Gerichtspräsident des Bezirksgerichts Liestal
25.08.2009
Artikel 14 VMWG liegt grundsätzlich im Rahmen der Delegation von Artikel 253a Absatz 3 OR. Angemessen ist aufgrund der Arbeiten, des Standards und des Alters der ersetzten Einrichtungen ein Überwälzungssatz von 50%. Nicht zu berücksichtigen sind Analysekosten und Inkonvenienzentschädigungen.
Die Beklagten sind Mieter einer
4.5-Zimmer-Wohnung. Mit Schreiben vom 18. April 2008 hat die Verwalterin
eine Mietvertragsänderung per 1. August 2008 vom bisherigen
Nettomietzins von Fr. 1´407.- auf neu Fr. 1´869.- angezeigt. Als
Begründung wird die Anpassung an den Hypothekarzins von Fr. 42.20, ein
Teuerungsausgleich von Fr. 18.75, die allgemeine Kostensteigerung von
Fr. 19.35 sowie die umfassende Sanierung gemäss beiliegendem Schreiben
von Fr. 382.- aufgeführt, was zu einer Nettomietzinsanpassung von
gerundet Fr. 462.- führt.
Diese Mietzinserhöhung haben die Mieter
mit Schreiben vom 24. April 2008 bei der Schlichtungsstelle für
Mietangelegenheiten als missbräuchlich angefochten. Bei der
Schlichtungsstelle für Mietangelegenheiten kam keine Einigung zustande,
was diese mit Verfügung vom 29. August 2008 festgehalten hat.
Mit Eingabe vom 18. September 2008 hat die Vermieterin Klage beim Bezirksgericht Liestal eingereicht.
Die Klägerin führt im Wesentlichen aus, es sei im Jahr 2007 eine umfassende Überholung gemacht worden.
Die
Beklagten bringen vor, es sei für die Mieter kein Mehrwert geschaffen
worden. Es sei der bisherige normale Standard erhalten worden. Eine
umfassende Überholung liege nicht vor. Die Mieter würden Amortisation,
Sanierung und Annuitäten bezahlen. Es könne nicht sein, dass die Mieter
dreimal für das Gleiche bezahlen müssen. In der Verordnung VMWG handle
es sich nur um eine Vermutung, welche umgestossen werden könne. Im
Weiteren sei fraglich, ob die Verordnung gesetzeskonform sei. In der
Bauabrechnung seien zudem diverse Posten zu streichen, so die eigenen
Leistungen, Inkonvenienzentschädigungen, Entkalkungskosten,
Installationsanpassung und Baumeisterarbeiten.
5. Die Beklagten bestreiten, dass eine umfassende Überholung
vorliege. Umfassende Überholungen liegen vor, wenn gleichzeitig mehrere
wesentliche Teile eines Gebäudes erneuert werden, die umfangmässig den
Rahmen ordentlicher Unterhaltsarbeiten insoweit erheblich übersteigen,
als sie die Lebensdauer der erneuerten Teile verlängern und eine
Anpassung der Liegenschaft an den Stand der Zeit bewirken (P. HIGI, in:
Zürcher Kommentar, N 350 zu Art. 269a OR). Ob eine umfassende Überholung
vorliegt, kann sich auch aus dem Kostenumfang ergeben. So liegt ein
Indiz für eine umfassende Überholung vor, wenn die Kosten, gemessen am
bisherigen gesamthaften Mietertrag einer Liegenschaft ein beträchtliches
Ausmass erreichen (P. HIGI, a.a.o, N 351 zu Art. 269a OR).
Mit der
vorliegenden Sanierung wurden die Küchen, Bäder und separaten WC‘s
komplett erneuert. Weiter wurden die Fenster und die Storen
ausgewechselt und das Wasserleitungsnetz erneuert. Damit liegen
Überholungen an mehreren wesentlichen Teilen des Gebäudes vor, so dass
von einer umfassenden Überholung auszugehen ist. Auch aus dem Umfang der
investierten Kosten, welche rund dem 5.5-fachen der jährlichen
Mieteinnahmen entsprechen, ist auf eine umfassende Überholung zu
schliessen. Das Gericht bejaht gestützt auf diese Ausführungen das
Vorliegen einer umfassenden Überholung.
6. Indem eine umfassende Überholung vorliegt und die wertvermehrenden
Arbeiten nicht konkret bestimmbar sind, ist der Pauschalsatz gemäss
Art. 14 Abs. 1 Satz 2 VMWG anwendbar. Diesbezüglich ist festzuhalten,
dass die bundesrätlichen Vorschriften der Verordnung über die Miete und
Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) in Bezug auf Art. 14 VMWG
grundsätzlich im Rahmen der gesetzlichen Delegation von Art. 253a Abs. 3
OR liegen (vgl. Basler Kommentar, 4. Aufl. Art. 253a/253b OR, N 19
sowie BGE 4C.85/2002, E. 2b). Die Klägerin wendet den Pauschalsatz von
60% an. Die Beklagten wollen einen tieferen Satz anwenden.
