Gültige Vereinbarung über Nebenkosten?

Base légale

Nom du tribunal

Kantonsgerichts Appenzell Ausserhoden

Date

10.09.2014

Résumé

Genügt der handschriftliche Vermerk im Mietvertrag „zulasten der Mieter“ um eine Forderung auf Bezahlung der Nebenkosten einer vermieteten Stockwerkeigentumswohnung zu begründen? Die Frage wurde verneint und darum die Rückforderung der geleitsteten Beträge gestützt auf ungerechtfertigte Bereicherung geprüft. Beide Parteien machen die Verrechnung geltend.

Exposé des faits

Die Mieter haben am 7. Februar 2011 einen schriftlichen Mietvertag über die Wohnung des Vermieters unterzeichnet. Die Wohnung befindet sich im Stockwerkeigentum des Vermieters. Mietbeginn war der 1. März 2011 und der Mietzins betrug 1600 Franken pro Monat. In Ziffer 4.2 werden die Nebenkosten geregelt. Von den dort aufgeführten Positionen wurde keine angekreuzt. Allerdings wurde handschriftlich „zulasten des Mieters“ angebracht. In der Folge bezahlten die Mieter zu Gunsten des Vermieters am 2. September 2011 erstmals 1900 Franken Nebenkosten direkt an die Stockwerkeigentümergemeinschaft. Am 29. Februar 2012 bezahlten sie weitere 1900 Franken, sowie am 15. Mai 2012 einen Restbetrag in der Höhe von Fr. 1142.15, total also Fr. 4942.15. Am 17. August 2012 teilten die Mieter dem Vermieter mit, sie seien der Meinung, dass sie seit Mietbeginn Nebenkosten bezahlen, die im Mietvertrag nicht ausgeschieden sind und verlangten die Rückerstattung der bezahlten Nebenkosten. Der Vermieter ist der Ansicht, dass die Übernahme der Nebenkosten im Mietvertrag vereinbart worden sei. Den Mietern hätte bewusst sein müssen, dass die 1600 Franken nicht eine Bruttomiete sein könne und dass noch Nebenkosten dazu kommen müssen. Der handschriftliche Vermerk sei diesbezüglich genügend klar. Zudem hätten sich die Mieter mit der Bezahlung der Nebenkosten mit deren Übernahme einverstanden erklärt. Am 21. September 2012 wandten sich die Mieter an die Schlichtungsstelle, welche mit Beschluss vom 17. Oktober 2012 feststellte, dass zwischen den Parteien keine Einigung erzielt werden könne und die Klagebewilligung ausstellte. Daraufhin reichten die Mieter am 1. November 2012 Klage vor der Einzelrichterin des Kantonsgerichts ein und forderten die Rückzahlung der zuviel bezahlten Nebenkosten nebst Zins. Der Vermieter beantragte die Abweisung, eventualiter die Verrechnung mit nicht bezahlten Mietzinsen für Februar bis Mai 2013, total 6400 Franken.

Considérations

2. Gültigkeit der Nebenkostenabrede

2.2 Rechtliches
Gemäss Art. 257a Abs. 1 OR sind die Nebenkosten das Entgelt für die Leistungen des Vermieters, die mit dem Gebrauch der Mietsache zusammenhängen. In Abs. 2 wird festgehalten, dass die Nebenkosten vom Mieter nur dann bezahlt werden müssen, wenn diese mit dem Vermieter vereinbart wurden. Ohne besondere Vereinbarung sind somit sämtliche anfallenden Nebenkosten mit dem Mietzins bereits abgegolten (vgl. LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S. 236). Der Mietvertrag muss die Nebenkosten, welche zulasten des Mieters gehen, genau umschreiben, so dass es bei einem Vertragsabschluss leicht verständlich ist, welche Kosten zusätzlich zum Mietzins übernommen werden müssen (BGE 135 III 591 E. 4.3.1; LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S. 240). Eine Abrede, wonach der “Mieter alle Nebenkosten“ zu tragen hat, oder dass “sämtliche Nebenkosten zulasten der Mieterschaft“ gehen, bezeichnet keine eindeutig bestimmbaren Nebenkosten (BGer vom 7.4.1999 in mp 2/99 S. 81/82; BGE 121 III 460). Ebenfalls ungültig ist eine Vereinbarung, wonach der Mieter einer Stockwerkeigentümergemeinschaft neben dem Nettomietzins für sämtliche Kosten aufzukommen hat, die dem Vermieter als Stockwerkeigentümer in Rechnung gestellt werden (LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S. 240). Hier fehlt die Aufzählung der Kosten im Einzelnen ebenfalls.
Die Bezahlung von mietvertraglich nicht ausgeschiedenen Nebenkosten während mehrerer Jahre, bedeutet keine Anerkennung und insbesondere keine konkludente vertragliche Ausscheidung der entsprechenden Nebenkosten im Sinne von Art. 257a Abs. 2 OR (LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S. 239).

