Rachekündigung - Eigenbedarf für juristische Person?

Base légale

Nom du tribunal

Kantonsgericht Zug

Date

28.12.2012

Résumé

Allein der Umstand, wonach die Kündigung just auf den Ablauf einer allfälligen Sperrfrist folgt, genügt indes nicht, um die Treuwidrigkeit der Kündigung zu begründen. Die Beklagten legen mindestens glaubhaft dar, dass sie das Mietobjekt selber benötigen. In casu offen gelassen, ob durch die angebliche Vermischung von Interessen der Gesellschaft und der Beklagten ein Eigenbedarf im technischen Sinn vorliegt.

Exposé des faits

Per 1. Juli 2006 wurde eine Attika-Einraum-Loftwohnung samt Garagenplatz gemietet. Mit Schreiben vom 16. Mai 2012 wurde das Mietverhältnis formgültig per 31. August 2012 gekündigt. Am 6. Juni 2012 reichte der Kläger bei der Schlichtungsbehörde für Miet- und Pachtrecht gegen die Beklagten ein Schlichtungsgesuch ein. Am 16. Juli 2012 stellte die Schlichtungsbehörde dem Kläger die Klagebewilligung zu.
Der Kläger klagte am 12. September 2012 beim Kantonsgericht auf Missbräuchlichkeit der Kündigung eventualiter auf Erstreckung. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass es sich um eine Rachekündigung handeln würde. Der nunmehr geltend gemachte Kündigungsgrund, wonach die Beklagte das Mietobjekt als Bürofläche benötigen würde, sei vorgeschoben. Die zu Wohnzwecken konzipierte Loftwohnung sei für Bürozwecke ungeeignet. Zur Begründung des Eventualantrags wies der Kläger auf die im Spiel stehenden Interessen hin. Dabei sei zu beachten, dass die Liegenschaft bereits seit dem Jahr 2006 vom Kläger bewohnt werde, er zwischenzeitlich Investitionen im Gesamtbetrag von 10 000 Franken in die Wohnung getätigt habe und das Finden einer vergleichbaren Wohnung in Lage, Preis und Verkehrsanbindung äussert schwierig sei.
Die Beklagten machten dringenden Eigenbedarf geltend, die Lokalität sei als Büro sehr wohl geeignet. Betreffend Rachekündigung führen sie aus, dass sie zwar bereits im Jahr 2009 eine Kündigung ausgesprochen haben, doch habe diese ihren Grund im Verhalten des Klägers gehabt. Zudem hätten sie diese Kündigung aus eigenem Antrieb zurückgezogen. In Bezug auf den Erstreckungsantrag des Klägers hielten die Beklagten im Wesentlichen fest, dass dieser keine Härte auszuweisen vermöge. Der Beklagte 2 nutze aktuell einen Büroraum, den er nur mit einer Frist von drei Monaten auf jedes Monatsende kündigen könne, weshalb dem Kläger eine Erstreckung von drei Monaten zugestanden werden könne.

Considérations

2. Der Kläger macht im Hauptantrag geltend, die Kündigung der Beklagten vom 16. Mai 2012 verstosse gegen Treu und Glauben und sei rechtsmissbräuchlich, insbesondere weil es sich um eine „Rachekündigung“ handle. Die Beklagten bestreiten dies.

