Betriebs- und Unterhaltskosten

base giuridica

Nome del giudice

Kantonsgericht des Kantons Zug

Data

15.10.2010

Sommario

Die schematische Anwendung einer Pauschale für die Steigerung der Betriebs- und Unterhaltskosten ohne Rücksicht auf den Einzelfall ist unzulässig. Im Rahmen des Schlichtungsverfahrens ist es im Interesse einer einfachen und raschen Streitschlichtung oft geboten Pauschalen anzuwenden, dies solange nicht eine Partei eine detaillierte Begründung verlangt und Hinweise dafür bestehen, dass die Pauschale zu einer überhöhten Kostensteigerung führen würde.

Esposizione dei fatti

Mit Mietvertrag vom 4. August 2008 schlossen die Mieter und die Vermieterin per 1. März 2009 einen Mietvertrag über eine sich noch im Bau befindliche 4½-Zimmer-Wohnung ab. Der monatliche Nettomietzins betrug Fr. 2‘530.--; der monatliche Akontobetrag für die Kosten von Heizung, Warmwasser, Kaltwasser, Hauswart, Strom/Gas, Lift, TV-Abonnement, "Andere Betriebskosten" sowie "Wassergrundgebühr/Verbrauch" wurde auf Fr. 200.-- festgelegt. Unter "Mietzinsbasis" wurde im Mietvertrag Folgendes festgehalten: "Hypothekarzins 3.500 % / Landesindex per 03.2008 = 102,80 Punkte / Kostensteigerungen bis 04.2008 ausgeglichen". Der Mietvertrag enthielt keinen Mietzinsvorbehalt.
 Am 10. Juni 2009 teilte die Beklagte den Klägern mit amtlichem Formular mit, dass sich der Nettomietzins von bisher Fr. 2‘530.-- ab 1. Oktober 2009 auf Fr. 2‘481.-- reduziere. Zur Begründung führte sie aus, dass einerseits der Referenzzinssatz von 3,5 % auf 3,25 % gesunken sei, was zu einer Mietzinsreduktion von Fr. 73.60 (-2,91 %) führe. Andererseits sei der Teuerungsausgleich von 102,80 PT. auf 103,30 Pt. (04.2009) in der Höhe von Fr. 4.80 (0,19 %) und Kostensteigerungen von 04.2008 bis 04.2009 in der Höhe von Fr. 19.-- (0.75 %) zu berücksichtigen, sodass die angezeigte Mietzinssenkung von (gerundet) Fr. 49.-- (= -Fr. 73.60 + Fr. 4.80 + Fr. 19.--) resultiere.
 Mit Eingabe vom 19. Juni 2009 fochten die Kläger die Mietzinsänderung bei der Schlichtungsbehörde in Mietsachen als missbräuchlich an. Mit Beschluss vom 16. September 2009 stellte die Schlichtungsbehörde fest, dass das Schlichtungsverfahren gescheitert sei.
 Mit Eingabe vom 16. Oktober 2009 liessen die Kläger beim Kantonsgericht Zug die vorliegende Klage einreichen.
 Sie machten geltend, die Aufrechnung der allgemeinen Unterhalts- und Betriebskostensteigerung von 0,75 % respektive Fr. 19.-- pro Monat sei gesetzeswidrig.

