Entscheid des Bezirksgerichts Maloja
06.06.2012
Gestützt auf Artikel 264 Absatz 1 OR hat der Vermieter die Obliegenheit, die Ablehnung eines offerierten Ersatzmieters zu begründen. Die vorgeschlagene Wohngemeinschaft wäre als neuer Mieter zumutbar gewesen. In der Lehre wird Artikel 264 OR als relativ zwingendes Recht qualifiziert. Zusätzliche Zahlungspflichten, welche über Artikel 264 Absatz 2 und 3 OR hinausgehen, dürfen gegenüber dem Mieter nicht statuiert werden.
4. Vorliegend ist unbestritten, dass die Beklagten nach erfolgter
Kündigung mit Schreiben vom 18. März 2011 der Klägerin drei
Mietinteressenten anzeigte, welche bereit waren, das Objekt als
Wohngemeinschaft ab dem 1. April 2011 zu mieten. Uneinigkeit herrscht
jedoch in der Frage, ob die Klägerin diese als Nachmieter akzeptieren
musste oder nicht.
a) Gibt der Mieter der Sache zurück, ohne
Kündigungsfrist oder –termin einzuhalten, so ist er nach Art. 264 Abs. 1
OR von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn
er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt; dieser
muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen
Bedingungen zu übernehmen. Besagte Norm auferlegt dem Vermieter die
Obliegenheit, die Ablehnung des offerierten Ersatzmieters zu begründen.
Die unbegründete Ablehnung eines Ersatzmieters durch den Vermieter
stellt daher einen Anwendungsfall der unberechtigten Ablehnung dar (vgl.
HIGI, Zürcher Kommentar, Obligationenrecht, Die Miete, Art. 253 – 246
OR, 3. A., Zürich 1994, N. 51 zu Art. 264). Damit verliert er gegenüber
dem ausziehenden Mieter den Anspruch auf Weiterzahlung des Mietzinses
(vgl. BISANG et al., Das Schweizerische Mietrecht, Kommentar, 3. A.,
Zürich/Basel/Genf 2008, N. 11 zu Art. 264 nachfolgend SVIT-Kommentar
genannt).
In casu erachtete die Klägerin die von den Beklagten
genannten Ersatzmieter als nicht akzeptabel. Im Lichte der vorstehenden
Literatur hätte sie dies jedoch gegenüber den Beklagten begründen
müssen, ansonsten sie keinen Anspruch auf Entrichtung der ausstehenden
Mietzinse hat. Hierzu führte sie anlässlich der Hauptverhandlung aus,
sie habe nicht nur die Interessenten selbst, sondern auch die Beklagte 1
darüber orientiert, dass eine Wohngemeinschaft für sie nicht Frage
komme. Jedoch liege diesbezüglich keine Korrespondenz vor. Dieser
Standpunkt sei indes von der Beklagten 1 akzeptiert worden, was sich aus
ihrem Schreiben vom 5. April 2011 ergäbe.
Wie dem genannten
Schreiben entnommen werden kann, wurde darin lediglich darauf
hingewiesen, dass die von der Beklagten 1 genannten Nachmieter nicht
akzeptabel seien. Eine Begründung ist darin jedoch nicht enthalten. Auch
den weiteren ins Recht gelegten Urkunden ist eine solche nicht zu
entnehmen. Somit ist in Anwendung von Art. 8 ZGB, wonach die Klägerin
die Folgen der Beweislosigkeit zu tragen hat, davon auszugehen, dass die
Ablehnung unbegründet blieb. Die Klage ist folglich in diesem Punkt
abzuweisen.
b) An der Hauptverhandlung führte die Klägerin weiter
aus, auch falls das Gericht zur Ansicht gelangen sollte, die Beklagten
hätten erstmals mit Schreiben vom 5. April 2011 erfahren, dass die
vorgeschlagene Wohngemeinschaft nicht akzeptiert werde, würden diese den
Mietzins bis Ende Juni 2011 schulden. Dies deshalb, weil für die
Vermieterin der Umstand, dass es sich bei den Interessenten um eine
Wohngemeinschaft handelte, nicht zumutbar gewesen sei. Eine solche
stelle, im Gegensatz zu einer Familie oder einem Ehe- resp.
Konkubinatspaar, eine offene Form des Zusammenlebens dar. Dabei gäbe es
häufiger Wechsel in der personellen Besetzung, was bei der Auflösung des
Mietverhältnisses häufig zu Problemen führe – etwa im Zusammenhang mit
Haftungsfragen bei Schäden am Mietobjekt. Folglich sei das Angebot der
Beklagten ungenügend bzw. untauglich gewesen.
Wie vorstehend
ausgeführt, hat der Mieter nach Art. 264 OR das Recht, einen für den
Mieter zumutbaren neuen Mieter vorzuschlagen. Andernfalls muss er den
Mietzins bis zu dem Zeitpunkt leisten, in dem das Mietverhältnis gemäss
Vertrag oder Gesetz endet oder beendet werden kann. Der Nachmieter muss
zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen
Bedingungen zu übernehmen. Der Begriff der Zumutbarkeit bemisst sich
nach objektiven Gesichtspunkten. Insbesondere können an den neuen Mieter
nicht andere oder höhere Anforderungen gestellt werden, als an den
ausziehenden, es sei denn, dieser habe zu berechtigten Klagen Anlass
gegeben oder sich sonst wie nicht vertragskonform verhalten (vgl.
SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 6 zu Art. 264) Beschränkungen dürfen sich
damit nur aus dem vertraglichen Gebrauchsrecht und den Mieterpflichten
ergeben. Dem Vermieter zum Nachteil gereicht es daher u.a., wenn er
einen grösseren (oder kleineren) Kreis von Benützern nicht akzeptiert,
obwohl die Wohnung für deren Aufnahme geeignet ist (vgl. WEBER,
Basler-Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1 – 529 OR, 5. A., Basel
2011, N. 5 zu Art. 264 OR mit Verweis auf BGE 119 II 36, E. 3d).
Die
Klägerin wendet zu Recht nicht ein, die von den Beklagten
vorgeschlagenen Nachmieter seien nicht zahlungsfähig oder nicht bereit
gewesen, den Mietvertrag zu den nämlichen Bedingungen zu übernehmen.
Bezüglich der anlässlich der Hauptverhandlung vorgebrachten Begründung
der Ablehnung gilt es jedoch festzuhalten, dass auch bei den von der
Klägerin als akzeptabel angesehenen Formen des Zusammenlebens häufige
Wechsel in der Besetzung nicht ausgeschlossen werden können. Bereits aus
den betreffenden Bestimmung im Mietvertrag ergibt sich zudem, dass die
Beklagten die Wohnung nur mit Zustimmung der Klägerin untervermieten
konnten. Der Vermieter kann insbesondere dann seine Zustimmung
verweigern, wenn ihm daraus wesentliche Nachteile entstehen. Gebraucht
der Untermieter die Sache anders, als es dem Mieter gestattet ist,
haftet Letzterer dafür dem Vermieter (vgl. Art. 262 OR). Somit vermögen
die Bedenken hinsichtlich häufiger Wechsel innerhalb der
Wohngemeinschaft eine Unzumutbarkeit für die Klägerin nicht zu
begründen. Des Weiteren kann Letztere aufgrund der solidarischen Haftung
der Mitbewohner einer Wohngemeinschaft, welche eine einfache
Gesellschaft gemäss Art. 530 ff. OR bilden, den vollen Mietzins von
jedem einzelnen Bewohner einfordern, während sie dies bei der von ihr
erwähnten Formen lediglich von zwei Personen könnte. Insofern wäre sie
mit der vorgeschlagenen Dreierwohngemeinschaft erheblich besser gestellt
gewesen. Sodann dürfte in der Praxis häufig ohnehin nicht eruierbar
sein, wer einen Schaden am Mietobjekt verursacht hat. Auch diesfalls
haften aber die im Vertrag eingetragenen Mieter solidarisch, weshalb die
Vermieterin somit mit der vorgeschlagenen Wohngemeinschaft nicht bloss
hinsichtlich der Bezahlung des Mietzinses, sondern auch bei den
Schadenersatzansprüchen privilegiert gewesen wäre. Schliesslich sind
keine objektiven Gründe ersichtlich, weshalb die drei Interessenten
nicht in der fraglichen 4½–Zimmerwohnung hätten leben können. Im
Ergebnis ist folglich festzuhalten, dass die von den Beklagten als
Nachmieter vorgeschlagene Wohngemeinschaft für die Vermieterin zumutbar
gewesen wäre. Selbst wenn die Klägerin ihre abschlägige Haltung
begründet hätte, müsste sie demnach die Mietzinse für die drei Monate
selbst tragen.
5. Anlässlich der Hauptverhandlung führte die Klägerin des Weiteren
aus, die Kosten für die Inserate in Höhe von Fr. 685.40 gingen zu Lasten
der Beklagten, was sich aus Ziff. 9 des Mietvertrages ergäbe. Diese
seien in jedem Fall geschuldet, unabhängig davon, wie die Frage, welche
Partei für den Mietzinsausfall einzustehen hat, beantwortet werde. Zudem
hätten die Beklagten in ihrem Kündigungsschreiben vom 16. Februar 2011
die Klägerin ausdrücklich um Mithilfe bei der Suche nach Nachmietern
ersucht und in einem E-Mail vom 8. März 2011 deren Anzeigenvorschlag mit
Preisangabe als gut befunden.
Nach der Lehre ist Art. 264 OR relativ
zwingendes Recht. Die Parteien dürfen die vorzeitige Rückgabe der
Mieträume nicht schwieriger gestalten, als das Gesetz es vorsieht. Dem
Mieter dürfen keine zusätzlichen Zahlungspflichten auferlegt werden,
welche über das in Art. 264 Abs. 2 und 3 OR Vorgesehene hinausgehen. Die
von zahlreichen Liegenschaftsverwaltungen verlangten Unkostenbeiträge
bei vorzeitiger Kündigung widersprechen dem relativ zwingenden Charakter
von Art. 264 OR (vgl. Mietrechtspraxis, 3/06 S. 206 ff. mit Hinweis auf
LACHAT, Le bail à loyer, Lausanne 1997, S. 455).
Gemäss der
vorgenannten Vertragsbestimmung sind die mit vorzeitiger
Wiedervermietung verbundenen Insertionskosten sowie sämtliche weiteren
Kosten, insbesondere solche für die Prüfung der Nachmieter, vom
vorzeitig ausziehenden Mieter zu übernehmen. Diese Bestimmung haben die
Beklagten mit Unterzeichnung des Mietvertrages akzeptiert. Im Lichte der
vorstehenden Lehre und Rechtsprechung erweist sich die fragliche
Klausel allerdings als nichtig. Sie entfaltet demnach keine
Rechtswirkung. Folglich sind sämtliche Kosten im Zusammenhang mit der
Suche nach einem Nachmieter von der Klägerin selbst zu tragen.
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