2.1 Bei der Miete von Wohn- und Geschäftsräumen ist die Kündigung anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstösst (Art. 271 Abs. 1 OR). Die Kündigung ist als missbräuchlich zu betrachten, wenn sie grundlos erfolgt oder keinem objektiven, ernsthaften und schutzwürdigen Interesse entspricht. Unter Art. 271 OR fällt jede Kündigung, die sich auf keinerlei schutzwürdiges Interesse stützt, die aus reiner Schikane erfolgt, die zu einem offenkundigen Missverhältnis der auf dem Spiel stehenden Interessen führt oder deren Begründung offensichtlich ein Vorwand ist. Insbesondere ist eine Kündigung missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird, weil der Mieter nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Mietverhältnis geltend macht (Art. 271a Abs. 1 lit. a OR). Diese Bestimmung erfasst die sogenannte Rache- oder Vergeltungskündigung. Von einer solchen spricht man, wenn die Kündigung ausgesprochen wird, um die Mieterschaft dafür zu bestrafen, dass sie – ausserhalb eines Verfahrens – Ansprüche aus Vertrag oder gemäss Gesetz stellt. Eine Kündigung, die mit einem legitimen Kündigungsmotiv, wie etwa dem Eigenbedarf des Vermieters oder seiner nahen Verwandten begründet wird, verletzt den Grundsatz von Treu und Glauben nicht, es sei denn, die auf dem Spiel stehenden Interessen würden in einem offenkundigen Missverhältnis zueinander stehen (BGE 4A_167/2012; BGE 4A_297/2010 E. 2.3; BGE 4A_583/2008 E. 4.1; ROHRER, Der Eigenbedarf im Mietrecht, in: MRA 4/2011, S. 133 ff., S. 135 f.; BGE 132 III 737 E. 3.4.2; LACHAT/THANEI, in: Lachat et al. [Hrsg.], Mietrecht für die Praxis, 8. A., Zürich 2009, S. 605 ff. und 632 f.; HIGI, Zürcher Kommentar, 4. A., Zürich 1996, N. 59 und 161 ff. zu Art. 271 OR sowie N. 66 f. zu Art. 271a OR).
Es obliegt dem Empfänger der Kündigung zu beweisen, dass diese aus einem verpönten oder ohne schützenswerten Grund erfolgte. Der Kündigende hat jedoch redlich zur Wahrheitsfindung beizutragen; er hat die Kündigung zu begründen und im Bestreitungsfall alle für die Beurteilung des Kündigungsgrunds notwendigen Unterlagen vorzulegen. Vom Kündigenden wird kein strikter Nachweis des Kündigungsgrundes verlangt. Es genügt, wenn er die Umstände, die er zur Begründung seiner Kündigung vorbringt, zumindest glaubhaft macht. Entspricht der angegebene Kündigungsgrund nicht den Tatsachen, wird also ein Kündigungsgrund vorgeschoben, so lässt dies auf eine Verletzung von Treu und Glauben schliessen und die Kündigung ist aufzuheben (BGE 4A_583/2008 E. 4.1; BGE 135 III 112 E. 4.1; ROHRER, a.a.O., S. 136, je mit Hinweisen).

2.2 Die Beklagten begründen ihre Kündigung mit Eigenbedarf. Der Kläger behauptet, dieser Grund entspreche nicht den Tatsachen. Vielmehr sei die Kündigung als „Rachekündigung“ aufzufassen. Zu prüfen ist demnach, ob der Kündigungsgrund des Eigenbedarfs vorgeschoben ist. Es ist unbestritten, dass die Beklagten das nämliche Mietverhältnis bereits im Jahr 2009 gekündigt haben. Über diese Kündigung konnte eine gütliche Einigung herbeigeführt werden. Als Grund der seinerzeitigen Kündigung gaben die Beklagten das Verhalten des Klägers und nicht Eigenbedarf an. Inwiefern die hier zur Frage stehende Kündigung einen Zusammenhang zur seinerzeitigen Kündigung haben soll und etwa aufgrund dessen als Rachekündigung aufzufassen ist, legt der Kläger nicht dar. Vielmehr mutmasst er bloss, dass es sich deshalb um eine anfechtbare Kündigung handle, weil die Beklagten diese unmittelbar nach Ablauf der dreijährigen Sperrfrist ausgesprochen hätten. Allein der Umstand, wonach die Kündigung just auf den Ablauf einer allfälligen Sperrfrist folgt, genügt indes nicht, um die Treuwidrigkeit der Kündigung zu begründen. Schliesslich ist die Kündigungssperre gerade deswegen befristet, damit den Vermietern nach Fristablauf wieder eine Kündigungsmöglichkeit zusteht. Im Weiteren führt der Kläger in der Klageschrift an, es sei seitens der Vermieterschaft schon mehrfach zu Bedrohungen gekommen. Doch verstellt er – nebst der Parteibefragung (wo er seine Aussage nicht bestätigte) – keine Beweise hierzu. Von den Beklagten anerkannt, und somit erstellt, ist einzig ein verbaler Streit zwischen dem Kläger und dem Beklagten 2, der sich am 11. Dezember 2009 zugetragen habe. Dass dieser jedoch ursächlich für die Kündigung vom 16. Mai 2012 sein soll, ist nicht nachvollziehbar. In den Akten befinden sich somit keinerlei Anhaltspunkte für ein Rachemotiv.

