Unzulässige Unterhaltsvereinbarung
Base légale
Nom du tribunal
Bezirksgericht Schwyz
Date
28.01.2009
Résumé
Eine Vereinbarung, die den Mietenden zu monatlichen Zahlungen in einen „Erneuerungsfonds“ verpflichtet, verstösst gegen Artikel 256 Absatz 2 OR, wenn dem Mietenden keine anderweitige Kompensation zugestanden wird. Die Vereinbarung ist nichtig, bereits erbrachte Leistungen können gestützt auf ungerechtfertigte Bereicherung zurückgefordert werden.
Exposé des faits
Am 21. Mai 1998 unterzeichneten der Kläger als Mieter und der Beklagte
als Vermieter einen Mietvertrag über ein Haus in A. Das Mietverhältnis
wurde mit Beginn am 1. Juli 1998 und befristet für die Dauer eines
Jahres abgeschlossen. Der monatliche Nettomietzins wurde auf Fr. 1'500.-
festgelegt. Mit Datum vom 20. / 26. März 1999, 3. April 2000, 3. April
2001, 12. September 2001, 9./ 19. März/ 9. April 2002 und 4./ 27. März
2003 schlossen die Parteien einen neuen Mietvertrag, jeweils über eine
Vertragsdauer von 6 bzw. 12 bzw. 24 Monaten, letztmals bis 1. Juli 2005,
wobei der Nettomietzins per 1. Juli 2000 auf Fr. 1'600.- erhöht wurde.
Nach
Beendigung des Mietverhältnisses kam es zwischen den Parteien zu
Auseinandersetzungen; einerseits wegen angeblich rechtsgrundlos
geleisteter Zahlungen des Klägers an den Beklagten während des
Mietverhältnisses und andererseits wegen behaupteter Mängel am
Mietobjekt bei der Rückgabe.
Nachdem an der Schlichtungsverhandlung
vom 7. November 2007 keine Einigung hatte erzielt werden können gelangte
der Kläger mit Klageschrift vom 6. Dezember 2007 an den Einzelrichter
des Bezirks Schwyz und stellte folgende Rechtsbegehren:
Der Beklage sei zu verpflichten, dem Kläger Fr. 28'000.-, zuzüglich einem Schuldzins von 5 % ab 2. August 2006, zu bezahlen.
Zur
Begründung liess der Kläger geltend machen, dass er regelmässig in
einen sogenannten „Erneuerungsfonds“ einbezahlt habe. Seit Mietantritt
bis Ende Juni 2000 habe er monatlich Zahlungen von Fr. 300.- geleistet;
ab Juli 2000 bis Ende 2004 solche von Fr. 400.-. In den ersten Jahren
des Mietverhältnisses habe der Kläger mehrere Raten nicht in bar
geleistet, sondern seine vermeintliche Verpflichtungen dadurch erfüllt,
dass er auf den Beklagten lautende Rechnungen für Neubauten und
Instandhaltung am und um das Mietobjekt namens und im Auftrag des
Beklagten direkt bezahlt habe. Diese Zahlungen seien von Beginn weg nur
mündlich vereinbart gewesen. Mit den Zahlungen hätten u.a. Küche,
Fussböden, und wurmstichige Holzbalken des Mietobjekts ersetzt werden
sollen. Ausserdem sei damit ein Carport erbaut sowie die Kosten für die
Sanierung der Zubringerstrasse gedeckt worden. Faktisch habe der Kläger
aufgrund der Nebenabrede für den Unterhalt des Mietobjekts aufkommen
müssen. Es handle sich offenkundig um eine vom Gesetzestext abweichende
Regelung zum Nachteil des Mieters, welche zwingendes Recht verletze und
gemäss Art. 256 Abs. 2 OR nichtig sei. Die Zahlungen des Klägers seien
gestützt auf eine nichtige Vereinbarung und somit ohne gültigen Grund
erfolgt. Die vom Beklagten auf diesem Weg erlangte Bereicherung sei
daher ungerechtfertigt. Der Kläger seinerseits habe sich bezüglich
seiner Schuldpflichten in einem Irrtum befunden. Der Beklagte sei
deshalb gemäss Art. 62 und 63 Abs. 1 OR zur Rückerstattung des Betrages
von Fr. 28'000.- an den Kläger zu verpflichten.
In der Klageantwort
liess der Beklagte bestreiten, dass effektive Zahlungen des Klägers in
den von den Parteien so bezeichneten „Erneuerungsfonds“ erfolgt seien.
Es habe sich um nichts anderes als um den Mietzins für die Mitbenützung
eines möblierten Ateliers im Untergeschoss des Hauses gehandelt, welches
nicht Gegenstand des schriftlichen Mietvertrages gewesen sei.
