Wiederherstellung des vertragsgemässen Zustands – Schadenersatz
Base légale
- Art. 260a al. 2 CO
- Art. 267 al. 1 CO
Nom du tribunal
Urteil des Obergerichtes des Kantons Luzern
Date
11.12.2012
Résumé
Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Pflicht zur Wiederherstellung des vertragsgemässen Zustands nach Artikel 260a Absatz 2 OR und den Pflichten des Mieters bei der Rückgabe der Mietsache gemäss Artikel 267 Absatz 1 OR. Eine Sache ist in derjenigen Gestalt zurückzugeben, welche sie beim Antritt der Miete bzw. vor der Erneuerung/Änderung besass und in dem Zustand, welcher gestützt auf einen vertragsgemässen Gebrauch im Zeitpunkt der Rückgabe zu erwarten gewesen wäre. Eine Schadenersatzpflicht des Mieters wurde bejaht. Die Voraussetzungen der Mieterhaftung sind mit Ausnahme des Verschuldens durch den Vermieter zu beweisen.
Exposé des faits
Der Beklagte mietete in einem Büro- und Gewerbehaus zwei
4½–Zimmer-wohnungen und einen Gewerberaum im ersten Obergeschoss und
zwei Haushaltkeller sowie vier Hallen- und drei Aussenparkplätze. Der
schriftliche Mietvertrag wurde von den Parteien am 19. Juni 1998
unterzeichnet. Entsprechend dem Mietvertrag konnte der Beklagte die
Räumlichkeiten als Geschäftsdomizil nutzen. Als Mietbeginn vereinbarten
die Parteien den 1. Februar 1998 und als Ende des Mietverhältnisses den
31. Januar 2003. Das tatsächliche Mietverhältnis begann bereits vor dem
Jahr 1998. In einem zusätzlichen Mietvertrag vom 25. Februar 2002 trafen
die Parteien die Vereinbarung, das Mietverhältnis bis zum 31. Januar
2008 zu verlängern. Der monatliche Mietzins sollte Fr. 7280.– zuzüglich
Fr. 1050.– Akontozahlung Nebenkosten betragen. Unter Verwendung des
amtlichen Formulars kündigte der Kläger das Mietverhältnis am 17. März
2005 auf den 31. März 2008. Das Mietverhältnis wurde vorzeitig beendet,
wobei zwischen den Parteien hinsichtlich der Modalitäten und der
Rechtsfolgen der vorzeitigen Beendigung unterschiedliche Ansichten
vorherrschten. Am 5. September 2006 ordnete der Amtsgerichtspräsident
auf ein Begehren des Klägers hin eine amtliche Wohnungsabnahme an,
welche am 31. Oktober 2006 erfolgt ist.
Mit Klage vom 14. Dezember
2007 beantragte der Kläger beim zuständigen Bezirksgericht den Beklagten
zu verpflichten, Fr. 143 548.20 nebst 5% Zins seit 1. Oktober 2006 zu
bezahlen. Ein weiterer Antrag lautete auf Erteilung der definitiven
Rechtsöffnung für den erwähnten Betrag in der Betreibung Nr. … Mit der
Klageantwort vom 1. April 2008 beantragte der Beklagte die Abweisung der
Klage. Am 30. November 2009 beantragte der Kläger in einer Zusatzklage
die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung von Fr. 1471.50 nebst 5%
Zins seit dem 30. Juli 2007. In der Klageantwort vom 11. Januar 2010
beantragte der Beklagte die Abweisung der Klage. Es erfolgte eine
Integration der Zusatzklage in den Hauptprozess mit dem Einverständnis
der beiden Parteien.
Das Bezirksgericht verpflichtete den Beklagten
mit Urteil vom 30. Januar 2012 zur Bezahlung von Fr. 72 972.10 nebst
Zins zu 5% seit 1. November 2006 an den Kläger. Im entsprechenden Umfang
wurde der Rechtsvorschlag in der Betreibung Nr. … aufgehoben. Weiter
gehende Begehren wies das Bezirksgericht ab.
Der Kläger reichte
gegen das Urteil des Bezirksgerichts am 5. März 2012 Berufung ein. Er
beantragte u. a. die Verpflichtung des Beklagten zur Bezahlung von Fr.
139 878.– nebst Zins zu 5% vom Betrag von Fr. 138 406.50 seit dem 1.
