Amtsgericht Luzern-Land
21.08.2006
Bei einer massiven Mietzinserhöhung sind genaue Angaben zu den Investitionen erforderlich, damit sich die Mieterschaft ein exaktes Bild über deren Berechnungen machen kann. Weiter fällt eine Aufhebung des gemäss Mietvertrages gemieteten Estrichs in den Anwendungsbereich von Artikel 269d Absatz 3 bzw. Absatz 2 OR und ist somit durch ein amtliches Formular mitzuteilen.
4.4 Im Formular selbst führte die Klägerin weder aus, welche Arbeiten der geltend gemachten Totalsanierung zu Grunde lagen noch was diese gekostet haben und in welchem Verhältnis sie auf die Mieter überwälzt werden. Da die Klägerin im Formular nur pauschal den Erhöhungsgrund wertvermehrende Investitionen aufführte und die Mietzinserhöhung weder näher begründete noch belegte, konnten sich die Beklagten kein Bild davon machen, ob die angekündigte Mietzinserhöhung im geforderten Umfang den getätigten Arbeiten angemessen und demzufolge gerechtfertigt war. Dazu fehlten ihnen gleich mehrere Informationen: Was die getätigten Arbeiten betrifft, wurde weder ein Arbeitsbericht im Detail aufgelegt noch zumindest ein gesamthafter Überblick aufgezeigt. Es wurden keine Angaben zum investierten Kapital oder zum Überwälzungssatz, wie sich die Kosten auf höhere Mietzinse auswirkten, geliefert. Es fand sich auch kein Hinweis, ob und allenfalls wie berücksichtigt worden war, dass dem ursprünglichen Mietzins gemäss Mietvertrag vom 30.4.2001 wohl ein Hypothekarzins von 4.5% zugrunde lag, während am 15.11.2004 ein solcher von 3.25% galt, was zu einer Mietzinsreduktion von 13.04% bzw. Fr. 189.10 hätte führen müssen (Lachat/Stoll/Brunner, Das Mietrecht für die Praxis, 6. Aufl. 2005, Anhang VI und VII: Hypothekarzins seit 1.8.2000 4.5%, ab 1.7.2001 4.25%, ab 1.7.2003 3.25%). Tatsächlich wurde der Mietzins aber um monatlich Fr. 500.-- bzw. 34.5% angehoben. Bei einer derart massiven Erhöhung, die nicht wenige Mieter finanziell wohl nur schwer zu verkraften vermögen, sind genauere Angaben zu den Investitionen erforderlich, damit sich die Mieterschaft ein Bild über deren Berechtigung machen kann. Während man sich in einer vergleichbaren Konstellation bei einer geringfügigen Mietzinserhöhung allenfalls fragen kann, ob der pauschale Hinweis auf wertvermehrende Investitionen als Begründung ausreiche, hat diese Frage bei einer Mietzinserhöhung in der geltend gemachten Dimension keinen Raum. Gerade bei einer derart massiven Mietzinserhöhung, die mit finanziellen Schwierigkeiten oder sogar Kündigungsüberlegungen verbunden sein kann, hat die Vermieterschaft die geltend gemachte Mietzinserhöhung entsprechend klar, detailliert und nachvollziehbar zu begründen. Unter diesen Umständen ist die Begründung der Klägerin als unklar und unpräzis zu taxieren. Eine entsprechende Erläuterung bzw. Ergänzung erfolgte im Übrigen auch nicht nach schriftlicher Aufforderung der Beklagten, es sei ihnen Auskunft zu erteilen über die Bausumme, deren detaillierte Zusammensetzung, den Prozentsatz der Bausumme, der auf den Mietzins abgewälzt werde (50-70%) sowie ob die Streichung des Estrichs berücksichtigt worden sei. Die Vermieterschaft ist jedoch gehalten, bei wertvermehrenden Verbesserungen den geltend gemachten Differenzbetrag zahlenmässig zu begründen (Art. 20 Abs. 1 VMWG). Mit Vorteil werden der Mieterschaft Kopien der Rechnungen ausgehändigt (Lachat/Stoll/Brunner, a.a.O., Kap. 19 N 5.2.4). Indem die Klägerin den Beklagten die erforderliche Begründung jedoch sowohl im Formular als auch im Begleitbrief schuldig geblieben ist, hat sie ihre Begründungspflicht nach Art. 269d Abs. 2 Bst. b OR klar verletzt. Im Übrigen erfolgte nicht einmal auf Aufforderung der Beklagten oder vor der Schlichtungsbehörde die Auflage irgendwelcher sachdienlicher Belege oder auch nur die Mitteilung, wie der geltend gemachte Differenzbetrag zahlenmässig begründet sei (vgl. Art. 19 Abs. 1 Bst. a Ziff. 4 und Art. 20 VMWG; Siegrist, Der missbräuchliche Mietzins, Regel und Ausnahmen, Art. 269 und 269a OR, 1997, S. 122).
