Mietgericht Zürich
28.08.2007
Die Vermieterschaft ist nicht verpflichtet, eine Mietzinserhöhung gestützt auf einen absoluten Anpassungsgrund auf den ersten oder zweiten Kündigungstermin nach einer Handänderung anzusetzen. Die Anpassung kann auch später erfolgen. Nettorenditeberechnung: Ist ein Darlehenszins von 8% voll zu berücksichtigen?
Mit Mietvertrag vom 2./5. Dezember 1999 mietete der Beklagte ab dem 1. Dezember 1999 eine 4½ -Zimmer-Wohnung.
Am 10. Juli 2001 erwarb die Klägerin die Liegenschaft.
Mit
Beschlüssen der Schlichtungsbehörde des Bezirkes Zürich vom 18. August
2003 und 19. März 2004 wurden zwei vom Beklagten angestrengte Verfahren
betreffend Herabsetzung des Mietzinses als durch Klagerückzug erledigt
abgeschrieben. Eine Mietzinserhöhung der Klägerin vom 8. Juni 2004 auf
den 1. Oktober 2004 auf Fr. 2'255.- netto pro Monat focht der Beklagte
erfolgreich an.
Mit amtlichem Formular vom 13. Dezember 2004 teilte
die Klägerin dem Beklagten daraufhin eine Erhöhung des Nettomietzinses
auf den 1. April 2005 von Fr. 2'155.- auf Fr. 2'306.- pro Monat mit. Als
Begründung wurde „Teilweise Anpassung an kostendeckende Nettorendite
infolge Handänderung / Mietzinsreserve Fr. 150.- für vollständige
Anpassung an kostendeckende Nettorendite“ angegeben.
Mit Eingabe vom
3. Januar 2005 focht der Beklagte bei der Schlichtungsbehörde des
Bezirkes Zürich die Mietzinserhöhung vom 13. Dezember 2004 als
missbräuchlich an. Mit Beschluss vom 8. April 2005 stellte die
Schlichtungsbehörde die Nichteinigung der Parteien fest.
Mit Eingabe
vom 9. Mai 2005 reichte die Klägerin Klage ein und stellte das
Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass der verlangte Mietzins nicht
missbräuchlich sei.
Der Beklagte hingegen beantragte, die
Mietzinserhöhung per 1. April 2005 sei als missbräuchlich zu bezeichnen.
Zur Begründung wurde insbesondere geltend gemacht, eine
Mietzinserhöhung wegen ungenügender Rendite hätte auf den ersten oder
zweiten Kündigungstermin nach der Handänderung, das heisst auf den 1.
April oder 1. Oktober 2002, geltend gemacht werden müssen. Aufgrund des
Vertrauensprinzips gelte, dass die Mietzinserhöhung zu spät mitgeteilt
worden und deshalb nicht mehr zulässig sei. Weiter wurde geltend
gemacht, die Höhe des angegebenen Zinses von 8% für ein Privatdarlehen
sei zu hoch und sei darum auf das marktübliche Mass zu reduzieren.
3.1 Die Klägerin macht geltend, berechtigt zu sein, eine Mietzinsanpassung gestützt auf die absolute Methode vorzunehmen, was vom Beklagten bestritten wird.
3.2 Wird eine Liegenschaft im Laufe des Mietverhältnisses verkauft, ist es zulässig, dass sich die Vermieterschaft für eine Mietzinserhöhung direkt auf einen absoluten Anpassungsgrund wie die Nettorendite berufen kann und dass in der Folge die absolute Methode zur Überprüfung anzuwenden ist. Bei Letzterer ist entscheidend, ob der Mietzins an sich missbräuchlich ist; frühere Vereinbarungen oder einseitige Erklärungen der Parteien sind ohne Belang (Lachat/Stoll/Brunner, Das Mietrecht für die Praxis, 4. Aufl. 1999, S.374 f. u. S. 388 f., mit Verweisungen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Geht es um eine entgeltliche Handänderung, ist somit deren Berücksichtigung im Rahmen künftiger Mietzinsfestsetzungen mit dem Grundsatz von Treu und Glauben und der Bindung des Vermieters an erwecktes Vertrauen vereinbar, da die der Ertragsrechnung zugrunde gelegten Investitionen zeitlich nach der letzten Mietzinsfestlegung getätigt wurden und weder der neue noch der frühere Vermieter sich mit dieser Berechnung zum eigenen Verhalten in Widerspruch setzen, da jener auf anderen Investitionen kalkulierte und dieser mit keiner früheren Anpassung Vertrauen setzte (Urteil des Bundesgerichts vom 25. Januar 1994, publ. in : mp 2/94 S.96).
