Obergericht Luzern
12.12.2011
Artikel 264 OR räumt den Mietenden ein unentziehbares Recht zur frühzeitigen Rückgabe des Mietobjektes ein. Auch wenn kein Ersatzmieter vorgeschlagen wird, kann der Vermieter die vorzeitige Rückgabe nicht verweigern. Dies hat zur Folge, dass eine allfällige Mängelrüge sofort im Anschluss an diese tatsächliche Rückgabe zu erfolgen hat, andernfalls wird sie als verspätet erachtet.
Mit Mietvertrag vom 18. Oktober 2003
vermietete der Kläger den Beklagten ab 1. November 2003 ein
freistehendes Einfamilienhaus. Mit Schreiben vom 28. September 2006
kündigten die Beklagten den Mietvertrag auf den 31. März 2007. Nachdem
sie dem Kläger mit Schreiben vom 27. Dezember 2006 mitgeteilt hatten,
dass das Mietobjekt bis Ende Dezember 2006 abgegeben werden könne,
stellten sie ihm mit Einschreibebrief vom 4. Januar 2007 einen zum
Mietobjekt gehörenden Hausschlüssel „zu unserer Entlastung“ zu.
Mit
Schreiben vom 23. März 2007 gab der Kläger den Beklagten bekannt, die
Übergabe des Mietobjekts sei für den 2. April 2007, 14.00 Uhr,
terminiert. Bei der Abnahme des Mietobjekts vom 2. April 2007 waren die
Beklagten weder anwesend noch vertreten. Mit Einschreibebrief vom 7.
April 2007 machte der Kläger Schadenersatz für verschiedene Mängel
geltend.
Mit Urteil vom 2. November 2010 wies des Bezirksgericht die
Klage ab. Es kam zum Schluss, die Beklagten hätten das Mietobjekt mit
der am 4. Januar 2007 erfolgten Rücksendung des Hausschlüssels vorzeitig
zurückgegeben. Deshalb sei die Beanstandung der von ihnen angeblich zu
verantwortenden Mängel mittels Einschreibebrief vom 7. April 2007
verspätet erfolgt und der allfällige Anspruch des Klägers auf
Schadenersatz somit verwirkt.
Der Kläger reichte am 4. Februar 2011
Berufung ein. Streitig ist einerseits die Frage, ob die Beklagten
berechtigt waren, das Mietobjekt schon vor dem Kündigungstermin vom 31.
März 2007 frühzeitig zurückzugeben, und ob der Kläger auch verpflichtet
war, das Mietobjekt bereits zu einem früheren Zeitpunkt als dem
Kündigungstermin zurückzunehmen.
3.1 Gemäss Art. 264 Abs. 1 OR ist der Mieter, der das Mietobjekt zurückgibt, ohne Kündigungsfrist oder –termin einzuhalten, von seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter nur befreit, wenn er einen für den Vermieter zumutbaren neuen Mieter vorschlägt ; dieser muss zahlungsfähig und bereit sein, den Mietvertrag zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen. Demnach fordert Art. 264 Abs. 1 OR für die Befreiung des Mieters aus seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter als erstes die vorzeitige Rückgabe des Mietobjekts (Higi, Zürcher Komm., Art 264 OR N 21). Falls dann aber die weiteren von Art. 264 Abs. 1 OR für die Befreiung des Mieters aus seinen Verpflichtungen gegenüber dem Vermieter bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt sind, d.h. der Mieter dem Vermieter keinen zumutbaren und solventen Ersatzmieter vorschlägt, der bereit ist, das bestehende Mietverhältnis zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen, kommen Art. 264 Abs. 2 und 3 OR zur Anwendung (Higi, a.a.O., Art. 264 OR N 68). Nach diesen Vorschriften gilt für den Fall, dass der Mieter das Mietobjekt frühzeitig zurückgibt, dem Vermieter aber keinen bzw. zumutbaren Ersatzmieter vorschlägt, er den Mietzins noch bis zum nächsten