2.3 Vielmehr legen die Beklagten – mindestens glaubhaft – dar, dass sie das Mietobjekt benötigen. Die Beklagten sind Gesellschafter bzw. Kommanditäre der Kommanditgesellschaft X & Cie, deren Geschäftszweck die Bauleitung, -beratung, -ausführung und-planung ist. Der Beklagte 2 engagiert sich zudem als Stiftungsrat bei der Stiftung für Y und als Verwaltungsmitglied der gemeinnützigen Baugenossenschaft Z. Die Beklagte 1 betreibt die Einzelfirma P PR. Dass angesichts der Tätigkeiten beider Beklagten ein Büro mit einer Grundfläche von 29 m2 sowie die eigene Wohnung nicht ausreichen bzw. ungeeignet sind, ist nachvollziehbar. Zusätzlich ins Gewicht fällt, dass sich bei der X & Cie von 2007 bis 2012 der Aufwand des Zeichners verfünffacht und jener der Administration verdoppelt hat sowie Drittaufträge, d. h. Aufträge von Dritten, merklich zugenommen haben. Zudem sind personelle Erweiterungen geplant. Wie der Möblierungsplan zeigt, ist – entgegen der klägerischen Darstellung – eine Nutzung des Mietobjekts als Büro sinnvoll möglich. Der Kläger bestreitet einen Eigenbedarf mit dem Hinweis darauf, höchstens die erwähnten, selbständigen Gesellschaften, nicht aber die Beklagten würden das Mietobjekt benötigen. Dies trifft zum einen nicht vollends zu, benötigt der Beklagte 2 das Büro doch auf seine Tätigkeit als Stiftungsrat oder Verwaltungsratsmitglied. Zum anderen kann offenbleiben, ob durch die angebliche Vermischung von Interessen der Gesellschaften und der Vermieter ein Eigenbedarf im technischen Sinn vorliegt (vgl. SVIT-Kommentar, Das schweizerische Mietrecht, 3. A., Zürich/Basel/Genf 2008, N. 47 zu Art. 272 OR; BGE 132 III 737 E. 3.5). Denn unter Art. 271 OR ist bloss ein vernünftiger Grund verlangt, der auch einen gewissenhaften, rücksichtsvollen und korrekten Vertragspartner in der gleichen Situation zur Kündigung veranlassen würde (HIGI, a.a.O., N. 59 zu Art. 271 OR). Ein solcher Grund liegt hier allemal vor. Dass sich die Beklagten „nicht gross“ nach anderen Büroräumlichkeiten umgesehen haben, hat nichts mit Bequemlichkeit zu tun (so der Kläger). Vielmehr sind sie dazu schlicht nicht gehalten.

2.4 Der (legitime) Kündigungsgrund der Beklagten, d. h. das Interesse an der eigenen Nutzung des Mietobjekts, steht sodann zum Interesse des Klägers, in der Wohnung zu verbleiben, nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis (BGE 4A_167/2012; BGE 4A_297/2010 E. 2.3). Der Kläger nennt zwar Gründe, die für einen Verbleib in der Wohnung sprechen. Doch gehen diese Gründe mehrheitlich nicht über das hinaus, was bei jedem Wohnungswechsel anfällt: Umzugskosten, Möbel passen nicht mehr (gleich), Investitionen des Mieters ins Mietobjekt werden unnütz und das Finden eines neuen Objekts ist mit Aufwand und Hindernissen verbunden. Diese Gründe führen nicht dazu, dass die Kündigung deswegen als eine gegen Treu und Glauben verstossende aufzufassen wäre. Zwischen den Interessen besteht keinesfalls ein offenkundiges Missverhältnis. Mithin ist die Kündigung der Beklagten vom 16. Mai 2012 per 31. August 2012 gültig.

3. Der Kläger macht als Eventualantrag einen Erstreckungsanspruch von 24 Monaten geltend, derweil die Beklagten ihm einen solchen von drei Monaten ab Rechtskraft des Entscheids zugestehen wollen.

3.1 Löst die Kündigung der Vermieterschaft eine Härte aus, kann die Mieterschaft eine Erstreckung des Mietverhältnisses erwirken (vgl. Art. 272 Abs. 1 OR). Die Erstreckung soll die nachteiligen Folgen einer Kündigung mildern und dem Mieter für die Suche nach einer Ersatzlösung mehr Zeit geben. Die Mieterstreckung setzt voraus, dass das Mietverhältnis gültig beendet worden ist, die Erstreckung nicht von Gesetzes wegen (Art. 272a OR) ausgeschlossen ist und die Kündigung für den Mieter oder seine Familie eine Härte auslöst, die durch die Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Kriterien zur Bemessung der Härte sind gemäss Art. 272 Abs. 2 OR insbesondere die Umstände des Vertragsschlusses und der Inhalt des Vertrages, die Dauer des Mietverhältnisses, die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und deren Verhalten, ein allfälliger Eigenbedarf des Vermieters sowie die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume (LACHAT/SPIRIG, in: Lachat et al. [Hrsg.], a.a.O., S. 636 ff. ; SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 8 ff. zu Art. 272 OR; BGE 105 II 197 E. 3; BGE 4A_72/2011 E. 3).