3.3 Die Liegenschaft wurde von der Klägerin am 10. Juli 2001
ersteigert und wechselte somit entgeltlich die Hand, Damals war der
Beklagte seit etwas über 1½ Jahren Mieter der 4½-Zimmer-Wohnung im 4.
Obergeschoss der Liegenschaft. Die letzte Mietzinsfestsetzung vor der
Handänderung erfolgte am 25. Juni 2001 auf den 1. Oktober 2001. Am 8.
Juni 2004 zeigte die Klägerin dem Beklagten auf den 1. Oktober 2004 eine
formungültige Mietzinserhöhung mit der Begründung „Teilweise Anpassung
an kostendeckende Nettorendite infolge Handänderung“ an, wobei die
Klägerin anlässlich der Schlichtungsverhandlung vom 12. Oktober 2004
deren Nichtigkeit anerkannte. Mit amtlichem Formular vom 13. Dezember
2004 erfolgte dann durch die Klägerin die streitige Mietzinserhöhung auf
den 1. April 2005 mit der Begründung „Teilweise Anpassung an
kostendeckende Nettorendite infolge Handänderung“.
Gemäss der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist entscheidend, dass es sich bei
der Mietzinserhöhung vom 13. Dezember 2004 um die erste gültige
Mietzinserhöhung nach der Handänderung handelte. Nicht zu
berücksichtigen ist die formungültige Mietzinserhöhung auf den 1.
Oktober 2004. Gestützt auf diese konnte der Beklagte nämlich nicht
darauf vertrauen, dass die Klägerin einen genügenden Ertrag erziele. Im
Gegenteil hatte die Klägerin mit der Begründung dieser formungültigen
Mietzinserhöhungsanzeige gezeigt, dass sie beabsichtigte, den Mietzins
teilweise an eine kostendeckende Nettorendite anzupassen. Aus der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich sodann – entgegen dem
Beklagten – keine Obliegenheit der neuen Vermieterin ableiten, eine
Mietzinserhöhung gestützt auf einen absoluten Anpassungsgrund auf den
ersten oder allenfalls auf den zweiten Kündigungstermin nach einer
Handänderung anzuzeigen. Damit würde ein Vermieter letztlich gezwungen,
nach einer Handänderung möglichst bald eine Mietzinserhöhung
vorzunehmen, nur um der Anpassung nach der absoluten Methode nicht
verlustig zu gehen, was sich zu Ungunsten des Mieters auswirkte und
daher nicht sachgerecht wäre. Als Resultat ist somit festzuhalten, dass
die Klägerin grundsätzlich berechtigt war, mit amtlichem Formular vom
13. Dezember 2004 eine Mietzinserhöhung vorzunehmen, die mit der
teilweisen Anpassung an eine kostendeckende Nettorendite begründet
wurde. Im Folgenden ist zu prüfen, ob die Mietzinserhöhung per 1. April
2005 zu einem übersetzten Ertrag führt.
4.2.1 Fremdkapitalkosten stellen alle den Vermieter im für die
Berechnung der Nettorendite massgebenden Zeitpunkt belastenden Kosten
aus liegenschaftsbezogener Fremdmittelaufnahme dar, aufgerechnet auf ein
Jahr (ZK-Higi, N 102 zu Art. 269 OR). Darunter fallen alle tatsächlich
zu erbringenden Schuldzinsen aus variablen oder festen Hypotheken sowie
aus anderen Darlehen (ZK-Higi, N 103 zu Art. 269 OR). Dem Prinzip der
Kostenmiete entsprechend kann nur auf das abgestellt werden, was der
Vermieter tatsächlich an Finanzierungskosten zu leisten hat. Nicht
abzustellen ist auf irgendwelche Leitzinssätze oder Referenzzinsen.
Unmassgebend sind im Weiteren eventuelle günstigere Bedingungen, die der
Vermieter bei der Fremdmittelaufnahme hätte erzielen können (ZK-Higi, N
107 zu Art. 269 OR). Ein Abstellen auf die tatsächlichen Kosten ist
einzig dann nicht angezeigt, wenn die Konditionen der
Fremdmittelaufnahme erheblich, d.h. massiv, von den marktüblichen
Gepflogenheiten abweichen. Bei erwiesenem Missbrauch, z.B. wenn die
Konditionen fingiert oder Folge einer „internen“ Darlehensgewährung
„verschwisterter“ Gesellschaften sind, hat der Richter die Kosten auf
das übliche Mass herabzusetzen oder gar nicht zu berücksichtigen
(ZK-Higi, N 108 zu Art. 269 OR mit Hinweisen; BGE 121 III 324). Wird von
privater Seite Fremdkapital zu wesentlich ungünstigeren Konditionen zur
Verfügung gestellt, als sie im gleichen Zeitpunkt mit einer Bank hätten
ausgehandelt werden können, ist eine entsprechende Korrektur
vorzunehmen, da der Mieter nicht verpflichtet werden kann, einen
besonderen Vorzugszins zugunsten eines Dritten zu finanzieren
(SVIT-Kommentar Mietrecht II, N 26 Art. 269 OR). Bei der
Nettorenditeberechnung handelt es sich immer um eine Momentaufnahme. Es
sind jene Faktoren zu berücksichtigen, die am Stichtag gelten, Es ist
jener Zeitpunkt massgebend, in dem sich eine Vertragspartei gegenüber
der anderen auf die Angemessenheit oder Unangemessenheit der Rendite
beruft (Lachat/Stoll/Brunner, a.a.O., S. 286).