Considerazioni

2.1 Gemäss Art. 269a lit. b OR sind Mietzinse in der Regel nicht missbräuchlich, wenn sie durch Kostensteigerungen oder Mehrleistungen des Vermieters begründet sind. Als Kostensteigerungen gelten nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG; SR 221.213.11) insbesondere Erhöhungen des Hypothekarzinssatzes, der Gebühren, Objektsteuern, Baurechtszinse, Versicherungsprämien sowie Erhöhungen der Unterhaltskosten. Bei Mietzinserhöhungen wegen Kostensteigerungen kann der Mieter verlangen, dass der geltend gemachte Differenzbetrag zahlenmässig begründet wird (vgl. Art. 20 Abs. 1 VMWG).
Der wichtigste Kostensteigerungs- bzw. –senkungsfaktor ist der Referenzzinssatz für Hypotheken; die übrigen Kostensteigerungen betreffen den Betrieb und den Unterhalt des Gebäudes. Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist eine pauschale Berücksichtigung der übrigen Kostensteigerungen grundsätzlich nicht zulässig. Zur Bestimmung des Umfangs der Kostensteigerung muss grundsätzlich der Durchschnitt der in den Jahren vor der letzten Mietzinsfestsetzung angefallenen Kosten mit den durchschnittlichen Kosten der darauffolgenden Jahre verglichen werden. Von dieser Regel darf indessen ausnahmsweise abgewichen werden, namentlich wenn die Abrechnungen ungewöhnlich hohe oder tiefe Posten enthalten, sodass der Durchschnitt die tatsächlichen Kosten im massgeblichen Zeitpunkt unzutreffend wiedergibt. Die Mitberücksichtigung von Pauschalen kann im Einzelfall zulässig sein, sofern gewährleistet ist, dass sie nicht zu einer überhöhten Kostensteigerung führen und sofern keine andere Methode ein genaueres Ergebnis erwarten lässt. Die schematische Anwendung von Pauschalen ohne Rücksicht auf den Einzelfall bleibt dagegen unzulässig. Schliesslich muss die Steigerung der Kosten im Zeitpunkt, in dem die Mietzinserhöhung mitgeteilt wird, bereits angefallen sein. Hält die Vermieterin die Kostensteigerung dem Herabsetzungsbegehren der Mieter entgegen, obliegt es ihr, die geltend gemachte Kostensteigerung im Prozess zu beweisen und die für die Beurteilung der Streitsache notwendigen Unterlagen vorzulegen. Gelingt ihr das nicht, bleibt es bei der vom Mieter angestrebten Herabsetzung (vgl. Art. 274d Abs. 3 OR; BGE 4C.157/2001 E. 2 und 3, mit Hinweisen; BGE 119 ΙΙ 32, amtlich nicht publizierte E. 3b in: mp 2/93, S. 75 ff.; Weber, Basler Kommentar, 4. A., Basel 2007, N 6a und 8 zu Art. 269a OR, mit Hinweisen; Lachat/Brutschin, Mietrecht für die Praxis, 8. A., Zürich 2009, S. 338 ff. [insb. 343] und 371 ff., mit Hinweisen; Higi, Zürcher Kommentar, 4. A., Zürich 1998, N 214 ff. zu Art. 269a OR; a.M. SVIT-Kommentar, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2008, N 36 ff., insb. 40 ff. zu Art. 269a OR).

2.2 Die Beklagte beruft sich auf eine Pauschale von 0,75 % pro Jahr für allgemeine Kostensteigerungen, was zulässig und vernünftig sei. Diese Auffassung steht im Widerspruch zur klaren Rechtsprechung des Bundesgerichts, wonach im Gerichtsverfahren grundsätzlich nicht auf Pauschalen abgestellt werden darf und eine schematische Anwendung von Pauschalen ohne Rücksicht auf den Einzelfall unzulässig ist. Der Vermieter darf dem Mieter nicht eine pauschale Mietzinserhöhung in Rechnung stellen, wenn seine effektiven Kosten gesunken sind (vgl. Weber, a.a.O., N 8 zu Art. 269a OR; Lachat/Brutschin, a.a.O., S. 373 FN 148, je mit Hinweisen).Die Beklagte hat vorliegend weder ihre tatsächlichen Betriebs- oder Unterhaltskosten nachgewiesen, noch hat sie dargelegt, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang und in welchem Zeitraum sich ihre (allfälligen) Kosten gesteigert hätten. Ferner wäre eine Pauschale - wenn überhaupt - nicht schon ab April 2008 geschuldet. Da die Kläger erst per 1. März 2009 in die Wohnung eingezogen sind, sind bis Ende Februar 2009 weder Betriebs- noch Unterhaltskosten, sondern lediglich Baukosten angefallen. Dass vom 1. März bis zum 10. Juni 2009 (als Zeitpunkt der von der Beklagten angezeigten Mietvertragsänderung) Betriebs- oder Unterhaltskosten angefallen wären, welche nicht als Nebenkosten ausgeschieden sind, hat die Beklagte nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Im Übrigen beträfe die Pauschale nicht die Betriebs- und Unterhaltskosten selber, sondern nur eine allfällige Steigerung dieser Kosten. Wie die Kläger zu Recht vorbringen, kann bei einer Neuliegenschaft nach knapp dreieinhalb Monaten Mietdauer schon aus begrifflichen Gründen keine Steigerung der Betriebs- und Unterhaltskosten im Sinne von Art. 269a lit. b vorliegen, zumal kein Vergleich zwischen Durchschnittswerten angestellt werden kann. Dies räumt die Beklagte selber ein (Vgl. Beilage 9, S. 6; Beilage 16, S. 2). Entgegen ihrer Ansicht führt dieser Umstand aber nicht "zwingend" dazu, eine Pauschale für die Kostensteigerungen zu verwenden (vgl. Beilage 9, S. 6); wenn der Vermieter eine Änderung der Verhältnisse in Bezug auf die Betriebs- und Unterhaltskosten nicht einmal behauptet, kann er eine Erhöhung des Mietzinses offenkundig nicht mit Kostensteigerungen begründen. Im Weiteren ist das Kriterium der Kostensteigerung im Sinne von Art. 269a lit. b OR lediglich ein relativer Anpassungsgrund, der eine Beurteilung des Mietzinses im Zeitablauf verlangt, insbesondere im Vergleich zur letzten Mietzinsfestlegung. Relative Anpassungsgründe rechtfertigen eine Veränderung des Mietzinses nur in dem Umfange, wie sich die Verhältnisse seit der letzten Mietzinsfestlegung geändert haben. Es ist also ein Vergleich zwischen den aktuellen Berechnungsgrundlagen und denjenigen im Zeitpunkt der letzten Mietzinsfestlegung anzustellen (vgl. Lachat/Brutschin, a.a.O., S. 427 f.; Weber, a.a.O., N 14 ff. zu Art. 269 OR). Da bei neueren Bauten noch keine konkreten Werte für Unterhalts- und Betriebskosten bekannt sind, kann sich der Vermieter von neueren Bauten auch aus diesem Grund nicht auf eine Steigerung der Betriebs- und Unterhaltskosten als relativen Anpassungsgrund berufen (vgl. SVIT-Kommentar, a.a.O., N 38 und 87 zu Art. 269a OR; für den Fall einer Handänderung vgl. BGE 4C.237/2000 E. 3, publiziert in: mp 3/01, S. 148 ff.). Immerhin steht dem Vermieter bei neueren Bauten die Einrede der nicht kostendeckenden Bruttorendite gemäss Art. 269a lit. c OR als absoluter Anpassungsgrund zur Verfügung (s. dazu hinten Erwägungen 4).

