Nichtigkeit der Kündigung
Base légale
- Art. 266n CO
- Art. 266o CO
Nom du tribunal
Kantonsgerichtspräsidium Zug
Date
24.05.2007
Résumé
Die Kündigung des Vermieters muss dem Mieter und seiner Ehegattin separat zugestellt werden, auch wenn sich die Ehegatten bereits getrennt haben. Andernfalls ist die Kündigung nichtig. Das Gericht hat die Nichtigkeit der Kündigung jederzeit – also auch noch im Ausweisungsverfahren – von Amtes wegen zu berücksichtigen.
Exposé des faits
Per 1. Mai 2000 schlossen die Gesuchstellerin als Vermieterin und die
Gesuchsgegner als Mieter einen Mietvertrag über die 4½-Zimmer-Wohnung im
1. OG als Familienwohnung mit zwei Kellerabteilen in H. ab.
Nachdem
die Gesuchsgegner die von ihnen geschuldete Miete unbestrittenermassen
nicht mehr bezahlt hatten, setzte ihnen die Gesuchstellerin mit
Schreiben vom 20. September 2006 und vom 22. Januar 2007 eine 30-tägige
Frist zur Bezahlung der ausstehenden Mietzinse und drohte ihnen
gleichzeitig an, dass der Mietvertrag bei unbenütztem Ablauf der Frist
gekündigt werde. Die Gesuchsgegner bezahlten die ausstehenden Mietzinse
innert der gesetzten Frist nicht, worauf die Gesuchstellerin das
Mietverhältnis am 22. März 2007 mit amtlichem Formular gemäss Art. 266l
Abs. 2 OR auf den 30. April 2007 kündigte.
Mit Eingabe vom 21. April
2007 beantragte der Gesuchsgegner bei der Schlichtungsbehörde in
Mietsachen des Kantons Zug eine Erstreckung des Mietverhältnisses um
drei Monate.
Mit Eingabe vom 1. Mai 2007 stellte die Gesuchstellerin
beim Kantonsgerichtspräsidium Zug den Antrag, die Gesuchsgegner seien
unter Androhung des polizeilichen Vollzugs im Unterlassungsfalle zu
verpflichten, die 4½-Zimmer-Wohnung im 1. OG mit zwei Kellerabteilen
innert einer vom Richter festzusetzenden Frist zu räumen und die
Schlüssel der Gesuchstellerin abzugeben.
In seiner Vernehmlassung vom
21. Mai 2007 beantragte der Gesuchsgegner eine Erstreckung des
Mietverhältnisses bis zum 30. Juni 2007. Zur Begründung führte er im
Wesentlichen aus, es liege ein ausserordentlicher Härtefall vor, da er
seit längerer Zeit arbeitslos sei und Schulden von weit über CHF
6OO'OOO.-- habe. Obwohl seine Frau sich von ihm trenne, wohnten beide
Kinder zur Zeit immer noch bei ihm. Die Kinder nun kurz vor Schulschluss
radikal aus der Schule reissen zu müssen, mache die extreme psychische
Belastung sowohl für ihn wie auch für die Kinder nur noch schlimmer; ein
geordneter Umzug per 1. Juli 2007 würde die Situation wenigstens ein
wenig entschärfen und erträglicher machen.
In ihrer Stellungnahme vom
23. Mai 2007 beantragte die Gesuchstellerin sinngemäss die Abweisung
des Erstreckungsgesuchs; die Frist zur Räumung sei auf den 1. Juni 2007,
12.00 Uhr, festzusetzen.
Considérations
6. Nach Art. 266n OR und Art. 266o OR muss eine Kündigung des Vermieters
dem Mieter und seinem Ehegatten separat zugestellt werden. Das gleiche
gilt für die Ansetzung einer Zahlungsfrist mit Kündigungsandrohung nach
Art. 257d OR. Andernfalls ist die Kündigung nichtig. Die Gerichte haben
die Nichtigkeit - unter Vorbehalt des Rechtsmissbrauchsverbots -
unabhängig von einer Klage oder einem Parteiantrag jederzeit (also auch
noch im Ausweisungsverfahren) von Amtes wegen zu überprüfen (vgl. dazu
Weber, Basler Kommentar, 3. A., Basel/Genf/München 2003, N 2 zu Art.
266o OR; mp 2002, S. 22 f.). Da vorliegend sowohl die
Mahnung/Kündigungsandrohung gemäss Art. 257d Abs. 1 OR vom 20. September
2006 als auch diejenige vom 22. Januar 2007 den Ehegatten nicht je
separat, sondern gemeinsam zugestellt wurden, sind die Formvorschriften
von Art. 266n OR nicht erfüllt. Dies führt zur Nichtigkeit der Kündigung
vom 22. März 2007, was - wie erwähnt - von Amtes wegen zu
berücksichtigen ist.
Daran ändert auch nichts, dass sich die
Gesuchsgegnerin 2 offenbar kürzlich vom Gesuchsgegner 1 getrennt hat.
Unter Familienwohnung versteht man nämlich die Wohnung, in welcher die
Ehegatten dauernd den räumlichen Mittelpunkt ihres Ehe- und
Familienlebens, mithin ihren gemeinsamen Haushalt haben oder
bestimmungsgemäss haben sollten. Selbst wenn sich die Ehegatten bereits
vor dem 22. Januar 2007, d.h. im Zeitpunkt der zweiten Mahnung, getrennt
hätten, würde dies an der Nichtigkeit nichts ändern, da die Art.
266m-266o OR ihrem Schutzzweck entsprechend gerade bei Aufhebung des
gemeinsamen Haushalts aktuell werden. Sie gelten deswegen grundsätzlich
auch während des Getrenntlebens im Sinne von Art. 175 ff. ZGB und
während des Scheidungs- oder Trennungsprozesses (vgl. Weber, a.a.O., N 2
zu Art. 266m/266n OR, mit zahlreichen Hinweisen).
7. Da die
Kündigung nichtig ist, hat die Gesuchstellerin keinen Anspruch auf
Rückgabe der Mietsache. Mithin kann sie auch nicht die Ausweisung der
Mieter verlangen. Ihr Gesuch muss daher abgewiesen werden.
Da die
Kündigung nichtig ist, ist im Übrigen auch das Begehren des
Gesuchsgegners 2 betreffend Mieterstreckung gegenstandslos geworden.
Lediglich der Vollständigkeit halber bleibt anzumerken, dass bei
Zahlungsverzug eine Erstreckung des Mietverhältnisses von Gesetzes wegen
ausgeschlossen ist (vgl. Art. 272a Abs. 1 lit. a OR).
Décision
44/3 - Nichtigkeit der Kündigung