Considérations
c) Vorliegend ist unbestritten, dass sich der Kläger gegenüber dem
Beklagten zu monatlichen Zahlungen von Fr. 300.00 bzw. Fr. 400.00 (ab 1.
Juli 2000) verpflichtet hatte. Der Kläger gab anlässlich der
Parteibefragung zu Protokoll, dass er die Zahlungen mehrheitlich in bar
geleistet habe. Als Web-Designer habe er für den Beklagten u.a. auch
eine Webseite erstellt und somit „in Leistungen“ bezahlt. Darüber hinaus
habe er verschiedene Rechnungen – teilweise lautend auf den Beklagten –
beglichen. Statt Barzahlung habe ihm der Beklagte diese Rechnungen
übergeben und gefragt, ob er diese direkt begleichen würde. Damit sei
ein Teil der Schulden getilgt worden. Der Beklagte bestätigte die
Aussagen des Klägers. Es sei „genauso“ gewesen. Die weiteren Zahlungen
seien direkt oder durch Verrechnungen mit eigenen Aufträgen für Kunden
geleistet worden. Der Kläger habe alle vereinbarten Zahlungen geleistet.
Er sei mit den Zahlungen nie in Rückstand geraten. Unbestritten ist
auch der Verwendungszweck der erbrachten Leistungen. Nach der
übereinstimmenden Sachdarstellung der Parteien hätte das Geld in einen
„Erneuerungsfonds“ fliessen und für den Unterhalt des Mietobjektes bzw.
für wertvermehrende Investitionen verwendet werden sollen. Strittig ist
hingegen der Rechtsgrund der vereinbarten Leistungen. Während der Kläger
von einer (unzulässigen) Unterhaltsvereinbarung ausgeht, behauptet der
Beklagte einen mündlichen Mietvertrag über die Mitbenutzung des Ateliers
im Untergeschoss des Mietobjektes.
d) Gemäss Art. 256 OR ist der
Vermieter verpflichtet, die Sache zum vereinbarten Zeitpunkt in einem
zum vorausgesetztem Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in
demselben zu erhalten (Abs. 1). Abweichende Vereinbarungen zum Nachteil
des Mieters sind nichtig, wenn sie enthalten sind in vorformulierten
allgemeinen Geschäftsbedingungen (Abs. 2 lit. a) oder in Mietverträgen
über Wohn- oder Geschäftsräume (Abs. 2 lit. b). Nach allgemeiner
Auffassung schränkt Abs. 2 dieser Bestimmung die Möglichkeit der
Parteien ein, die Hauptleistungspflicht des Vermieters teilweise oder
gänzlich wegzubedingen oder dem Mieter den Unterhalt der Sache zu
überbinden. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist somit, die
Hauptleistungspflicht des Vermieters im Wesentlichen integral zu
erhalten. Von der gesetzlichen Ordnung abweichende Vereinbarungen fallen
aber nicht stets unter Art. 256 Abs. 2 OR, sondern nur dann, wenn sie
zum Nachteil des Mieters ausfallen, wenn mit anderen Worten das
Gleichgewicht zwischen den vertraglichen Leistungen der Parteien sich
zugunsten des Vermieters verschiebt. Eine Abweichung zum Nachteil des
Mieters liegt regelmässig bloss dann vor, wenn die Vereinbarung eine
Schmälerung der Hauptleistungspflicht des Vermieters zum Inhalt hat,
ohne dass damit eine entsprechende Schmälerung der Mietzinspflicht
einhergeht oder dem Mieter eine anderweitige Kompensation zugunsten des
Gleichgewichts der Leistungen zugestanden wird. Eine zulässige
Abweichung von der gesetzlichen Ordnung liegt deshalb vor, wenn der
Mieter für die vereinbarte Schmälerung der Hauptleistung des Vermieters
voll entschädigt wird. Eine Entschädigung kann dabei etwa in einem
reduzierten Mietzins bestehen. Eine Vereinbarung, welche gegen Art. 256
Abs. 2 OR verstösst, ist nichtig. Es handelt sich um eine Nichtigkeit im
Sinne von Art. 20 OR, welche von Anfang an unwirksam und unheilbar ist,
allgemein wirkt und von Amtes wegen zu beachten ist. Vom Mieter
gestützt auf die nichtige Vereinbarung bereits erbrachte geldwerte
Leistungen können unter den Voraussetzungen von Art. 62 ff. OR als
ungerechtfertigte, rechtsgrundlos erfolgte Leistungen zurückgefordert
werden. (vgl. ZK-Higi, Art. 256 N 58, 66 ff. mit dortigen Verweisen.
f)
Die dem Vermieter aus dem Unterhalt entstehenden Kosten werden mit der
Leistung des Mietzinses grundsätzlich abgegolten. Schafft der Vermieter
durch Unterhalts- bzw. Instandstellungsarbeiten oder Umbauten einen
höheren Gebrauchswert der Sache, so ist er berechtigt, den geschaffenen
Mehrwert durch entsprechende Erhöhung des Mietzinses auf den Mieter
abzuwälzen, soweit Vertrag und / oder Gesetz eine Anpassung des
Mietzinses während der Mietdauer zulassen (ZK-Higi, Art. 256 N 51).