2.3 Die Beklagte hat nicht dargelegt, weshalb im vorliegenden Fall eine Pauschale von 0,75 % angemessen sein sollte. Die Wohnung der Kläger ist neu und weist deshalb im Gegensatz zu einer älteren Wohnung – wenn überhaupt – nur einen geringen Unterhaltsbedarf auf. Ausserdem werden die Kosten für Heizung, Warmwasser, Kaltwasser, Hauswart, Strom/Gas, Lift, TV-Abonnement, "andere Betriebskosten" sowie "Wassergrundgebühren/Verbrauch" und damit sämtliche Betriebskosten als Nebenkosten separat abgerechnet. Auch dies spricht gegen eine pauschale und "automatische" Mietzinserhöhung von 0,75 % pro Jahr, darf doch der Mieter, der eine allfällige Steigerung der Betriebskosten bereits über die Nebenkostenabrechnungen abgegolten hat, für diese Kosten nicht ein zweites Mal in Form einer Pauschale belangt werden. Im Weiteren kann die Beklagte eine Pauschale von 0,75 % pro Jahr auch nicht mit der (geringen) Höhe des Nettomietzinses oder der Teuerung begründen (vgl. Lachat/Brutschin, a.a.O., S. 373). Mithin kann im vorliegenden Fall aufgrund der konkreten Umstände eine Steigerung der Betriebs- und Unterhaltskosten ausgeschlossen werden, weshalb sich die Beklagte nicht auf eine Pauschale von 0,75 % berufen kann. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, inwieweit der Aufwand für den Nachweis von Kostensteigerungen ein Kriterium für die Zulässigkeit einer Pauschale sein kann. Abzulehnen ist hingegen das Argument der Beklagten, wonach die Pauschale zulässig sei, weil der Vermieter Rückstellungen für Unterhaltsarbeiten tätigen müsse. Unterhaltskosten können in der Kostenabrechnung erst berücksichtigt werden, sobald die Arbeiten ausgeführt und vom Vermieter bezahlt sind. Dagegen fallen Rückstellungen für periodisch durchzuführende Unterhaltsarbeiten ausser Betracht, weil der Mieter einerseits über deren tatsächliche Verwendung keine Kontrolle hat und andererseits davon nicht profitiert, wenn er auszieht. Darüber hinaus verbleiben diese Rückstellungen bei der Veräusserung der Liegenschaft gewöhnlich bei der Verkäuferin (Lachat/Brutschin, a.a.O., S. 341).

2.4 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Beklagte dem Senkungsanspruch der Kläger eine Steigerung der Betriebs- und Unterhaltskosten nicht entgegenhalten kann.