2.3 Würdigung
Der Mietvertrag vom 07.02.2011 enthält keine genaue Umschreibung der Nebenkosten, welche vom Mieter übernommen werden müssen. Im Mietvertrag werden zwar einige Positionen aufgelistet, die als Nebenkosten angekreuzt und dadurch zum Vertragsinhalt gemacht werden können. Keines dieser Felder wurde aber angekreuzt oder ein Betrag eingesetzt. Stattdessen enthält der Mietvertrag unter der Position „Nebenkosten“ den handschriftlichen Vermerk “zulasten des Mieter“ (act. 4/1). Diese Formulierung genügt den Anforderungen an die Umschreibung der Nebenkosten nicht. Die Mieter mussten aufgrund des Mietvertrags nicht damit rechnen, dass zusätzlich zu der Bruttomiete von 1600 Franken noch Nebenkosten geschuldet sind. Aus der irrtümlichen Bezahlung der Nebenkosten von Fr. 4942.15 durch die Mieter kann der Vermieter, wie dargelegt, nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die Vereinbarung, wonach die (nicht näher bezeichneten) Nebenkosten “zulasten des Mieter“ gehen, ist damit ungültig, weshalb die Mieter keine Nebenkosten bezahlen mussten.

3. Rückforderung der zu viel bezahlten Nebenkosten aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung

3.1 Verjährung
Der Vermieter macht geltend, ein allfälliger Rückforderungsanspruch sei aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung bereits verjährt, insbesondere in Bezug auf die ersten beiden Zahlungen vom 02.09.2011 und 29.02.2012.
Die einjährige Verjährungsfrist beginnt gemäss Art. 67 Abs. 1 OR zu laufen, sobald der Entreicherte von seinem Anspruch Kenntnis erlangt. Eine Verjährungsunterbrechung gemäss Art. 135 Ziff. 2 OR ist durch eine Schuldbetreibung, ein Schlichtungsgesuch (Ladung zu einem amtlichen Sühneversuch) oder eine Klage an das Gericht, möglich.
An Schranken erklärte die Mieterin 2, Frau R, dass sie erst nach der Zahlung der 3. Rechnung, nach einem Gespräch mit X, erfahren hatten, dass sie die Nebenkostenabrechnung gar nicht bezahlen müssten. Diese Aussage ist glaubhaft. Bei X handelt es sich um RA X, welcher die Mieter aufgrund seiner Fachkenntnisse über ihren Irrtum aufklären konnte. Die Verjährung begann damit frühestens nach Bezahlung der 3. Rechnung am 16.05.2012 zu laufen. Die Verjährungsfrist wurde mit dem Zahlungsbefehl am 30.08.2012 rechtzeitig unterbrochen. Der Anspruch der Mieter ist somit nicht verjährt.