November 2006 und vom Betrag von Fr. 1471.50 seit dem 30. Juli 2007. In
den Betreibungen gegen den Berufungsbeklagten sei dem Kläger über die
erwähnten Beträge die definitive Rechtsöffnung zu erteilen. Am 12. März
2012 reichte der Beklagte eine Berufung ein, in welcher er die Aufhebung
des erstinstanzlichen Urteils und die Abweisung der Forderungsklage
beantragte. Beide Parteien beantragten in ihren Berufungsantworten vom
16. April 2012 bzw. vom 30. April 2012 die Abweisung der Berufung der
Gegenpartei.
Considérations
5.3. Zu unterscheiden ist zwischen zwei Möglichkeiten der vorzeitigen
Beendigung eines Mietverhältnisses. Die vorzeitige Rückgabe der
Mietsache, d. h. eine Rückgabe vor dem ordentlichen Ablauf der
Mietdauer, ist dem Mieter grundsätzlich gestattet. Sie begründet eine
Obliegenheit des Vermieters, die Mietsache zurückzunehmen. Die
vorzeitige Rückgabe befreit den Mieter allerdings grundsätzlich nicht
von der Zahlung des Mietzinses bis zum ordentlichen Ablauf des
Mietverhältnisses, ausser er stelle einen tauglichen Ersatzmieter (Art.
264 OR; LACHAT/SPIRIG, Das Mietrecht für die Praxis, 8. A., S. 583 ff.
N. 28/6; HIGI, ZK, Zürich 1994, Art. 267 OR N. 66 f.; WEBER, BSK OR I,
5. A., Art. 26 OR N. 3a). Davon zu unterscheiden ist eine vorzeitige
Auflösung des Mietverhältnisses. Ein Mietverhältnis kann durch einen
Aufhebungs- oder Abänderungsvertrag auf einen bestimmten Zeitpunkt
aufgelöst werden, mit der Wirkung, dass ab diesem Zeitpunkt alle
(zukünftigen) mietvertraglichen Leistungspflichten erlöschen. Ein
Ersatzmieter ist nicht zu stellen. Voraussetzung für einen Aufhebungs-
oder Abänderungsvertrag ist der Austausch übereinstimmender
gegenseitiger Willenserklärungen (HIGI, a.a.O., Vorbemerkungen zu Art.
266-266o OR N. 12 f. und 17-19; LACHAT/THANEI, a.a.O., S. 497 f. N. 24;
SVIT-Komm., Das Schweizerische Mietrecht, 3. A., Vorbemerkungen zu Art.
266-266o OR N. 16; ausführlich zum Aufhebungsvertrag GONZENBACH, BSK OR
I, 5. A., Art. 115 OR N. 2, 4 ff., 10 und 12).
…
6.2. Die Pflicht
zur Wiederherstellung des vertragsgemässen Zustands nach Art. 260a Abs. 2
OR steht in einem direkten Zusammenhang mit den Pflichten des Mieters
bei der Rückgabe der Mietsache gemäss Art. 267 Abs. 1 OR. Der Zeitpunkt
der Rückgabe definiert zusätzlich, was unter dem Zustand zu verstehen
ist, den der Mieter wiederherzustellen hat: Die Sache ist nicht
neuwertig, sondern in der Gestalt zurückzugeben, die sie beim
Mietantritt bzw. vor der Erneuerung/Änderung besass, und in dem Zustand,
der beim vertragsgemässen Gebrauch im Rückgabezeitpunkt zu erwarten
gewesen wäre (HIGI, a.a.O., Art. 260a OR N. 35; vgl. auch SVIT-Komm.,
a.a.O., Art. 260-260a OR N. 66 und 71 ff.).