3.2 Der Kläger gab an der Parteibefragung ausdrücklich zu Protokoll, aus finanzieller Sicht stelle die Kündigung für ihn keinen Härtefall dar. Die wirtschaftlichen Verhältnisse vermögen also keine Härte zu begründen. Ebenso wenig sind andere Härtegründe ersichtlich. So ist in persönlicher Hinsicht anzumerken, dass der Kläger alleine wohnt und ein baldiger Umzug – mangels entsprechender Vorbringen – alters- oder gesundheitshalber keine Härte darstellt. Die Familiensituation des Klägers lässt sich wie folgt zusammenfassen: Er befindet sich „in Scheidung“ und wird gelegentlich von seiner erwachsenen Tochter oder seinem 14-jährigen Sohn besucht, welche jedoch höchst selten bei ihm übernachten. Diese familiäre Situation gebietet keine Mieterstreckung. Der Kläger hebt hervor, dass er bereits über sechs Jahre in der Wohnung und deshalb mit dem Quartier vertraut sei. Die Beklagten entgegnen, dass sich das Mietobjekt in der Gewerbezone befinde, in welcher kein eigentliches „Quartierleben“ existiere, was der Kläger in der Folge unkommentiert liess. Im Weiteren gab der Kläger an, rund 10 000 Franken in die Wohnung investiert zu haben, indem er Parkett verlegt und Möbel nach Mass habe anfertigen lassen. Diese, vor ungefähr fünf Jahren getätigten Investitionen seien noch nicht abgeschrieben. Soweit, wie vorliegend, allfällige Investitionen nicht mit den Vermietern abgesprochen wurden, stellen sie keinen Härtegrund dar (vgl. LACHAT/SPIRIG, a.a.O., S. 645; SVIT-Kommentar, a.a.O., N. 28 zu Art. 272 OR, je mit Hinweisen). Mithin lässt sich aus diesen Umständen (Dauer des Mietvertrages, angebliche Quartierverbundenheit und Investitionen) nichts zugunsten des Klägers ableiten. Schliesslich bemerkt der Kläger, dass die Suche nach einer Ersatzwohnung aufgrund der Marktverhältnisse im Kanton Zug sowie wegen ungerechtfertigter Betreibungsregistereinträge äussert schwierig sei. Ersteres widerlegt die Beklagte mit einer Vielzahl von Inseraten mit ähnlichen Objekten, wozu der Kläger – soweit – er überhaupt Stellung nimmt – selber attestiert, sich bis anhin noch „nicht gross“ um andere Wohnungen bemüht zu haben. Letzteres (die Behauptung betreffend Betreibungsregistereinträge) wird von den Beklagten bestritten und vom Kläger nicht belegt, was er jedoch ohne weiteres mittels Vorlage von Betreibungsregisterauszügen hätte tun können. Letztendlich ist anzumerken, dass das vom Kläger zitierte Präjudiz nicht einschlägig ist, zumal diesem ein anderer Sachverhalt zugrunde lag.

3.3 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass kein Härtefall vorliegt, weshalb grundsätzlich keine Mieterstreckung zu gewähren wäre. Da die Beklagten jedoch einer Erstreckung von drei Monaten zustimmen (der Beklagte 2 kann den bisher von ihm genutzten Büroraum nur mit einer Frist von drei Monaten kündigen, ist eine entsprechende Dauer einzuräumen. Soweit die Kündigung für den Kläger dennoch eine Härte zur Folge hätte, wäre die hier gewährte Erstreckung somit ausreichend. Dies gilt umso mehr, als dass der Kläger bereits mit Schreiben vom 16. März 2012 über die bevorstehende Kündigung informiert wurde. Die Erstreckung ist einmalig zu erteilen (Art. 272b Abs. 1 OR).


Décision

53/7 - Rachekündigung - Eigenbedarf für juristische Person?

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