vertraglichen Kündigungstermin zu entrichten hat und sich der Vermieter Einsparungen sowie die anderweitige Verwendung des Mietobjektes anrechnen lassen muss (SVIT-Komm. Mietrecht, 3. Aufl., Art. 264 OR N 21 und N 25 ff.). Demgegenüber legen diese Bestimmungen aber nicht fest, dass die vorzeitige Rückgabe des Mietobjekts dann nicht mehr in Frage kommt, wenn der Mieter dem Vermieter keinen zumutbaren Ersatzmieter angibt oder wenn der Vermieter den vom Mieter bezeichneten Ersatzmieter berechtigterweise ablehnt. Folgerichtig halten Lehre und Rechtsprechung dafür, entsprechend seiner gesetzlichen Konzeption räume Art. 264 OR dem Mieter ein unentziehbares Recht zur frühzeitigen Rückgabe des Mietobjekts ein (MietRecht Aktuell [MRA] 2005 S. 67 mit Hinweisen ; s. auch: SVIT-Komm. Mietrecht, a.a.O., Art. 264 OR N 3). Mithin kann der Vermieter die vorzeitige Rückgabe des Mietobjekts also nicht verweigern. Die frühzeitige Rückgabe begründet nämlich die Obliegenheit des Vermieters, das Mietobjekt zurückzunehmen (Lachat/Zahradnik, Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl., Kap. 31 Rz 2.5 und FN 8 ; Weber, Basler Komm., Art. 264 OR N 8 mit Hinweisen ; a.M. Basil Huber, Die vorzeitige Rückgabe der Mietwohnung, Diss. St. Gallen 1999, Rz 271 ff. mit Hinweisen). Diese Rücknahmeobliegenheit des Vermieters ist denn auch zum einen Voraussetzung für die anderweitige Verwendung der Mietsache, um die sich der Vermieter nach Art. 264 Abs. 3 lit. b. OR kümmern muss (Weber, a.a.O., Art. 264 OR N 8 mit Hinweisen). Zum anderen ergibt sie sich als notwendiges Korrelat aus dem, dem Mieter zustehenden Recht auf vorzeitige Rückgabe des Mietobjekts. Wenn nun der Vermieter in Missachtung dieser Obliegenheit die vorzeitige Rücknahme des Mietobjekts verweigert, so treten die gleichen Wirkungen ein, wie wenn er die Mietsache angenommen hätte (Higi, a.a.O., Art. 267 OR N 68).
3.2 Mit Schreiben vom 27. Dezember 2006 haben die Beklagten dem
Kläger mitgeteilt, sie hätten sich mit einer Reinigungsfirma in
Verbindung gesetzt und deshalb könne die Wohnung bis Ende des Monats
abgegeben werden. Sie baten den Kläger auch um Vereinbarung eines
Termins zwecks Rückgabe des Mietobjekts. In der Folge machte der Kläger
den Beklagten dann aber keine Vorschläge für die Rücknahme des
Mietobjekts per Ende Dezember 2006. Er liess die Beklagten mit Schreiben
vom 3. Januar 2007 vielmehr wissen, dass die Wohnungsabgabe an
verschiedenen Daten ab Mitte März 2007 erfolgen könne. Daraufhin haben
die Beklagten dem Kläger mit eingeschriebenem Brief vom 4. Januar 2007
einen Hausschlüssel zu ihrer Entlastung zugestellt und ihm gleichzeitig
mitgeteilt, das Haus sei „blitzblank“ gereinigt und er könne sich in
Bezug auf allfällige (Mieter-)Schäden mit ihrer Haftpflichtversicherung
in Verbindung setzen. Aus dieser Korrespondenz ergibt sich einerseits
die (sinngemässe) Weigerung des Klägers, das Mietobjekt gemäss der
diesbezüglichen Absicht und Mitteilungen der Beklagten bereits vor
Beendigung des Mietverhältnisses, d.h. schon Ende Dezember 2006
zurückzunehmen. Damit ist der Kläger der ihn treffenden Obliegenheit zur
(auch) vorzeitigen Rücknahme der Mietsache nicht nachgekommen, was zur
Konsequenz hat, dass die gleichen Wirkungen eintreten, wie wenn die
Rückgabe des Mietobjekts erfolgt wäre (Higi, a.a.O., Art. 267 OR N 68).
