Kantonsgericht St.Gallen
27.07.2006
Ein im Zusammenhang mit einer Kündigung abgeschlossener Vergleich kann zwar wegen Grundlagenirrtums angefochten werden. Die Anfechtung ist jedoch nicht gerechtfertigt, nur weil sich Punkte, die zur Zeit des Vergleichsabschlusses als ungewiss betrachtet wurden, im nachhinein geklärt haben und sich erweist, dass eine Partei aufgrund einer falschen Risikokalkulation in den Vergleich eingewilligt hat.
2. Ist ein Entscheid aufgrund eines Vergleichs ergangen und bereits
in Rechtskraft erwachsen, kann auf dem Wege der Revision geltend gemacht
werden, dass er auf einer privatrechtlich unwirksamen Erklärung beruht
(vgl. Art. 247 lit. d i.V.m. 246 Abs. 1 ZPO). Die Voraussetzungen der
Revision hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sie verlangt
(vgl. LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, Kommentar zur Zivilprozessordnung des
Kantons St. Gallen, Bern 1999, N 1a zu Art. 249 ZPO).
Die
privatrechtliche Unwirksamkeit eines Vergleichs kann namentlich auf
Willensmängel zurückzuführen sein (vgl. auch LEUENBERGER/UFFER-TOBLER,
a.a.O., N 7a zu Art. 247 lit. d ZPO). Hauptanwendungsfall bildet der
Grundlagenirrtum. Ein solcher liegt vor, wenn beide Parteien irrtümlich
einen Sachverhalt als gegeben betrachtet haben oder wenn sich eine
Partei mit Wissen der anderen über den Sachverhalt geirrt hat.
Ausgeschlossen ist die Anfechtung allerdings, wenn sich Punkte, die zur
Zeit des Vergleichsabschlusses als ungewiss betrachtet wurden, im
nachhinein geklärt haben. Die Parteien haben sich nämlich gerade im
Hinblick auf die Ungewissheit von solchen Punkten im Vergleich geeinigt;
diese Punkte können daher nicht Gegenstand eines Grundlagenirrtums sein
(LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, a.a.O., N 7b zu Art. 247 ZPO;
FRANK/STRÄULI/MESSMER, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung,
3. Aufl., Zürich 1997, N 11 zu § 293 ZH-ZPO; vgl. auch BGE 117 II 218
ff., 223; 114Ib 74 ff., 79). Als unbeachtlich gilt auch ein Irrtum über
das Vorhandensein von Beweismitteln (vgl. FRANK/STRÄULI/MESSMER, a.a.O.,
N 11 zu § 293 ZH-ZPO; SCHMIDLIN, Berner Kommentar zum
Obligationenrecht, Art. 23-31 OR, Bern 1995, N 362 zu Art. 23/24 OR,
m.w.H.; MEIER-HAYOZ, Berufung auf Irrtum beim Vergleich, SJZ 1953 [49.
Jahrgang], 117 ff. 119).
3. Vorliegend macht der Gesuchsteller sinngemäss geltend, dass er
sich – namentlich unter Eindruck der von der Gesuchsgegnerin vorgelegten
Rapporte – darüber geirrt habe, dass die Zeugin X. die Darstellung der
Gesuchsgegnerin, wonach wichtige Gründe für eine Kündigung ausserhalb
der Sperrfrist vorgelegen hätten, bestätigen würde. Hierbei handelt es
sich jedoch – entgegen der Ansicht des Gesuchstellers – nicht um einen
im Revisionsverfahren beachtlichen Irrtum:
Die Ungewissheit, welche
mit dem Vergleichsabschluss beseitigt wurde, bestand für die Parteien
darin, ob es der Gesuchsgegnerin gelingen würde, die eine Kündigung
innerhalb der Sperrfrist rechtfertigenden wichtigen Gründe nachzuweisen.
Ob solche existierten, vermochte vorliegend einzig der Gesuchsteller
abzuschätzen. Dieser musste wissen, ob die von der Gesuchsgegnerin auf
Grundlage der eingereichten Rapporte erhobenen Vorwürfe der Wahrheit
entsprachen oder nicht. Nachdem der Gesuchsteller in den Vergleich
einwilligte, obwohl er die ihm gemachten Vorhaltungen schon damals
weitgehend von sich wies und bezweifelte, dass die Äusserungen in den
Rapporten „ von der Hand von X. stammen und dass sie auch deren
Behauptungen beihalten“ kann er darauf heute nicht mehr zurückkommen.
