Kantonsgerichts Appenzell Ausserhoden
10.09.2014
Genügt der handschriftliche Vermerk im Mietvertrag „zulasten der Mieter“ um eine Forderung auf Bezahlung der Nebenkosten einer vermieteten Stockwerkeigentumswohnung zu begründen? Die Frage wurde verneint und darum die Rückforderung der geleitsteten Beträge gestützt auf ungerechtfertigte Bereicherung geprüft. Beide Parteien machen die Verrechnung geltend.
2. Gültigkeit der Nebenkostenabrede
…
2.2 Rechtliches
Gemäss Art.
257a Abs. 1 OR sind die Nebenkosten das Entgelt für die Leistungen des
Vermieters, die mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen. In Abs. 2 wird
festgehalten, dass die Nebenkosten vom Mieter nur dann bezahlt werden müssen,
wenn diese mit dem Vermieter vereinbart wurden. Ohne besondere Vereinbarung sind
somit sämtliche anfallenden Nebenkosten mit dem Mietzins bereits abgegolten
(vgl. LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S. 236). Der
Mietvertrag muss die Nebenkosten, welche zulasten des Mieters gehen, genau
umschreiben, so dass es bei einem Vertragsabschluss leicht verständlich ist,
welche Kosten zusätzlich zum Mietzins übernommen werden müssen (BGE 135 III 591
E. 4.3.1; LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S. 240). Eine
Abrede, wonach der “Mieter alle Nebenkosten“ zu tragen hat, oder dass “sämtliche
Nebenkosten zulasten der Mieterschaft“ gehen, bezeichnet keine eindeutig
bestimmbaren Nebenkosten (BGer vom 7.4.1999 in mp 2/99 S. 81/82; BGE 121 III
460). Ebenfalls ungültig ist eine Vereinbarung, wonach der Mieter einer
Stockwerkeigentümergemeinschaft neben dem Nettomietzins für sämtliche Kosten
aufzukommen hat, die dem Vermieter als Stockwerkeigentümer in Rechnung gestellt
werden (LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S. 240). Hier fehlt
die Aufzählung der Kosten im Einzelnen ebenfalls.
Die Bezahlung von
mietvertraglich nicht ausgeschiedenen Nebenkosten während mehrerer Jahre,
bedeutet keine Anerkennung und insbesondere keine konkludente vertragliche
Ausscheidung der entsprechenden Nebenkosten im Sinne von Art. 257a Abs. 2 OR
(LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S. 239).
2.3
Würdigung
Der Mietvertrag vom 07.02.2011 enthält keine genaue Umschreibung
der Nebenkosten, welche vom Mieter übernommen werden müssen. Im Mietvertrag
werden zwar einige Positionen aufgelistet, die als Nebenkosten angekreuzt und
dadurch zum Vertragsinhalt gemacht werden können. Keines dieser Felder wurde
aber angekreuzt oder ein Betrag eingesetzt. Stattdessen enthält der Mietvertrag
unter der Position „Nebenkosten“ den handschriftlichen Vermerk “zulasten des
Mieter“ (act. 4/1). Diese Formulierung genügt den Anforderungen an die
Umschreibung der Nebenkosten nicht. Die Mieter mussten aufgrund des Mietvertrags
nicht damit rechnen, dass zusätzlich zu der Bruttomiete von 1600 Franken noch
Nebenkosten geschuldet sind. Aus der irrtümlichen Bezahlung der Nebenkosten von
Fr. 4942.15 durch die Mieter kann der Vermieter, wie dargelegt, nichts zu seinen
Gunsten ableiten. Die Vereinbarung, wonach die (nicht näher bezeichneten)
Nebenkosten “zulasten des Mieter“ gehen, ist damit ungültig, weshalb die Mieter
keine Nebenkosten bezahlen mussten.
3. Rückforderung der zu viel
bezahlten Nebenkosten aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung
3.1
Verjährung
Der Vermieter macht geltend, ein allfälliger
Rückforderungsanspruch sei aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung bereits
verjährt, insbesondere in Bezug auf die ersten beiden Zahlungen vom 02.09.2011
und 29.02.2012.
Die einjährige Verjährungsfrist beginnt gemäss Art. 67 Abs.
1 OR zu laufen, sobald der Entreicherte von seinem Anspruch Kenntnis erlangt.
Eine Verjährungsunterbrechung gemäss Art. 135 Ziff. 2 OR ist durch eine
Schuldbetreibung, ein Schlichtungsgesuch (Ladung zu einem amtlichen
Sühneversuch) oder eine Klage an das Gericht, möglich.
