Wohngemeinschaft als Ersatzmieter

Base légale

Nom du tribunal

Entscheid des Bezirksgerichts Maloja

Date

06.06.2012

Résumé

Gestützt auf Artikel 264 Absatz 1 OR hat der Vermieter die Obliegenheit, die Ablehnung eines offerierten Ersatzmieters zu begründen. Die vorgeschlagene Wohngemeinschaft wäre als neuer Mieter zumutbar gewesen. In der Lehre wird Artikel 264 OR als relativ zwingendes Recht qualifiziert. Zusätzliche Zahlungspflichten, welche über Artikel 264 Absatz 2 und 3 OR hinausgehen, dürfen gegenüber dem Mieter nicht statuiert werden.

Exposé des faits

Die Klägerin und die beiden Beklagten schlossen am 23. Juli 2008 einen Mietvertrag ab. Mietobjekt war eine 4½–Zimmerwohnung und als Mietbeginn wurde der 1. August 2008 vereinbart. Unter Einhaltung einer dreimonatigen Frist konnte der Mietvertrag auf Ende März, Juni und September gekündigt werden.
Der Mietvertrag wurde durch die Beklagten mit Schreiben vom 26. Februar 2011 per 30. Juni 2011 gekündigt. In diesem Schreiben zeigten die Beklagten an, dass sie bereits am 31. März 2011 die Wohnung verlassen würden. Darüber hinaus ersuchten sie die Klägerin um Unterstützung bei der Suche eines Nachmieters. Die Klägerin publizierte ein Inserat in der Lokalzeitung, auf ihrer Homepage und auf einem zusätzlichen Internetportal.
Per E-Mail vom 7. März 2011 informierte die Klägerin die Beklagte 1 über die auf der eigenen Homepage und einer weiteren Internetseite aufgeschalteten Inserate. Gleichzeitig erklärte die Klägerin ihr Einverständnis mit einer allfälligen Untermiete an die Nachfolgerin des Beklagten 2, die Verantwortung für die ordentliche Beendigung des Mietverhältnisses trage die Beklagte 1. In der E-Mail vom 8. März 2011 führten die Beklagten aus, dass die zwei Anzeigen auf eigene Kosten veröffentlichen würden.
Die Beklagte 1 nannte der Klägerin im Schreiben vom 18. März 2011 drei Interessenten, welche die Bereitschaft aufwiesen, das Mietobjekt ab dem 1. April 2011 als Wohngemeinschaft zu mieten.
Am 28. März 2011 erfolgte die Rückgabe des Mietobjekts durch die Beklagten. Dabei wurden ein Abnahmeprotokoll sowie eine Mängelliste angefertigt und von beiden Parteien unterzeichnet.
Die Beklagten bezahlten die Mietzinse ab April 2011 nicht mehr. Im Schreiben vom 4. April 2011 wies die Klägerin auf das Recht, einen Nachmieter zu stellen, hin. Am selben Tag hielten die Beklagten fest, ein Nachmieter sei schon genannt worden. In Ermangelung einer Reaktion und einer Stellungnahme sei der Standpunkt zu vertreten, dass die Klägerin mit dem Nachmieter einverstanden sei.
Mit Schreiben vom 5. April 2011 legte die Klägerin dar, sie habe bereits Anfangs März erklärt, dass eine Wohngemeinschaft nicht akzeptiert werde. Solange kein Nachmieter vorhanden sei, bestehe eine Pflicht zur Bezahlung des Mietzinses.
Es wurde kein Nachmieter gefunden und die Rechnung für die zwei Onlineinserate sowie die ausstehenden Mietzinse wurden nicht bezahlt. In der Schlichtungsverhandlung vom 8. Dezember 2011 konnten die Parteien keine Einigung erzielen. Die Klägerin gelangte mit der Prozesseingabe vom 5. Januar 2012 an das Gericht. In der Klageantwort vom 6. Februar 2012 beantragten die Beklagten u. a. die Abweisung der Klage vom 5. Januar 2012.