2.5 Die Kläger monieren, an der Schlichtungsverhandlung habe es die Schlichtungsbehörde unter Verweis auf ihre ständige und seit Jahren geübte Praxis zur Kostensteigerungspauschale unterlassen, den Parteien einen Einigungsvorschlag zu unterbreiten. Die Schlichtungsbehörde gewähre der Vermieterseite regelmässig und ungeachtet des Alters oder des baulichen Zustands einer Liegenschaft eine Unterhalts- und Betriebskostenpauschale von 0,75 % pro Jahr. Sie prüfe dabei auch nie den tatsächlich getätigten Aufwand für Betrieb und Unterhalt. Mit anderen Worten spreche sie damit der Vermieterseite faktisch eine alljährlich garantierte Mietzinserhöhung von 0,75 % zu. Diese holzschnittartige Praxis gelte es über Bord zu werfen. Dazu ist Folgendes festzuhalten:
Die Schlichtungsbehörde hat primär die Aufgabe, zwischen den Parteien eine Einigung herbeizuführen (Art. 274a Abs. 1 lit. b und Art. 274e Abs. 1 OR; SVIT-Kommentar, a.a.O., N 7 zu Art. 274a OR und N 1a zu Art. 274e OR). Wie sie diese Aufgabe erfüllt, ist vom Einzelrichter nicht zu beurteilen. Somit steht es ihm grundsätzlich auch nicht an, die von der Schlichtungsbehörde im Vermittlungsverfahren geübte Praxis "über Bord zu werfen".
In der Praxis vieler Schlichtungsbehörden hat sich eingebürgert, dass der Vermieter für die sogenannte Steigerung der Betriebs- und Unterhaltskosten jährlich eine Pauschale von bis zu einem Prozent des Nettomietzinses verlangen darf, ohne dass er nachweisen muss, dass diese Kosten tatsächlich gestiegen sind (zur Praxis in den einzelnen Kantonen und Bezirken vgl. "Daten und Adressen zum Mietrecht", herausgegeben von "mietrechtspraxis/mp"). Gemäss Praxis der Schlichtungsbehörde des Kantons Zug beträgt die Pauschale 0,75 %, sofern die Anwendung der Pauschale nicht bestritten wird (vgl. www.mietrecht.ch/71.0.html). In ihrem Schreiben vom 25. Juni 2009 (KB 6) führte die Schlichtungsbehörde denn auch Folgendes aus: "Die Schlichtungsbehörde des Kantons Zug anerkennt als Kostenpauschale grundsätzlich 0,75 % jährlich. Gemäss Art. 269a lit. b und lit. e OR dürfen die Vermieter nebst einer Anpassung an den Landesindex (zu 40 %) zusätzlich die konkrete Erhöhung allgemeiner Kosten (z.B. Gebühren und Abgaben, welche nicht durch die Nebenkosten bezahlt werden) auf die Mieter überwälzen. Da das Belegen dieser Kosten relativ aufwändig ist, haben viele Schlichtungsbehörden und Gerichte zur Vereinfachung des Verfahrens Pauschalansätze beschlossen. Die grundsätzliche Anwendung der Pauschale bedeutet nicht, dass nicht davon abgewichen werden kann. Liegen Hinweise dafür vor, dass die Pauschale im konkreten Fall zu niedrig oder übersetzt ist, wird davon abgewichen."
Diese (so formulierte) Praxis entspricht der bundesgerichtlichen Rechtsprechung und ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Abgesehen davon erscheint es im Interesse der einfachen und raschen Streitschlichtung oftmals geboten, für die Ermittlung von Kostensteigerungen vernünftige, aus Erfahrungswerten abgeleitete Pauschalen anzuwenden (SVIT-Kommentar, a.a.O., N 42 zu Art. 269a OR, mit Hinweisen; kritisch Weber, a.a.O., N 8 zu Art. 269a OR, und Lachat/Brutschin, a.a.O., S. 372 ff.). Dies gilt selbstredend auch für den Regelfall, in welchem beide Parteien damit einverstanden sind, dass die Schlichtungsbehörde für Kostensteigerungen eine jährliche Pauschale (von 0,75 %) in Anschlag bringt. Wenn jedoch der Mieter vom Vermieter ausdrücklich verlangt, dass die Kostensteigerungen detailliert und zahlenmässig begründet werden, und Hinweise dafür bestehen, dass im Einzelfall die Anwendung der Pauschale zu einer überhöhten Kostensteigerung führen würde, hat sich die Schlichtungsbehörde mit Blick auf ihre primäre Aufgabe eingehend mit dem Fall zu befassen und darf nicht bloss auf ihre langjährige Praxis verweisen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass oftmals nur eine geringfügige Geldforderung zur Diskussion steht; dies spielt nach schweizerischer Rechtsanschauung keine Rolle (s. dazu BGE 4A-673/2008 E. 4.2, mit weiteren Hinweisen).

Decisione

50/6 - Betriebs- und Unterhaltskosten

Ritorno