Artikel 270 Absätze 1 und 2 sind absolut zwingende Normen. Es spielt somit keine Rolle, ob die mietende Partei ihr Einverständnis zu einem vom Referenzzinssatz unabhängigen Mietzins gegeben hat oder nicht, da eine solche Vereinbarung nichtig wäre.
Mit Mietvertrag vom 17. November 2008 schlossen der Kläger als Mieter
und die Beklagte als Vermieterin per 1. Januar 2009 einen Mietvertrag
über die 3½-Zimmer-Dachwohnung mit Galerie, Arbeits-Dachzimmer und
Keller ab. Der monatliche Nettomietzins betrug Fr. 1‘900.–; der
monatliche Akontobetrag für die Kosten von Allgemeinstrom, Wasser,
Abwasser, Kehricht, Kabelfernsehen, Hauswartung, Service-Abo Waschküche,
Unterhalt Tiefgarage, Unterhalt Umgebung, Unterhalt Spielplatz und
Verwaltungskosten wurde auf Fr. 200.– festgelegt. Auf S. 3 des
Mietvertrages hielten die Parteien unter „Mietzins-Vorbehalt“ fest, dass
die Vermieterin mit dem vertraglich vereinbarten Mietzins nicht den
gesetzlich zulässigen Ertrag erziele, wobei dieser aus folgenden Gründen
unterschritten werde: Es gelte ein Hypothekarzins von 3.5%, der
Mietzins basiere auf einem Indexstand von 116.1 Punkten (Stand:
September 2008) und die Unterhalts- und Betriebskostenteuerung sei
ausgeglichen bis zum Oktober 2008.
Mit Schreiben vom 2. Oktober 2009
teilte der Kläger der Beklagten mit, dass das Bundesamt für
Wohnungswesen den Referenzzinssatz von 3.5% auf 3% reduziert habe und er
die Beklagte deshalb um eine entsprechende Reduktion der Nettomiete
ersuche.
Am 18. November 2009 stellte der Kläger bei der
Schlichtungsbehörde in Mietsachen ein Schlichtungsbegehren. Mit
Beschluss vom 8. März 2010 hielt die Schlichtungsbehörde fest, dass die
Schlichtungsverhandlung gescheitert sei.
Mit Eingabe vom 7. April
2010 reichte der Kläger beim Kantonsgericht Zug gegen die Beklagte Klage
auf Herabsetzung des Mietzinses ein. Zur Begründung führte er im
Wesentlichen aus, dass der Referenzzinssatz am 2. September 2009 von
3.5% auf 3% gesenkt worden sei. Hierbei handle es sich um eine
wesentliche Veränderung der Berechnungsgrundlagen des Mietzinses,
weshalb ein Anspruch auf Herabsetzung des Nettomietzinses bestehe.
In
der Klageantwort schloss die Beklagte sinngemäss auf Abweisung der
Klage und machte geltend, sie habe dem Kläger schon bei der ersten
Besichtigung des Mietobjekts mitgeteilt, dass der Mietzins nicht
kostendeckend und deshalb unabhängig vom Referenzzinssatz sei. Weder bei
einer Senkung noch bei einer Erhöhung des Referenzzinssatzes käme es zu
einer Anpassung des Mietzinses. Im Begleitbrief zum Mietvertrag sei
dies dem Kläger noch einmal schriftlich mitgeteilt worden. Dieser habe
nie Einwände dagegen erhoben und somit die
Referenzzinssatzunabhängigkeit des Mietzinses akzeptiert.
2. Art. 270a Absatz 1 OR hält fest, dass der Mieter den Mietzins als
missbräuchlich anfechten und die Herabsetzung auf den nächstmöglichen
Kündigungstermin verlangen kann, wenn er Grund zur Annahme hat, dass der
Vermieter wegen einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen,
vor allem wegen einer Kostensenkung, einen nach den
Art. 269 und
269a OR übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt. Art. 13 der
Verordnung über Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG)
präzisiert, dass die Herabsetzung insbesondere dann verlangt werden
kann, wenn sich der Hypothekarzinssatz (Referenzzinssatz für Hypotheken)
senkt. In der Praxis stellt die Senkung des Hypothekarzinssatzes den
vorrangigen Herabsetzungsgrund dar (Lachat, Mietrecht für die Praxis, 8.