Considérations

4. Vorliegend ist unbestritten, dass die Beklagten nach erfolgter Kündigung mit Schreiben vom 18. März 2011 der Klägerin drei Mietinteressenten anzeigte, welche bereit waren, das Objekt als Wohngemeinschaft ab dem 1. April 2011 zu mieten. Uneinigkeit herrscht jedoch in der Frage, ob die Klägerin diese als Nachmieter akzeptieren musste oder nicht.
a) Gibt der Mieter der Sache zurück, ohne Kündigungsfrist oder –termin einzuhalten, so ist er nach Art. 264 Abs. 1 OR von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen. Besagte Norm auferlegt dem Vermieter die Obliegenheit, die Ablehnung des offerierten Ersatzmieters zu begründen. Die unbegründete Ablehnung eines Ersatzmieters durch den Vermieter stellt daher einen Anwendungsfall der unberechtigten Ablehnung dar (vgl. HIGI, Zürcher Kommentar, Obligationenrecht, Die Miete, Art. 253 – 246 OR, 3. A., Zürich 1994, N. 51 zu Art. 264). Damit verliert er gegenüber dem ausziehenden Mieter den Anspruch auf Weiterzahlung des Mietzinses (vgl. BISANG et al., Das Schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2008, N. 11 zu Art. 264 nachfolgend SVIT-Kommentar genannt).
In casu erachtete die Klägerin die von den Beklagten genannten Ersatzmieter als nicht akzeptabel. Im Lichte der vorstehenden Literatur hätte sie dies jedoch gegenüber den Beklagten begründen müssen, ansonsten sie keinen Anspruch auf Entrichtung der ausstehenden Mietzinse hat. Hierzu führte sie anlässlich der Hauptverhandlung aus, sie habe nicht nur die Interessenten selbst, sondern auch die Beklagte 1 darüber orientiert, dass eine Wohngemeinschaft für sie nicht Frage komme. Jedoch liege diesbezüglich keine Korrespondenz vor. Dieser Standpunkt sei indes von der Beklagten 1 akzeptiert worden, was sich aus ihrem Schreiben vom 5. April 2011 ergäbe.
Wie dem genannten Schreiben entnommen werden kann, wurde darin lediglich darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten 1 genannten Nachmieter nicht akzeptabel seien. Eine Begründung ist darin jedoch nicht enthalten. Auch den weiteren ins Recht gelegten Urkunden ist eine solche nicht zu entnehmen. Somit ist in Anwendung von Art. 8 ZGB, wonach die Klägerin die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat, davon auszugehen, dass die Ablehnung unbegründet blieb. Die Klage ist folglich in diesem Punkt abzuweisen.
b) An der Hauptverhandlung führte die Klägerin weiter aus, auch falls das Gericht zur Ansicht gelangen sollte, die Beklagten hätten erstmals mit Schreiben vom 5. April 2011 erfahren, dass die vorgeschlagene Wohngemeinschaft nicht akzeptiert werde, würden diese den Mietzins bis Ende Juni 2011 schulden. Dies deshalb, weil für die Vermieterin der Umstand, dass es sich bei den Interessenten um eine Wohngemeinschaft handelte, nicht zumutbar gewesen sei. Eine solche stelle, im Gegensatz zu einer Familie oder einem Ehe- resp. Konkubinatspaar, eine offene Form des Zusammenlebens dar. Dabei gäbe es häufiger Wechsel in der personellen Besetzung, was bei der Auflösung des Mietverhältnisses häufig zu Problemen führe – etwa im Zusammenhang mit Haftungsfragen bei Schäden am Mietobjekt. Folglich sei das Angebot der Beklagten ungenügend bzw. untauglich gewesen.
Wie vorstehend ausgeführt, hat der Mieter nach Art. 264 OR das Recht, einen für den Mieter zumutbaren neuen Mieter vorzuschlagen. Andernfalls muss er den Mietzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Mietverhältnis gemäss Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann. Der Nachmieter muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen. Der Begriff der Zumutbarkeit bemisst sich nach objektiven Gesichtspunkten. Insbesondere können an den neuen Mieter nicht andere oder höhere Anforderungen gestellt werden, als an den ausziehenden, es sei denn, dieser habe zu berechtigten Klagen Anlass gegeben oder sich sonst wie nicht vertragskonform verhalten (vgl. SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 6 zu Art. 264) Beschränkungen dürfen sich damit nur aus dem vertraglichen Gebrauchsrecht und den Mieterpflichten ergeben. Dem Vermieter zum Nachteil gereicht es daher u.a., wenn er einen grösseren (oder kleineren) Kreis von Benützern nicht akzeptiert, obwohl die Wohnung für deren Aufnahme geeignet ist (vgl. WEBER, Basler-Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1 – 529 OR, 5. A., Basel 2011, N. 5 zu Art. 264 OR mit Verweis auf BGE 119 II 36, E. 3d).
Die Klägerin wendet zu Recht nicht ein, die von den Beklagten vorgeschlagenen Nachmieter seien nicht zahlungsfähig oder nicht bereit gewesen, den Mietvertrag zu den nämlichen Bedingungen zu übernehmen. Bezüglich der anlässlich der Hauptverhandlung vorgebrachten Begründung der Ablehnung gilt es jedoch festzuhalten, dass auch bei den von der Klägerin als akzeptabel angesehenen Formen des Zusammenlebens häufige Wechsel in der Besetzung nicht ausgeschlossen werden können. Bereits aus den betreffenden Bestimmung im Mietvertrag ergibt sich zudem, dass die Beklagten die Wohnung nur mit Zustimmung der Klägerin untervermieten konnten. Der Vermieter kann insbesondere dann seine Zustimmung verweigern, wenn ihm daraus wesentliche Nachteile entstehen. Gebraucht der Untermieter die Sache anders, als es dem Mieter gestattet ist, haftet Letzterer dafür dem Vermieter (vgl. Art. 262 OR). Somit vermögen die Bedenken hinsichtlich häufiger Wechsel innerhalb der Wohngemeinschaft eine Unzumutbarkeit für die Klägerin nicht zu begründen. Des Weiteren kann Letztere aufgrund der solidarischen Haftung der Mitbewohner einer Wohngemeinschaft, welche eine einfache Gesellschaft gemäss Art. 530 ff. OR bilden, den vollen Mietzins von jedem einzelnen Bewohner einfordern, während sie dies bei der von ihr erwähnten Formen lediglich von zwei Personen könnte. Insofern wäre sie mit der vorgeschlagenen Dreierwohngemeinschaft erheblich besser gestellt gewesen. Sodann dürfte in der Praxis häufig ohnehin nicht eruierbar sein, wer einen Schaden am Mietobjekt verursacht hat. Auch diesfalls haften aber die im Vertrag eingetragenen Mieter solidarisch, weshalb die Vermieterin somit mit der vorgeschlagenen Wohngemeinschaft nicht bloss hinsichtlich der Bezahlung des Mietzinses, sondern auch bei den Schadenersatzansprüchen privilegiert gewesen wäre. Schliesslich sind keine objektiven Gründe ersichtlich, weshalb die drei Interessenten nicht in der fraglichen 4½–Zimmerwohnung hätten leben können. Im Ergebnis ist folglich festzuhalten, dass die von den Beklagten als Nachmieter vorgeschlagene Wohngemeinschaft für die Vermieterin zumutbar gewesen wäre. Selbst wenn die Klägerin ihre abschlägige Haltung begründet hätte, müsste sie demnach die Mietzinse für die drei Monate selbst tragen.