Vorliegend
gehen offenkundig beide Parteien davon aus, dass mit dem monatlichen
Nettomietzins von Fr. 1'500.- bzw. Fr. 1'600.- (ab 1. Juli 2000) die
Hauptleistung des Beklagten, d.h. das Überlassen des Mietobjektes zum
Gebrauch, vollumfänglich entschädigt worden ist. Der Beklagte behauptet
insbesondere nicht, dass der Mietzins tiefer angesetzt worden sei, weil
sich der Kläger darüber hinaus noch an den Unterhaltskosten habe
beteiligen müssen. Ebenso wenig macht er geltend, dass er aufgrund von
wertvermehrenden Investitionen zu einer Erhöhung des Mietzinses
berechtigt gewesen wäre oder er eine Mietzinserhöhung vorgenommen hätte.
Damit ist davon auszugehen, dass es sich beim vereinbarten
Nettomietzins von Fr. 1'500.- bzw. Fr. 1'600.- (ab 1. Juli 2000) um den
marktüblichen Mietzins gehandelt hat, welcher für eine vergleichbare
Sache unter vergleichbaren Vertragskonditionen entrichtet wird. (vgl.
dazu ZK-Higi, Art. 256 N 72). Bei dieser Sachlage würde sich eine
Vereinbarung über weitere Leistungen des Klägers im Rahmen des
mietvertraglichen Leistungsaustausches bzw. zur Abgeltung der
Gebrauchsüberlassung als nichtig erweisen. Diese Rechtsfolge wird vom
Beklagten denn auch ausdrücklich anerkannt (vgl. KA S. 8 f.) Als
Rechtsgrund für die geleisteten Zahlungen gibt er deshalb einen
mündlichen Mietvertrag über die Mitbenützung des Ateliers im
Untergeschoss an.
aa) Gegen die Vereinbarung eines zusätzlichen Mietzinses spricht der schriftliche Mietvertrag zwischen den Parteien.
...
dd)
Aufgrund des Beweisverfahrens ist davon auszugehen, dass auch das
Atelier im Untergeschoss Gegenstand des schriftlichen Mietvertrages und
die Gebrauchsüberlassung mit dem monatlichen Nettomietzins von Fr.
1'500.- bzw. Fr. 1'600.- (ab 1. Juli 2000) abgegolten war. Entsprechend
wurde der Mietgegenstand auch mit den Nachmietern festgelegt. In der
nachfolgenden Auseinandersetzung mit den Nachmietern hat der Beklagte
bezeichnenderweise auch keinen Mietzins für das Atelier geltend gemacht,
sondern auf eigentlichen Zahlungen in den „Erneuerungsfonds“ bestanden.
In der Korrespondenz zwischen den Parteien findet sich sodann auch kein
Hinweis auf offene Mietzinszahlungen. Er werden ausschliesslich
Zahlungen in einen „Erneuerungsfonds“ erwähnt, wobei – entsprechend dem
Verwendungszweck – auf die getätigten bzw. geplanten Investitionen Bezug
genommen wird. Dafür sprechen auch die vereinbarten
Zahlungsmodalitäten. Die nachgeschobene Behauptung eines mündlichen
Mietvertrages lässt sich vor dem Hintergrund der Schlichtungsverhandlung
mit den Nachmietern ohne weiteres erklären. Den Parteien wurde
anlässlich dieser Verhandlung offensichtlich kundgetan, dass eine
Unterhaltsvereinbarung mietrechtlich unzulässig ist. Aus diesem Grund
versucht der Beklagte, die vom Kläger erbrachten Leistungen nunmehr
unter dem Titel eines mündlichen Mietvertrages zu rechtfertigen.
Tatsächlich fehlt es aber an einem gültigen Rechtsgrund für diese
Leistungen. Dass der Kläger dabei – wie auch der Beklagte – einem
Rechtsirrtum unterlegen ist, ist offenkundig und braucht nicht näher
erläutert zu werden.
...
h) Zusammenfassend wird der Beklagte
gestützt auf Art. 62 und 63 Abs. 1 OR verpflichtet, dem Kläger aus
ungerechtfertigter Bereicherung einen Betrag von Fr. 28'800.- nebst Zins
zu 5 % seit 2. August 2006 zu bezahlen.
Décision
45/2 - Unzulässige Unterhaltsvereinbarung