An Schranken erklärte
die Mieterin 2, Frau R, dass sie erst nach der Zahlung der 3. Rechnung, nach
einem Gespräch mit X, erfahren hatten, dass sie die Nebenkostenabrechnung gar
nicht bezahlen müssten. Diese Aussage ist glaubhaft. Bei X handelt es sich um RA
X, welcher die Mieter aufgrund seiner Fachkenntnisse über ihren Irrtum aufklären
konnte. Die Verjährung begann damit frühestens nach Bezahlung der 3. Rechnung am
16.05.2012 zu laufen. Die Verjährungsfrist wurde mit dem Zahlungsbefehl am
30.08.2012 rechtzeitig unterbrochen. Der Anspruch der Mieter ist somit nicht
verjährt.
3.2 Ungerechtfertigte Bereicherung
Leidet ein Vertrag an
einem Mangel der Entstehung, so sind bereits erbrachte Leistungen grundsätzlich
nach den Regeln der Vindikation und der ungerechtfertigten Bereicherung
zurückzuerstatten (BGE 134 III 438 E. 2.4 mit weiteren Verweisen). Gemäss Art.
62 OR hat, wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines anderen
bereichert worden ist, die Bereicherung zurückzuerstatten. Leistet jemand in
Unkenntnis eines nichtigen oder formungültigen Vertrags, so hat er einen
Rückforderungsanspruch (SCHULIN, Basler Kommentar OR I, Basel 2011, Art. 63 N.
3). Dies gilt auch für Mietnebenkosten, wobei der Schuldner sich in einem Irrtum
über die Zahlungspflicht befunden haben muss (SCHULIN, Basler Kommentar OR I,
Basel 2011, Art. 63 N. 3a).
Die Mieter zahlten die Nebenkostenabrechnungen,
die sie von der Stockwerkeigentümergemeinschaft erhielten, ohne zu wissen, dass
die Vereinbarung über die Nebenkosten ungültig war. Sie irrten sich über die
Rechtslage. Erst zu einem späteren Zeitpunkt erfuhren sie von einem
rechtskundigen Bekannten, dass sie die Nebenkosten gar nicht schuldeten.
Die
Wohnung ist Teil einer Stockwerkeigentümergemeinschaft und steht im Eigentum des
Vermieters. Die Nebenkostenabrechnung wurde den Mietern direkt zugestellt und
von diesen an die Stockwerkeigentümergemeinschaft bezahlt. In dieser
Dreieckskonstellation ist der Vermieter ungerechtfertigt bereichert worden, da
die Mieter die Nebenkosten nicht schuldeten und somit eine Schuld des Vermieters
beglichen. Durch die Zahlung dieser Nichtschuld wurden die Mieter entreichert.
Ungerechtfertigt ist die Bereicherung, da die der Zahlung zugrunde liegende
Nebenkostenabrede ungültig war. Die Mieter können daher die von ihnen bezahlten
Nebenkosten in der Höhe von Fr. 4942.15 gestützt auf Art. 62 ff. OR
zurückfordern. Die Klage wird daher gutgeheissen.
...
5.
Verrechnungsforderungen
5.1 Nicht bezahlte Mietzinse
Der Vermieter
macht für den Fall, dass die Klage gutgeheissen wird, eine Eventualverrechnung
(Die Eventualverrechnung wird an letzter Stelle geprüft, wenn alle andere
Einwände nicht zu einer Abwendung der Klage führten; ZELLWEGER-GUTKNECHT, Berner
Kommentar, Band VI, Bern 2012, Art. 120-126 OR N 202) mit nicht bezahlten
Mietzinsen (Februar, März, April, Mai 2013), total 6400 Franken, geltend. Die
Mieter bestätigen, dass sie diese Mietzinsforderungen nicht bezahlt haben. An
Schranken wandten die Mieter dagegen ein, dass ihnen der Vermieter diese
Mietzinszahlungen gestundet habe. Dieser Einwand wurde aber nicht weiter
ausgeführt, weshalb er nicht genügend substantiiert, geschweige denn bewiesen
ist.
Die Eventualverrechnung ist zulässig, wenn eine Mietzinsforderung mit
einer Gegenforderung des Vermieters gegenüber dem Mieter verrechnet werden kann
(LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S.221). Die Voraussetzungen
für die Verrechnung werden in Art. 120 Abs. 1 OR festgehalten. Die Forderungen
müssen demnach zwischen den gleichen Parteien bestehen und zudem gleichartig
sein, so wie beispielsweise Geldforderungen (PETER, Basler Kommentar OR I, Basel
2007, Art. 120 N 5 ff). Die Verrechnungsforderung (Forderung des Schuldners,
welche der Hauptforderung des Gläubigers entgegengestellt wird) muss fällig und
einklagbar sein (PETER, Basler Kommentar OR I, Basel 2007, Art. 120 N 4). Zudem
muss die Verrechnung erklärt worden sein und es darf kein Verrechnungsausschluss
der Parteien vorliegen (PETER, Basler Kommentar OR I, Basel 2007, Art. 120 N 6
ff). Die Mietzinszahlungen sind gemäss Art. 257c OR am Ende des Monats fällig.