Unbestritten und durch
die Produktvereinbarung, den Zins- und Kapitalausweis sowie die
Postenauszüge ausgewiesen ist, dass die Klägerin für die Fix-Hypothek
der Credit Suisse von Fr. 1 Mio. während der ganzen Laufzeit von fünf
Jahren einen unveränderlichen Zinssatz von 4.3% pro Jahr netto bzw.
einen Betrag von FR. 43'000.- pro Jahr zu bezahlen hat.
Unbestritten
ist weiter, dass die Klägerin mit ihrer Mutter für das Darlehen von Fr.
520'000.- einen Zinssatz von 8% pro Jahr vereinbarte. Dies geht auch aus
dem Darlehensvertrag vom 9. Juli 2001 hervor. Sodann reichte die
Klägerin Postenauszüge der Credit Suisse für das Jahr 2004 und Januar
2005 ins Recht, die belegen, dass sie ihrer Mutter monatlich Fr. 3'467.-
überwiesen hat. Dieser Betrag entspricht genau der monatlichen
Belastung für einen mit 8% pro Jahr zu verzinsenden Betrag von Fr.
520'000.- (520'000 x 0.08 / 12). Grundsätzlich ist somit für die
Nettorenditeberechnung auf die tatsächlichen Fremdkapitalkosten von Fr.
41'600.- (520'000 x 0.08) pro Jahr abzustellen. Dass diese im
massgebenden Zeitpunkt, nämlich der Mietzinserhöhung vom 13. Dezember
2004 angefallen waren, ist durch die von der Klägerin eingereichten
Bankbelege ausgewiesen.
Der Beklagte macht geltend, der Zins von 8%
sei auf das marktübliche Mass zu reduzieren. Dem könnte jedoch nur
gefolgt werden, wenn – wie bereits erwähnt – die Konditionen der
Fremdmittelaufnahme erheblich, d.h. massiv, von den marktüblichen
Gepflogenheiten abweichen würden. Die Klägerin nahm das Darlehen im Juli
2001 auf. Es ist gerichtsnotorisch und auch anhand des damaligen
Leitzinssatzes für erste Althypotheken der Zürcher Kantonalbank von
4.25% ersichtlich, dass damals für Fremdkapital höhere Zinsen zu leisten
waren als heute. Unbestritten ist sodann, dass es sich um ein
unbefristetes Darlehen handelt, für welches keine Amortisationszahlungen
zu leisten sind und das ohne Sicherheiten gewährt wurde. Weiter ist zu
berücksichtigen, dass das Grundstück der Klägerin für die erste Hypothek
der Credit Suisse im Umfang von Fr. 1 Mio. verpfändet ist und dieses in
einem Betreibungsverfahren höchstens für den restlichen Erlös für das
Darlehen beansprucht werden könnte. Bei dieser Sachlage kann nicht davon
gesprochen werden, ein Zinssatz von 8% weiche massiv vom Marktüblichen
ab. Dies auch deshalb, weil Banken in aller Regel keine Hypotheken im
Umfang von 100% des Kaufpreises zur Verfügung stellen, sodass die
Klägerin – wenn überhaupt – eine Zweithypothek von einer Bank nur zu
einem beträchtlich höheren Zinssatz als 4.25% erhalten hätte. Mit
anderen Worten: im Fr. 1 Mio. übersteigenden Betrag wäre der Klägerin
wohl von keiner Bank mehr Fremdkapital zur Verfügung gestellt worden. Im
Übrigen ist auch kein erwiesener Missbrauch mit fingierten Konditionen
oder eine „interne“ Darlehensgewährung wirtschaftlich verbundener
Unternehmen ersichtlich (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichts 4C.404/
1998 vom 2. Juli 1999, publ. in: mp 3/99 S.144 ff.), handelt es sich
doch bei der Klägerin und ihrer Mutter um zwei verschiedene
Rechtssubjekte.
Damit bleibt es dabei, dass in der
Nettorenditeberechnung neben den Fremdkapitalkosten von Fr. 43'000.-
auch diejenigen von Fr. 41'600.- für das Darlehen zu berücksichtigen
sind, insgesamt also Fr. 84'600.- jährlich.