Eine solche Anfechtung zuzulassen, widerspräche den oben ausgeführten
Grundsätzen: Dass die Parteien durch Zugeständnisse und gegenseitiges
Nachgeben zu einer Neuordnung ihres Rechtsverhältnisses gelangen, bei
welcher sie auf eine umfassende Überprüfung der rechtlichen oder
tatsächlichen Verhältnisse verzichten, liegt gerade in der
ungewissheits- und streiterledigenden Funktion des Vergleichs (vgl.
RUST, Die Revision im Zürcher Zivilprozess, Zürich 1981, 139 f.;
MEIER-HAYOZ, a.a.O., 118). Jedem Vergleichsabschluss geht somit eine
Kalkulation verschiedener Risikofaktoren voraus, welche jede Partei nur
individuell und gestützt auf die ihr zu diesem Zeitpunkt vorliegenden
Informationen vornehmen kann. Diese Risikoeinschätzungen, welche der
Gesuchsteller gestützt auf seine Kenntnisse, dass sich die Vorfälle
entsprechend den ihm gemachten Vorhaltungen abgespielt hatten oder
nicht, vornahm, und bei welcher er den mutmasslichen Inhalt der
Zeugenaussage von X. und deren mutmassliche Würdigung durch das Gericht
berücksichtigten musste, kann vorliegend, auch wenn sie sich –
entsprechend den Behauptungen des Gesuchstellers – nachträglich als
falsch erweisen sollte, nicht mehr korrigiert werden. Dies gilt umso
mehr, als es im umgekehrten – für den Gesuchsteller nachteiligen – Fall
auch der Gesuchsgegnerin verwehrt wäre, gestützt auf Erkenntnisse,
wonach die wichtigen Gründe für eine Kündigung vor Ablauf der Sperrfrist
mit Sicherheit vorgelegen haben, auf den Vergleich und damit auf ihre
damalige Risikoeinschätzung zurückzukommen.
4. Dem Gesuchsteller hilft sodann auch nicht, dass er sich auf
Täuschung beruft: Der Gesuchsteller wusste, ob die in den Rapporten
festgehaltenen Vorwürfe der Wahrheit entsprachen oder nicht, so dass er
darüber nicht in Irrtum versetzt werden konnte. Eine Täuschung könnte
somit höchstens darin gelegen haben, dass er aufgrund der
(Behauptungsweise verfälschten) Rapporte annahm, dass die Zeugin die
darin festgehaltenen Vorwürfe auch dem Gericht gegenüber bestätigen
würde, und dass er insoweit eine falsche Risikokalkulation vornahm,
aufgrund welcher er fälschlicherweise in den Vergleich einwilligte.
Schon
oben wurde indessen darauf hingewiesen, dass die Risikoeinschätzung,
die eine Partei im Hinblick auf einen Vergleichsabschluss vornimmt,
individueller Natur ist. Auch wenn vorliegend tendenziell zugetroffen
haben mag, dass sich der Gesuchsteller durch die Rapporte in seiner
Einschätzung bestärkt sah, wonach der Gesuchsgegnerin der Beweis
wichtiger Gründe für die Kündigung innerhalb der Sperrfrist gelingen
könnte, bestand darüber letztlich keine Gewissheit. Weder konnte der
Gesuchsteller mit Sicherheit annehmen, dass X. die rapportierten
Vorfälle dem Richter gegenüber bestätigen würde, noch abschätzen, welche
Bedeutung der Richter einer entsprechenden Aussage zumessen würde.
Insofern lag keine eigentliche Täuschung vor. Soweit der Gesuchsteller
schliesslich einen eigentlichen Prozessbetrug durch die Gesuchsgegnerin
geltend machen will, ist ihm entgegen zu halten, dass er schon in seiner
Klageantwort den Vorwurf erhob, dass die auf Grundlage der Rapporte
erhobenen Behauptungen der Gesuchsgegnerin nicht zutreffen bzw. die
Rapporte nicht von X. stammen. Damit kann er – immer vorausgesetzt, dass
diese (schwerwiegenden) Vorwürfe zuträfen – aber auch diesbezüglich
keiner Täuschung unterlegen sein. Gestützt auf diese Erkenntnis wäre es
dem Gesuchsteller vielmehr offen gestanden, gerade nicht in den
Vergleich einzuwilligen und stattdessen einen ordentlichen Prozess zu
durchlaufen, in welchem sich der Richter mit den Vorwürfen der Parteien
abschliessend hätte auseinandersetzen müssen. Nachdem der Gesuchsteller
dies nicht getan hat, kann er auf diesen Entscheid nicht nachträglich
zurückkommen, weshalb sich eine Anfechtung auch unter diesem
Gesichtspunkt nicht rechtfertigt.