnis auf Ende März 2005 und verzichteten auf die Mieterstreckung.      
Mit Schreiben vom 14. Februar 2005 bestätigte der Kläger die Kündigung, jedoch nicht auf Ende März 2005, sondern auf Ende Juni 2005. Da die Beklagten die Mietzinse für die Monate April bis Juni 2005 nicht bezahlt hatten, leitete er am 30. Juni 2005 gegen beide je ein Betreibungsverfahren für die ausstehenden Mietzinse ein. Sowohl der Beklagte wie die Beklagte erhoben rechtzeitig Rechtsvorschlag.  
Der Kläger verlangte eine Schlichtungsverhandlung vor der Schlichtungsstelle für Mietverhältnisse des Kantons Appenzell I.Rh., die am 19. Dezember 2005 ergebnislos verlief.    
Am 16. Januar 2006 erhob der Kläger Klage beim Bezirksgerichtspräsidenten von Appenzell. [...]

Considerazioni

3. [...] Der Mieter kann die Erstreckung eines unbefristeten Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung der Miete für ihn oder seine Familie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre (Art. 272 Abs. 1 OR).    
Voraussetzung für eine Erstreckung ist eine gültige Beendigung des Mietverhältnisses durch den Vermieter (HIGI, Zürcher Kommentar zu Art. 271-274g OR, Zürich 1996, N 52, 55 zu Art. 272). Die in Art. 272b Abs. 2 OR erwähnte Vereinbarung der Parteien über eine Erstreckung des Mietverhältnisses ist ein Vergleichsvertrag (HIGI, a.a.O., N 50 zu Art. 272b). Vorliegend wurde die Erstreckungsvereinbarung im Rahmen des Schlichtungsverfahrens abgeschlossen.

4. Die Parteien haben eine Erstreckung des Mietverhältnisses um ein Jahr sowie veränderte Kündigungsmodalitäten während der Dauer des erstreckten Mietverhältnisses vereinbart. Nicht ausdrücklich geregelt haben sie, ob und wie das Mietverhältnis in der Zeit zwischen dem Abschluss der Erstreckungsvereinbarung am 24. November 2004 und dem Beginn des erstreckten Mietverhältnisses am 1. April 2005 aufgelöst werden kann.

5. Grundsätzlich nicht möglich ist die Auflösung eines Mietverhältnisses durch Kündigung eines bereits gültig auf einen bestimmten Termin hin aufgelösten, aber noch nicht beendeten Mietverhältnisses, das nicht erstreckt wurde (HIGI, Zürcher Kommentar zu Art. 266-268b OR, Zürich 1995, N 9 Vorbemerkungen zu Art. 266-266o). An der Gültigkeit der der Erstreckungsvereinbarung zugrunde liegenden Kündigung des Vermieters kann sich durch den Abschluss einer Erstreckungsvereinbarung allerdings nichts ändern. Vorliegend hat der Kläger als Vermieter sein Gestaltungsrecht ausgeübt, anschliessend aber in eine Erstreckungsvereinbarung eingewilligt. In der Erstreckungsvereinbarung stellen die Parteien fest, die am 18. September 2004 ausgesprochene Kündigung des Klägers sei gültig. Insofern war es den Beklagten gar nicht mehr möglich, das Mietverhältnis selbständig auf Ende März 2005 zu kündigen.      
Die Bedeutung des als „Kündigung“ bezeichneten Schreibens der Beklagten ist darin zu sehen, dass diese dem Kläger mitteilten, sie seien auf die Erstreckung nicht mehr angewiesen. Sie schreiben: „Somit verzichten wir auf die Erstreckung des Mietverhältnisses, welche am 1. April 2005 für ein Jahr in Kraft treten würde.“      
Die Erstreckung des Mietverhältnisses dient der Abwendung von Härten, die bei den Mietern durch die Vertragsbeendigung eintreten können. Sie soll den Mietern helfen, innert nützlicher Frist ein Ersatzobjekt zu finden und nicht ohne Wohn- und Geschäftsraum dazustehen. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung von Art. 272d lit. a OR durch kurze ordentliche Kündigungsfristen und zahlreiche Kündigungstermine den Mietern die Übernahme eines Ersatzobjekts erleichtern, ohne dass sie noch lange an das Mietverhältnis und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen gebunden sind (HIGI, a.a.O., N 5 zu Art. 272d). Ein weiterer Zweck der gesetzlichen Regelung ist es, die Interessen des Vermieters nach einer raschen Verfügbarkeit der Mietsache zu fördern (HIGI, a.a.O., N 6 zu Art. 272d).    
Vor diesem Hintergrund erscheint das Verhalten der Beklagten nicht missbräuchlich, gut einen Monat nach Abschluss der Erstreckungsvereinbarung auf die Erstreckung zu verzichten. Den Mietern steht es nämlich auch frei, eine Erstreckungsklage zurückzuziehen (HIGI, a.a.O., N 73 zu Art. 272b). Schon eher missbräuchlich könnte das Verhalten des Vermieters erscheinen, der eine Kündigung auf einen bestimmten Termin ausgesprochen hat und diesen anschliessend nicht mehr gegen sich gelten lassen will. Im Übrigen haben die Parteien einen Auszug der Beklagten auf Ende März 2005 in der Erstreckungsvereinbarung nicht ausdrücklich ausgeschlossen.          
Einzig wenn der Vermieter aufgrund des Abschlusses einer Erstreckungsvereinbarung bereits für ihn nachteilige Dispositionen getroffen hätte, könnte allenfalls eine Ersatzpflicht der Mieter in Frage kommen. Solches macht der Kläger indessen nicht geltend. Zudem haben die Beklagten ihre geänderte Situation dem Kläger rasch und einige Monate vor ihrem Auszug mitgeteilt.

Decisione

41/9 - Erstreckung des Mietverhältnisses – Aufhebung der Erstreckung

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