3.2 Ungerechtfertigte Bereicherung
Leidet ein Vertrag an einem Mangel der Entstehung, so sind bereits erbrachte Leistungen grundsätzlich nach den Regeln der Vindikation und der ungerechtfertigten Bereicherung zurückzuerstatten (BGE 134 III 438 E. 2.4 mit weiteren Verweisen). Gemäss Art. 62 OR hat, wer in ungerechtfertigter Weise aus dem Vermögen eines anderen bereichert worden ist, die Bereicherung zurückzuerstatten. Leistet jemand in Unkenntnis eines nichtigen oder formungültigen Vertrags, so hat er einen Rückforderungsanspruch (SCHULIN, Basler Kommentar OR I, Basel 2011, Art. 63 N. 3). Dies gilt auch für Mietnebenkosten, wobei der Schuldner sich in einem Irrtum über die Zahlungspflicht befunden haben muss (SCHULIN, Basler Kommentar OR I, Basel 2011, Art. 63 N. 3a).
Die Mieter zahlten die Nebenkostenabrechnungen, die sie von der Stockwerkeigentümergemeinschaft erhielten, ohne zu wissen, dass die Vereinbarung über die Nebenkosten ungültig war. Sie irrten sich über die Rechtslage. Erst zu einem späteren Zeitpunkt erfuhren sie von einem rechtskundigen Bekannten, dass sie die Nebenkosten gar nicht schuldeten.
Die Wohnung ist Teil einer Stockwerkeigentümergemeinschaft und steht im Eigentum des Vermieters. Die Nebenkostenabrechnung wurde den Mietern direkt zugestellt und von diesen an die Stockwerkeigentümergemeinschaft bezahlt. In dieser Dreieckskonstellation ist der Vermieter ungerechtfertigt bereichert worden, da die Mieter die Nebenkosten nicht schuldeten und somit eine Schuld des Vermieters beglichen. Durch die Zahlung dieser Nichtschuld wurden die Mieter entreichert. Ungerechtfertigt ist die Bereicherung, da die der Zahlung zugrunde liegende Nebenkostenabrede ungültig war. Die Mieter können daher die von ihnen bezahlten Nebenkosten in der Höhe von Fr. 4942.15 gestützt auf Art. 62 ff. OR zurückfordern. Die Klage wird daher gutgeheissen.
...

5. Verrechnungsforderungen

5.1 Nicht bezahlte Mietzinse
Der Vermieter macht für den Fall, dass die Klage gutgeheissen wird, eine Eventualverrechnung (Die Eventualverrechnung wird an letzter Stelle geprüft, wenn alle andere Einwände nicht zu einer Abwendung der Klage führten; ZELLWEGER-GUTKNECHT, Berner Kommentar, Band VI, Bern 2012, Art. 120-126 OR N 202) mit nicht bezahlten Mietzinsen (Februar, März, April, Mai 2013), total 6400 Franken, geltend. Die Mieter bestätigen, dass sie diese Mietzinsforderungen nicht bezahlt haben. An Schranken wandten die Mieter dagegen ein, dass ihnen der Vermieter diese Mietzinszahlungen gestundet habe. Dieser Einwand wurde aber nicht weiter ausgeführt, weshalb er nicht genügend substantiiert, geschweige denn bewiesen ist.
Die Eventualverrechnung ist zulässig, wenn eine Mietzinsforderung mit einer Gegenforderung des Vermieters gegenüber dem Mieter verrechnet werden kann (LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S.221). Die Voraussetzungen für die Verrechnung werden in Art. 120 Abs. 1 OR festgehalten. Die Forderungen müssen demnach zwischen den gleichen Parteien bestehen und zudem gleichartig sein, so wie beispielsweise Geldforderungen (PETER, Basler Kommentar OR I, Basel 2007, Art. 120 N 5 ff). Die Verrechnungsforderung (Forderung des Schuldners, welche der Hauptforderung des Gläubigers entgegengestellt wird) muss fällig und einklagbar sein (PETER, Basler Kommentar OR I, Basel 2007, Art. 120 N 4). Zudem muss die Verrechnung erklärt worden sein und es darf kein Verrechnungsausschluss der Parteien vorliegen (PETER, Basler Kommentar OR I, Basel 2007, Art. 120 N 6 ff). Die Mietzinszahlungen sind gemäss Art. 257c OR am Ende des Monats fällig. Die Mietzinse wurden seit mehreren Monaten zugestandenermassen nicht bezahlt und sind somit sowohl fällig als auch einklagbar.
Die Verrechnung wurde in der Hauptverhandlung vom 28.06.2013 erklärt. Die vom Vermieter geltend gemachte Verrechnung ist somit zulässig.