Andererseits ergibt sich aus dieser Korrespondenz der klare Wille der
Beklagten zur Rückgabe des Mietobjektes. Diesen Willen haben die
Beklagten denn auch nicht nur schriftlich zum Ausdruck gebracht. Sie
haben ihn durch ihr Handeln überdies klar manifestiert. Das Reinigen und
Räumen des Mietobjektes und die Rückgabe der zur Mietsache gehörenden
Schlüssel gilt nämlich nach Lehre und Rechtsprechung als vorzeitige
Rückgabe des Mietobjekts durch konkludentes Verhalten (Lachat/Spirig,
Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl., Kap. 28 Rz 6.2.4 f. mit Hinweisen ;
SVIT-Komm. Mietrecht, a.a.O., Art. 264 OR N 17). Wenn (wegen des
Verhaltens des Klägers) nicht schon Ende Dezember 2006 die Rückgabe des
Mietobjekts erfolgte, dann spätestens mit dem Empfang des mit Schreiben
vom 4. Januar 2007 zugestellten Wohnungsschlüssel, d.h. am 8. Januar
2007.
…
4.1 Art. 267 a Abs. 1 OR bestimmt, dass der Vermieter den
Zustand der Mietsache bei der Rückgabe zu prüfen und Mängel, für die der
Mieter einzustehen hat, diesem sofort zu melden hat. Zum einen muss der
Vermieter das Mietobjekt also in dem Zeitpunkt prüfen, in dem es
tatsächlich zurückgegeben wird, oder unmittelbar im Anschluss daran.
Unmassgebend ist, ob die Rückgabe der Mietsache vorzeitig oder verspätet
erfolgt. Nicht massgebend ist ebenfalls der Zeitpunkt, in dem das
Mietverhältnis zu beenden und die Mietsache ordnungsgemäss zurückzugeben
ist bzw. wäre (Higi, a.a.O., Art. 267a OR N 14 mit Hinweisen). Zum
andern hat der Vermieter die allfälligen Mängel, die er bei dieser
Prüfung erkennt, gegenüber dem Mieter entweder anlässlich der Rücknahme
der Mietsache oder anschliessend daran umgehend zu rügen (Higi, a.a.O.,
Art. 267a OR N 33). Versäumt der Vermieter eine entsprechende sofortige
Mängelrüge, so verliert er seine Ansprüche gegenüber dem Mieter, soweit
es sich nicht um Mängel handelt, die bei übungsgemässer Untersuchung
nicht erkennbar waren (Art. 267a Abs. 2 OR).
In E. 3.1 und 3.2 wurde
aufgezeigt, dass der Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe des
Mietobjekts spätestens auf den 8. Januar 2007 festzulegen ist. Deshalb
und weil die Verpflichtung des Vermieters auf Prüfung der Mietsache nach
Art. 267a Abs. 1 OR vom Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe des
Mietobjekts und nicht davon abhängt, ob die Rückgabe vorzeitig oder
verspätet ist oder an dem Termin erfolgt, auf den das Mietverhältnis
beendet wird und die Mietsache ordnungsgemäss zurückzugeben wäre (Higi,
a.a.O., Art. 267a OR N 14 mit Hinweisen), hätte der Kläger allfällige
Mängel sofort im Anschluss an diese tatsächliche Rückgabe geltend machen
müssen. Die kurze Rügefrist von Art. 267a Abs. 2 OR beginnt nämlich
auch dann zu laufen, wenn der Vermieter seiner Obliegenheit zur
vorzeitigen Rücknahme der Mietsache pflichtwidrig nicht nachkommt
(Weber, a.a.O., Art. 267a OR N 3 mit Hinweis).
Der Kläger hat die
Mängel gegenüber den Beklagten mit Schreiben vom 7. April 2007
reklamiert. Mithin erfolgte die Mängelrüge des Klägers also nicht
umgehend nach der tatsächlichen Rückgabe des Mietobjekts am 8. Januar
2007, sondern mit einer zeitlichen Verzögerung von rund drei Monaten.
Eine so lange hinausgeschobene Mängelrüge ist nun aber als (klar)
verspätet zu qualifizieren (Higi, a.a.O., Art. 267a OR N 33 ;
Lachat/Zahradink, a.a.O., Kap. 31 Rz 4.1), was nach Art. 267a OR dazu
führt, dass der Kläger seiner Mängelansprüche gegenüber den Beklagten
verlustig geworden ist.