Als
Kriterium für die Bestimmung des konkret anzuwendenden Ansatzes ist der
Anteil der rein qualitätsverbessernden Arbeiten an den gesamten
Überholungsarbeiten beizuziehen, wobei der Zustand der Sache vor der
Überholung mitzuberücksichtigen ist. Weitere Kriterien sind die gesamten
Kosten der Überholung sowie der Zeitraum, der seit der Erstellung der
Sache bzw. der letzten umfassenden Überholung verstrichen ist (P. HIGI,
a.a.O., Art. 269a OR, N 385 ff). Der Augenschein hat gezeigt, dass in
Küchen und Bädern grösstenteils der gleiche Standard beibehalten wurde
unter Berücksichtigung der Fortentwicklung seit dem Baujahr. Die
Qualität wurde jedoch insbesondere bei der Küchenabdeckung (neu Granit
statt Kunststoff), beim Tiefkühler (neu separates Abteil mit drei
Schubladen anstatt eines eintürigen Eisfaches) und bei den Fenstern
(besserer k-Wert gemäss Zeugenaussage) verbessert. Ein sehr grosser Teil
der Materialien und Geräte besteht hingegen im blossen Ersatz der
bisherigen Einrichtungen und stellt lediglich eine Modernisierung der
Anlage dar. Weiter gilt es zu berücksichtigen, dass die Küchen und Bäder
bereits 23 Jahre alt waren und damit kurz vor Ablauf der Lebensdauer.
Gestützt auf diese Ausführungen und in Anbetracht, dass die umfassende
Überholung etliche nicht sichtbare Arbeiten beinhaltet (Erneuerung des
Wasserleitungsnetzes, Balkonabdichtungen, Hitzeschutz), scheint der
untere Ansatz von 50% angemessen.
Die Beklagten bringen vor, es
seien die folgenden Positionen der Bauabrechnung vom 18. Dezember 2007
zu streichen, da diese zu Unrecht miteinbezogen worden seien:
Analysekosten Fr. 4'842.-
Eigenleistung Fr. 10'707.45
Baureinigungskosten Fr. 3'674.30
Inkonvenienzentschädigungen Fr. 6815.-
Aufrichtekosten Fr. 166.90
Magnetische Entkalkung Fr. 7'182.-
Analysekosten:
Zu Position Nr. 291 der Bauabrechnung (Analysekosten von Fr. 4'842.-)
hat der Zeuge ausgesagt, es handle sich um eine Zu-standsanalyse. Dabei
sei der Zustand des Hauses analysiert, ein Bericht erstellt und die
Kosten der Sanierung geschätzt worden. Die Vermieterin habe dann
entschieden, ob sie die Sanierung durchführe.
Bei dieser
Zustandsanalyse handelt es sich um die Erarbeitung von
Entscheidungsgrundlagen, welche Vermieter regelmässig durchführen zur
Substanzerhaltung der Vermögenswerte und allfälliger
Rendite-Optimierung. Diese Arbeiten führen nicht zu einem Mehrwert und
sind als reine Verwaltungstätigkeiten zu qualifizieren (BGE 4A_416/2007,
E. 3.2). Die Analysekosten von Fr. 4'842.- sind daher aus der
Bauabrechnung zu streichen.
…
Inkonvenienzentschädigungen: In
Position Nr. 562 ist der Betrag von Fr. 6'8I5.- für
Mieterentschädigungen und Nutzerkosten aufgeführt. Offenbar wurde dieser
Betrag den Mietern für die entstandenen Inkonvenienzen entrichtet.
Solche Inkonvenienzentschädigungen werden gestützt auf Art. 260 Abs. 2
OR in Verbindung mit Art. 259d OR ausbezahlt. Es handelt sich um
Entschädigungen für Störungen, welche dem Mieter im Gebrauch der Sache
entstanden sind. Bei umfassenden Sanierungen wird die Tauglichkeit des
Mietobjektes zum vorausgesetzten Gebrauch zeitweise beeinträchtigt.
Dafür wurde den Mietern eine Inkonvenienzenzschädigung ausbezahlt. Das
Gericht geht mit den Mietern einig, dass es nicht angeht, diese
ausbezahlten Inkonvenienzentschädigungen in die Bauabrechnung
aufzunehmen und indirekt durch die dadurch erfolgten Mietzinserhöhungen
wieder zurück zu erlangen. Die Inkonvenienzentschädigungen müssen
begriffsnotwendig vollumfänglich den Mietern verbleiben und dürfen
keinen Einfluss auf die Berechnung der Mietzinserhöhung haben. Sie sind
daher aus der Baukostenabrechnung zu streichen.
…
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass folgende Positionen aus der Bauabrechnung gestrichen werden:
Zustandsanalyse Fr. 4'842.-
Inkonvenienzentschädigungen Fr. 6'815.-
Aufrichte Fr. 166.50
Magnetische Entkalkung Fr. 7'182.-
Total Abzüge: Fr. 19'005.50
Alle übrigen Positionen sind in der Bauabrechnung zu belassen. Entgegen den Ausführungen der Mieter sind auch die Kosten für die Demontagen in der Bauabrechnung zu berücksichtigen, da die Demontagen der alten Einrichtungen für den Ersatz der Küchen und Bäder unerlässlich und damit Bestandteil der Sanierung sind.