Kantonsgericht von Graubünden
12.07.2004
Der Beklagte hat die Liegenschaft seiner Tochter abgetreten und verfügt nur noch über ein Wohnrecht. Trotzdem wird die Passivlegitimation bejaht, da die Tochter dem Beklagten mit stillschweigender Vereinbarung gestattet hat, die Wohnung mietweise einem Dritten zu überlassen.
2. d)
Im vorliegenden Fall verhält es sich so, dass W.W. das
Eigentum an der Liegenschaft, in welcher sich die fragliche Mietwohnung
befindet, mit Vertrag vom 19. Dezember 2000 an seine Tochter abtrat und
somit im Sinne von Art. 261 Abs. 1 OR veräusserte. W.W. ist daher seit
dem 19. Dezember 2002 nicht mehr als Eigentümer der fraglichen Wohnung
anzusehen. Rechtsdogmatisch wurde E.J. durch die Abtretung neue
Eigentümerin und Vermieterin der Wohnung. Gleichzeitig räumte sie aber
ihren Eltern ein mit den bestehenden Mietverhältnissen an den einzelnen
Wohnungen der Liegenschaft kollidiertes, beschränktes dingliches Recht
(Wohnrecht am gesamten Wohnhaus und nicht nur an einer einzelnen
Wohnung) ein, womit faktisch erneut ein „Eigentümerwechsel“ im Sinne von
Art. 261a OR von E.J. auf W. und M.W. stattfand, welcher die
sinngemässe Anwendbarkeit von Art. 261 OR nach sich zog. Mit anderen
Worten ging das Mietverhältnis durch die Wohnrechtseinräumung
grundsätzlich auf das Ehepaar W. über. Aufgrund der besonderen Umstände
des vorliegenden Falles stellt sich allerdings die Frage, ob W.W. nicht
trotzdem – entgegen den Ausführungen der Vorinstanz – weiterhin
alleiniger Vermieter der gegenständlich interessierenden Wohnung blieb.
aa)
E.J. räumte ihren Eltern gemäss Vertrag vom 19. Dezember 2000
ein unübertragbares und unvererbliches Wohnrecht am gesamten Wohnhaus
ein. Es leuchtet nun aber ohne weiteres ein, dass das Ehepaar W. nicht
alle Wohnungen der Liegenschaft selbst bewohnen kann. Obwohl das
Wohnrecht als unübertragbar bezeichnet wurde, hätte es keinen Sinn
ergeben, sämtliche Wohnungen – mit Ausnahme der von den Wohnberechtigten
bewohnten Wohnung – leer stehen zu lassen, weshalb offenbar auch nach
der Einräumung des Wohnrechts sämtliche Mietverhältnisse unverändert
bestehen blieben. Das ist insofern von Bedeutung, als nach Bundesgericht
und herrschender Lehre sowohl die Übertragung eines Wohnrechts als auch
dessen Ausübung prinzipiell ausgeschlossen ist (vgl. Baumann, Zürcher
Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, 3. Aufl., Zürich 1999 N
27 zu Art. 776 ZGB mit weiteren Hinweisen). Das Wohnrecht gestattet
seinem Inhaber nur den Gebrauch, nicht aber die Nutzung der Sache; eine
Ausübungsübertragung würde dem Inhaber die Ziehung ziviler Früchte
(Einnahmen aus Vermietung) und somit die Nutzung der Sache gestatten.
Der Wohnberechtigte darf daher den Wohnraum grundsätzlich nicht
vermieten (vgl. Baumann, a.a.O., N 28 zu Art. 776 ZGB). Immerhin wird es
aufgrund des Prinzips der Vertragsfreiheit aber als möglich und
zulässig betrachtet, dass der Eigentümer dem Berechtigten vertraglich
gestatten kann, die Wohnung/das Gebäude mietweise einem Dritten zu
überlassen. Gegenüber dem Eigentümer kommt einer solchen Vereinbarung
lediglich eine obligatorische Wirkung zu und kann daher nicht im
Grundbuch eingetragen werden. Das bedeutet aber, dass eine entsprechende
Vereinbarung einem späteren Erwerber des Grundstücks nicht
entgegengehalten werden kann, wenn er diese zusätzliche Pflicht nicht
übernommen hat (vgl. BGE 116 II 289; Baumann, a.a.O., N 29 zu Art. 776
ZGB; Mooser, Basler Kommentar, N 6 zu Art. 776 ZGB).