5. Anlässlich der Hauptverhandlung führte die Klägerin des Weiteren aus, die Kosten für die Inserate in Höhe von Fr. 685.40 gingen zu Lasten der Beklagten, was sich aus Ziff. 9 des Mietvertrages ergäbe. Diese seien in jedem Fall geschuldet, unabhängig davon, wie die Frage, welche Partei für den Mietzinsausfall einzustehen hat, beantwortet werde. Zudem hätten die Beklagten in ihrem Kündigungsschreiben vom 16. Februar 2011 die Klägerin ausdrücklich um Mithilfe bei der Suche nach Nachmietern ersucht und in einem E-Mail vom 8. März 2011 deren Anzeigenvorschlag mit Preisangabe als gut befunden.
Nach der Lehre ist Art. 264 OR relativ zwingendes Recht. Die Parteien dürfen die vorzeitige Rückgabe der Mieträume nicht schwieriger gestalten, als das Gesetz es vorsieht. Dem Mieter dürfen keine zusätzlichen Zahlungspflichten auferlegt werden, welche über das in Art. 264 Abs. 2 und 3 OR Vorgesehene hinausgehen. Die von zahlreichen Liegenschaftsverwaltungen verlangten Unkostenbeiträge bei vorzeitiger Kündigung widersprechen dem relativ zwingenden Charakter von Art. 264 OR (vgl. Mietrechtspraxis, 3/06 S. 206 ff. mit Hinweis auf LACHAT, Le bail à loyer, Lausanne 1997, S. 455).
Gemäss der vorgenannten Vertragsbestimmung sind die mit vorzeitiger Wiedervermietung verbundenen Insertionskosten sowie sämtliche weiteren Kosten, insbesondere solche für die Prüfung der Nachmieter, vom vorzeitig ausziehenden Mieter zu übernehmen. Diese Bestimmung haben die Beklagten mit Unterzeichnung des Mietvertrages akzeptiert. Im Lichte der vorstehenden Lehre und Rechtsprechung erweist sich die fragliche Klausel allerdings als nichtig. Sie entfaltet demnach keine Rechtswirkung. Folglich sind sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der Suche nach einem Nachmieter von der Klägerin selbst zu tragen.


Décision

53/4 - Wohngemeinschaft als Ersatzmieter

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