A., Zürich 2009, Kapitel 17, N 4.2.2). Auch vorliegend stützt der
Kläger sein Herabsetzungsbegehren auf eine Senkung des
Referenzzinssatzes.
2.1 Die Beklagte stellt sich auf den
Standpunkt, sie habe mit dem Kläger mündlich und schriftlich vereinbart,
dass der Nettomietzins von
Fr. 1‘900.– unabhängig vom
Referenzzinssatz sei. Der Kläger könne deshalb nicht gestützt auf Art.
270a Abs. 1 OR die Herabsetzung des Mietzinses wegen Senkung des
Referenzzinssatzes verlangen. Es ist somit vorab zu überprüfen, ob die
Parteien gültig die Nichtanwendung von Art. 270a Abs. 1 OR wegen Senkung
des Referenzzinssatzes vereinbart haben.
Gemäss Lehre und
Rechtsprechung handelt es sich bei Art. 270a Abs. 1 und 2 OR um absolut
zwingende Normen, welche der Parteidisposition entzogen sind.
Vertragsklauseln, die von diesen Bestimmungen - zu Gunsten oder zu
Ungunsten der einen, der andern oder beider Parteien - abweichen, sind
nichtig und werden von der gesetzlichen Regelung ersetzt (Higi, Zürcher
Kommentar, 4. A., Zürich 1998, N 4 ff. zu Art. 270a OR; Roncoroni,
„Zwingende und dispositive Bestimmungen im revidierten Mietrecht“,
Mietrechtspraxis 2/90 S. 76 ff.). Es spielt somit keine Rolle, ob der
Kläger sein Einverständnis zu einem referenzzinssatzunabhängigen
Mietzins gegeben hat oder nicht, da eine vom Gesetzestext abweichende
Vereinbarung ohnehin nichtig wäre und keine Rechtswirkung entfalten
würde.
2.2 Gemäss Ausführung des Klägers hat sich der
Referenzzinssatz von 3.5% bei Vertragsschluss auf 3% per 2. September
2009 reduziert. Dies wird von der Beklagten nicht bestritten. Zudem ist
der Referenzzinssatz gerichtsnotorisch (vgl. Referenzzinssatz auf
www.bwo.admin.ch).
Eine Reduktion des Referenzzinssatzes von 3.5% auf 3% berechtigt gemäss
Art. 13 Abs. 1 VMWG zu einer Herabsetzung des Nettomietzinses um 5.66%
(Lachat, a.a.O., S. 755; SVIT, Das Schweizerische Mietrecht, 3. Auflage,
Zürich/Basel/Genf 2008, N 47 zu Art. 269a OR). Der Kläger hat somit
grundsätzlich einen Herabsetzungsanspruch im Umfang von 5.66% des
Nettomietzinses.
…
3.2 Weiter wendet die Beklagte sinngemäss ein,
sie habe einen bereits vor Mietantritt des Klägers entstandenen
Mietzinserhöhungsanspruch nicht voll ausgeschöpft, weshalb sie im
Mietvertrag einen entsprechenden Mietzinsvorbehalt angebracht habe. Dem
Mietvertrag vom 17. November 2008 wurde das Formular
„Mietzins-Vorbehalt“ angehängt, ausgefüllt und von den Parteien
unterschrieben. Gemäss Art. 18 VMWG hat der Vermieter den
Mietzins-Vorbehalt in Franken oder Prozenten des Mietzinses festzulegen.
Sinn dieser Bestimmung ist, dass der Mieter im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses weiss, mit welcher Mietzinserhöhung in welchem Umfang
er zu rechnen hat. Die Beklagte hat im vorgenannten Formular lediglich
die Berechnungsgrundlagen wie Hypothekarzins, Stand des Landesindexes
und bis wann die Unterhalts- und Betriebskostenteuerung ausgeglichen
ist, festgehalten. Es lässt sich dem Formular jedoch nicht entnehmen,
wie hoch die noch nicht ausgeschöpfte Mietzinsreserve ist. Die Beklagte
hat den Mietzinsvorbehalt somit nicht rechtsgültig angebracht, weshalb
sie sich vorliegend nicht darauf berufen kann.