Die Mietzinse wurden seit mehreren Monaten zugestandenermassen nicht bezahlt und
sind somit sowohl fällig als auch einklagbar.
Die Verrechnung wurde in der
Hauptverhandlung vom 28.06.2013 erklärt. Die vom Vermieter geltend gemachte
Verrechnung ist somit zulässig.
5.2 Wertvermehrende Investitionen
Die
Mieter erklärten während der Hauptverhandlung ihrerseits die Verrechnung mit
wertvermehrenden Investitionen, die sie mit 12 000 Franken bezifferten. Sie
bringen vor, dass sie unter anderem einen Kochherd und einen Geschirrspüler in
die Wohnung haben einbauen lassen und diese auch selber bezahlt haben.
Nach
Art. 267 Abs. 1 OR ist der Mieter uneingeschränkt verpflichtet, die Mietsache in
dem Zustand zurückzugeben, die sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt.
Das heisst, dass Erneuerungen und Änderungen an einer Mietsache nicht
unbewilligt durchgeführt werden dürfen (SVIT-Kommentar, Zürich 2008, Art.
260-260a Rz. 58). Wertvermehrende Investitionen können nur dann vom Vermieter
zurückgefordert werden, wenn dieser seine Zustimmung zur Änderung an der
Mietsache schriftlich erteilt hat (Art. 260a Abs. 1 OR). Dies gilt selbst dann,
wenn der Vermieter die Wiederherstellung nicht verlangt (LACHAT u.a., Mietrecht
für die Praxis, Zürich 2009, S. 700).
Vorliegend hat der Vermieter nie eine
schriftliche Zustimmung zu den Investitionen der Mieter gegeben. Die Mieter
behaupten dies auch gar nicht. Es besteht somit kein Anspruch auf Entschädigung
der Auslagen der Mieter. Eine Verrechnung mit wertvermehrenden Investitionen ist
nicht möglich.
6. Rechtsöffnung
Die Mieter verlangen die definitive
Rechtsöffnung der Betreibung Nr. Y des Betreibungsamts B vom
31.08.2012.
Gemäss Art. 124 Abs. 2 OR erlöschen Forderungen mit der
Verrechnung. Übersteigt eine Forderung die andere wertmässig, erlischt die
kleinere Forderung ganz, während die Differenz zur grösseren bestehen bleibt.
Bei einer zulässigen Verrechnung, bleibt also kein Raum für eine
Klageanerkennung samt Beseitigung des Rechtsvorschlages (PETER, Basler Kommentar
OR I, Basel, 2007, Art. 124 N 5).
Hier wird eine Forderung der Mieter aus
ungerechtfertigter Bereicherung mit einer Mietzinsforderung des Vermieters
verrechnet. Die Forderung der Mieter von Fr. 4942.15 nebst 5 % Zinsen ab
07.10.2012 für die Rechtsöffnung verlangt wird, ist kleiner als die
Gegenforderung des Vermieters von 6400 Franken. Somit wurde die Forderung der
Kläger durch die Verrechnung vollständig getilgt. Der Rechtsvorschlag kann daher
nicht beseitigt werden.
7. Prozesskosten
7.1 Die Prozesskosten
bestehen aus den Gerichtskosten und der Parteientschädigung (Art. 95 Abs. 1
ZPO)
7.2 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei
auferlegt (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden
sie nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt (Art. 106 Abs. 2 ZPO). Beide
Parteien hatten Erfolg mit ihren Ansprüchen und werden somit beide
kostentragungspflichtig. Da beide Parteien jeweils praktisch hälftig obsiegt
haben bzw. unterlegen sind, sind die Prozesskosten hälftig auf sie aufzuteilen.
Die Gerichtsgebühr wird entsprechend dem Streitwert und in Anwendung der
Richtlinien des Kantonsgerichts über die Gerichtsgebühr auf 900 Franken
festgesetzt (Art. 14 Gebührenordnung).
7.3 Da beide Parteien zu gleichen
Teilen obsiegt haben bzw. unterlegen sind, werden die Parteientschädigungen
wettgeschlagen.
Die von den Mietern geleisteten Kostenvorschüsse von total
600 Franken werden in Anwendung von Art. 111 Abs. 1 ZPO mit den Gerichtskosten
verrechnet. Den Mietern steht ein Rückgriffsrecht im Umfang von 150 Franken
gegenüber dem Vermieter zu (Art. 111 Abs. 2 ZPO).