5.2 Wertvermehrende Investitionen
Die Mieter erklärten während der Hauptverhandlung ihrerseits die Verrechnung mit wertvermehrenden Investitionen, die sie mit 12 000 Franken bezifferten. Sie bringen vor, dass sie unter anderem einen Kochherd und einen Geschirrspüler in die Wohnung haben einbauen lassen und diese auch selber bezahlt haben.
Nach Art. 267 Abs. 1 OR ist der Mieter uneingeschränkt verpflichtet, die Mietsache in dem Zustand zurückzugeben, die sich aus dem vertragsgemässen Gebrauch ergibt. Das heisst, dass Erneuerungen und Änderungen an einer Mietsache nicht unbewilligt durchgeführt werden dürfen (SVIT-Kommentar, Zürich 2008, Art. 260-260a Rz. 58). Wertvermehrende Investitionen können nur dann vom Vermieter zurückgefordert werden, wenn dieser seine Zustimmung zur Änderung an der Mietsache schriftlich erteilt hat (Art. 260a Abs. 1 OR). Dies gilt selbst dann, wenn der Vermieter die Wiederherstellung nicht verlangt (LACHAT u.a., Mietrecht für die Praxis, Zürich 2009, S. 700).
Vorliegend hat der Vermieter nie eine schriftliche Zustimmung zu den Investitionen der Mieter gegeben. Die Mieter behaupten dies auch gar nicht. Es besteht somit kein Anspruch auf Entschädigung der Auslagen der Mieter. Eine Verrechnung mit wertvermehrenden Investitionen ist nicht möglich.

6. Rechtsöffnung
Die Mieter verlangen die definitive Rechtsöffnung der Betreibung Nr. Y des Betreibungsamts B vom 31.08.2012.
Gemäss Art. 124 Abs. 2 OR erlöschen Forderungen mit der Verrechnung. Übersteigt eine Forderung die andere wertmässig, erlischt die kleinere Forderung ganz, während die Differenz zur grösseren bestehen bleibt. Bei einer zulässigen Verrechnung, bleibt also kein Raum für eine Klageanerkennung samt Beseitigung des Rechtsvorschlages (PETER, Basler Kommentar OR I, Basel, 2007, Art. 124 N 5).
Hier wird eine Forderung der Mieter aus ungerechtfertigter Bereicherung mit einer Mietzinsforderung des Vermieters verrechnet. Die Forderung der Mieter von Fr. 4942.15 nebst 5 % Zinsen ab 07.10.2012 für die Rechtsöffnung verlangt wird, ist kleiner als die Gegenforderung des Vermieters von 6400 Franken. Somit wurde die Forderung der Kläger durch die Verrechnung vollständig getilgt. Der Rechtsvorschlag kann daher nicht beseitigt werden.

7. Prozesskosten

7.1 Die Prozesskosten bestehen aus den Gerichtskosten und der Parteientschädigung (Art. 95 Abs. 1 ZPO)

7.2 Die Gerichtskosten werden in der Regel der unterliegenden Partei auferlegt (Art. 106 Abs. 1 ZPO). Hat keine Partei vollständig obsiegt, so werden sie nach dem Ausgang des Verfahrens verteilt (Art. 106 Abs. 2 ZPO). Beide Parteien hatten Erfolg mit ihren Ansprüchen und werden somit beide kostentragungspflichtig. Da beide Parteien jeweils praktisch hälftig obsiegt haben bzw. unterlegen sind, sind die Prozesskosten hälftig auf sie aufzuteilen.
Die Gerichtsgebühr wird entsprechend dem Streitwert und in Anwendung der Richtlinien des Kantonsgerichts über die Gerichtsgebühr auf 900 Franken festgesetzt (Art. 14 Gebührenordnung).
7.3 Da beide Parteien zu gleichen Teilen obsiegt haben bzw. unterlegen sind, werden die Parteientschädigungen wettgeschlagen.
Die von den Mietern geleisteten Kostenvorschüsse von total 600 Franken werden in Anwendung von Art. 111 Abs. 1 ZPO mit den Gerichtskosten verrechnet. Den Mietern steht ein Rückgriffsrecht im Umfang von 150 Franken gegenüber dem Vermieter zu (Art. 111 Abs. 2 ZPO).


Décision

55/3 - Gültige Vereinbarung über Nebenkosten?

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