Als Schadenersatz hat der
Mieter dem Vermieter die wirtschaftlichen Einbussen zu ersetzen, die
dieser durch die Abweichung der zurückgegebenen Sache vom
ordnungsgemässen Zustand i.S.v. Art. 267 Abs. 1 OR erlitten hat. In
erster Linie sind die Kosten der Wiederherstellung des ordnungsgemässen
Zustands zu ersetzen, d.h. – neben den (Rückbau-) Kosten für das
Entfernen der Mieterbauten – die Reparaturkosten, und zwar im vollen
Umfang; ein aus reinen Reparaturarbeiten allenfalls resultierender
„Mehrwert“ ist zu vernachlässigen. Ist eine Reparatur nicht möglich, so
sind an Stelle der Reparatur- bzw. Wiederherstellungskosten die Kosten
eines Ersatzes der Sache oder des Sachteils zu ersetzen. Bei solchen
Ersatzanschaffungen bildet der Zustandswert der Sache die obere Grenze
der Haftung. Er ist abhängig von Alter und normaler Lebensdauer; zur
Berechnung ist praxisgemäss eine Orientierung an den auf
Erfahrungswerten beruhenden, paritätischen Lebensdauertabellen der
Mieterverbände und der Verbände der Immobilienwirtschaft zulässig, wobei
je nach Qualität der fraglichen Einrichtung und Zweckbestimmung der
Mietsache Korrekturen nach oben oder unten vorzunehmen sind. Verursacht
eine Reparatur so hohe Kosten, dass sie in keinem vernünftigen
Verhältnis zu den Kosten einer Neu- bzw. Ersatzanschaffung stehen oder
diese sogar übersteigen, hat der Mieter die Kosten der Neu- bzw.
Ersatzanschaffung (unter Berücksichtigung des Zustandswerts) zu
ersetzen. Stets vollen Ersatz zu leisten hat der Mieter für die Behebung
von kleineren Mängeln im Sinne von Art. 259 OR (HIGI, a.a.O., Art. 267
OR N. 101-112; WEBER, a.a.O., Art. 267 OR N. 4 f.; LACHAT/ZAHRADNIK,
a.a.O., S. 677 ff. N. 31/5.4 f; SVIT-Komm., a.a.O., Art. 267-267a OR N.
12 und N. 21 ff.).
6.3. Die Beweislast für den Schaden, den der
Vermieter aus der nicht ordnungsgemässen Rückgabe einer Mietsache
erlitten hat, richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen (Art. 8
ZGB). Damit ist der Vermieter für sämtliche Voraussetzungen der
Mieterhaftung mit Ausnahme des Verschuldens des Mieters beweisbelastet.
Nachzuweisen sind der Bestand und der konkrete, ziffernmässige Umfang
des Schadens (Art. 97 i.V.m. Art. 42 Abs. 1 OR; WEBER, a.a.O., Art. 267
OR N. 5; LACHAT/ZAHRADNIK, a.a.O., S. 680 f. N. 31/5.7; SVIT-Komm.,
a.a.O., Art. 267-267a OR N. 30; HIGI, a.a.O., Art. 267 OR N. 119).
…
8.4.
Den Zeitpunkt, ab dem ein Schaden in Form von Mietzinsausfall geltend
gemacht werden kann, hat die Vorinstanz zutreffend auf den 1. November
2006 festgelegt. Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, ergibt sich aus
den sich in den Akten befindlichen Rechnungen, das die
Wiederherstellungsarbeiten mindestens bis Ende Januar 2007 gedauert
haben. Dass die Räumlichkeiten während der Dauer dieser
Wiederherstellungsarbeiten, zu deren erheblichem Umfang auf Gesagtes
verwiesen werden kann, nicht vermietet werden konnten bzw. ein allfällig
bereits zuvor betreffend Gewerberaum abgeschlossener Mietvertrag mit
einem anderen Mieter nicht eingehalten werden konnte, wie dies der
Kläger bereits vor der Vorinstanz geltend machte, ist offensichtlich und
bedarf keiner weiteren Beweise. Die Zusprechung eines Schadenersatzes
davon abhängig zu machen, ob der Kläger für diese Zeit tatsächlich einen
neuen Mieter für das ganze Mietobjekt gehabt hätte, geht unter diesen
Umständen an der Sache vorbei. Abgesehen davon hat der Beklagte vor der
Vorinstanz auch nicht Derartiges geltend gemacht. Seine Vorbringen, der
Kläger hätte das Mietobjekt nach zehnjähriger Mietdauer ohnehin
überholen lassen müssen, sind nach dem oben zur Sach- und Rechtslage
Gesagten (E. 8.3) nicht stichhaltig.
Die Forderung des Klägers für
den Mietzinsausfall für drei Monate ist gutzuheissen. Masslich blieb die
Höhe des vom Kläger geltend gemachten Mietzinsausfalls von Fr. 24 990.–
(3 x Fr. 8330.–) sowohl vor der Vorinstanz als auch im
Berufungsverfahren unbestritten, weshalb sich diesbezüglich Weiterungen
erübrigen und dieser Betrag zuzusprechen ist.
Décision
53/2 - Wiederherstellung des vertragsgemässen Zustands – Schadenersatz