bb)
Nach Auffassung des Kantonsgerichts liegen im hier zu
beurteilenden Fall mehrere Indizien vor, die darauf hindeuten, dass
zwischen E.J. als Eigentümerin der Liegenschaft und ihrem Vater W.W. als
Inhaber des Wohnrechts an der gesamten Liegenschaft im Zusammenhang mit
dem Abtretungsvertrag vom 19. Dezember 2000 stillschweigend eine
Vereinbarung dahin gehend geschlossen wurde, Letzterem – wie vor der
Abtretung des Grundstücks – weiterhin das Recht auf Vermietung der
einzelnen Wohnungen (und somit auch derjenigen der Berufungskläger) zu
belassen. So wurde zwischen der Eigentümerin E.J. und dem Ehepaar K.
nach der Grundstückabtretung und der gleichzeitigen Wohnrechtseinräumung
kein neuer Mietvertrag geschlossen. Auch wenn die Kenntnis von
Eintragungen im Grundbuch fingiert wird (Art. 970 Abs. 3 ZGB), muss die
Mieterschaft schriftlich über einen Eigentumsübergang informiert werden
(vgl. Lachat/Stoll/Brunner, Das Mietrecht für die Praxis, 5. Auflage,
Zürich 2002, FN 58, S. 481). Dies war vorliegend gerade nicht der Fall,
da offenbar beabsichtigt war, dass der Mietzins für die fragliche
Ferienwohnung auch nach erfolgter Eigentumsübertragung weiterhin einzig
und allein an W.W. bezahlt werde. Ausserdem ist in diesem Zusammenhang
zu beachten, dass die Frage nach der Passivlegitimation von W.W. erst
spät im Verfahren überhaupt zum Thema wurde. Weder anlässlich der
Schlichtungsverhandlung vor der Schlichtungsbehörde für Mietverhältnisse
des Bezirks Prättigau/Davos noch in der Prozessantwort vom 18. Februar
2003 wurde geltend gemacht, dass der Beklagte nicht mehr Vermieter der
fraglichen Wohnung sei. Erst der Hinweis des Obmanns der kantonalen
Schätzungskommission 3 im Schreiben vom 7. Mai 2003 an die Vorinstanz,
wonach E.J. seit dem 19. Dezember 2000 Eigentümerin der Liegenschaft
sei, brachte diesbezüglich den Stein ins Rollen. Dies spricht dafür,
dass sich der Berufungsbeklagte nach der Eigentumsübertragung an seine
Tochter selbst weiterhin als Wohnungsvermieter betrachtet. Entgegen den
Ausführungen der Vorinstanz trifft es sodann nicht zu, dass die
Eigentümerschaft nur beiden Wohnberechtigten zusammen gestatten kann,
die Wohnungen zu vermieten. Angesichts des Grundsatzes der
Vertragsautonomie ist nicht ersichtlich, weshalb E.J. und W.W. nicht
konkludent hätten vereinbaren können, dass Letzterer immer noch allein,
das heisst ohne seine ebenfalls wohnberechtigte Ehefrau als Vermieter
fungierte und dementsprechend den Mietzins einziehe, umso mehr als
dieser Abmachung ja keine dingliche Wirkung zukommt. Dass sich dieses
stillschweigende Abkommen nicht auch auf die Ehefrau des Beklagten
bezog, wird wiederum durch die Tatsache, wonach in der Prozessantwort
vom 18. Februar 2003 die Befragung von M.W. als Zeugin beantragt wurde,
verdeutlicht. Der Beklagte ging demnach zum damaligen Zeitpunkt selbst
davon aus, allein Vermieter der fraglichen Wohnung und damit im
vorliegenden Verfahren passivlegitimiert zu sein.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass W.W. – trotz der Eigentumsabtretung der Liegenschaft an seine Tochter – aufgrund des ihm gleichzeitig eingeräumten Wohnrechts und der ihm konkludent gestatteten Weitervermietung Vermieter der Ferienwohnung der Berufungskläger geblieben ist. Die Passivlegitimation des Berufungsbeklagten ist somit zu bejahen.