5 Im Übrigen wäre die Mietzinserhöhung gestützt auf den von den
Parteien vorgetragenen Sachverhalt auch aus weiteren Gründen nichtig
bzw. die verlangte Mietzinserhöhung nicht erstellt und somit nicht
gutzuheissen. So tragen die Beklagten vor, ihr Estrich sei infolge
Umbauarbeiten aufgehoben worden, was nicht in der Mietzinserhöhung
berücksichtigt worden sei. Sie hätten den Estrich als Abstellfläche rege
genutzt, um darin diverse Gegenstände zu verwahren. Die Aufhebung des
Estrichs blieb seitens der Klägerin unbestritten, wenn sich die Parteien
auch nicht einig betreffend die Grösse und Intensität des Gebrauchs des
Estrichs sind.
Gemäss Art. 269d Abs. 3 OR gelten die Formalien,
insbesondere die sorgfältige Begründungspflicht nach Art. 269d Abs. 1
und 2 OR, auch für einseitige Änderungen der Mietsache zu Lasten des
Mieters. Es hängt von den konkreten Umständen ab, ob die
Formvorschriften einzuhalten sind. So wird eine wenig bedeutende
Änderung der Mietsache, wie beispielsweise die Verschiebung einer Mauer
um wenige Zentimeter, nicht von Art. 269d Abs. 3 OR erfasst. Änderungen
betreffend allgemeine Einrichtungen und Nutzflächen einer Liegenschaft
weisen in der Regel keine grössere Relevanz zum zu leistenden Mietzins
auf, weshalb eine diesbezüglich angeordnete Veränderung nicht von Art.
269d Abs. 3 OR erfasst wird (z.B. Verkleinerung des Waschraums, der
allgemeinen Estrichfläche oder des Treppenhauses, Ersetzung Trockenraum
durch andere Trockenmöglichkeit wie Tumbler). Wird allerdings der
vereinbarte Gebrauch der Mietsache, an der der Vermieter dem Mieter
besondere, andere Mieter insoweit ausschliessende Benutzungsrechte
zugesichert hat, dauerhaft eingeschränkt, wie beim Einbau eines Lifts,
der zur Verringerung der Mietfläche einer Wohnung führt, findet Art.
269d Abs. 2 OR Beachtung.
Es ist nach objektiven Kriterien zu
entscheiden, ob das Gleichgewicht der Leistungsversprechen sich
einseitig zu Lasten der Mieterschaft verändert, weil deren Ansprüche
gegenüber dem Vermieter geschmälert werden
(Lachat/Stoll/Brunner,
Zürcher Komm., 4. Aufl. 1998, Kap. 22 N 3.6, Higi, Zürcher Komm., 4.
Aufl. 1998, N 53 ff. zu Art. 269d OR).
Die Aufhebung des gemäss
Mietvertrag vermieteten Estrichs fällt nach obigen Ausführungen in den
Anwendungsbereich von Art. 269d Abs. 3 bzw. Abs. 2 OR. Unabhängig davon,
ob der Estrich 16m2 oder, wie die Klägerin angibt, nur 4 m2 Fläche
hatte, ist dessen ersatzlose Aufhebung keine nur wenig bedeutende
Änderung. Ein Estrich ist gerade bei kleineren Wohnungen mit
ungenügendem Stauraum in der Regel schwer entbehrlich. Die Beklagten
bringen denn auch vor, die Aufhebung des Estrichs habe zu Platzproblemen
geführt, insbesondere da sie über keine Garage als Alternative
verfügten. Ist aber die Aufhebung des Estrichs eine einseitige
Vertragsänderung, kann sie nur durch ein amtlich genehmigtes Formular
mitgeteilt werden und ist eigens zu begründen. Damit ist klar, dass die
eingeklagte Mietzinserhöhung auch unter diesem Aspekt den Vorschriften
von Art. 269d Abs. 2 OR nicht genügt, denn die Aufhebung des Estrichs
wurde im Formular zur Mietzinserhöhung überhaupt nicht erwähnt,
geschweige denn begründet. Für die Beklagtschaft war nicht ersichtlich
ob und allenfalls in welchem Rahmen diese Verkleinerung des Mietobjekts
bei der Berechnung des neuen Mietzinses berücksichtigt worden war. Die
Mietzinserhöhung ist auch deshalb ungenügend begründet.
6 Die Beklagten wenden zudem ein, es gehe nicht an, dass sie
Kosten mittragen müssten, die ausschliesslich zu Wertsteigerungen
anderer Wohnungen geführt hätten. Die Klägerin bestreitet nicht, dass
gewisse Wohnungen mehr Arbeit und Kosten generiert hätten als jene der
Beklagten, stellt sich aber auf den Standpunkt, dass eine genaue
Ausscheidung auf die jeweiligen Wohnungen weder möglich noch zumutbar
sei. Strittig ist zwischen den Parteien im Weiteren, ob die Annahme
eines mittleren Überwälzungssatzes gerechtfertigt sei oder die
wertvermehrenden Arbeiten genau ausgeschieden werden
müssten.
Es ist jeweils vorab zu untersuchen, ob sich
werterhaltende und wertvermehrende Anteile bestimmen lassen. Falls ja,
ist die Mietzinserhöhung nur nach Massgabe der effektiven Mehrleistungen
zulässig (vgl. mietrechtspraxis 2005 S. 63 und 148, BGE 118 II 417).
Der Mehrwert kann nur auf diejenigen Mieter überwälzt werden, die auch
in deren Genuss kommen. Eine Einzelinvestition beschränkt auf eine
bestimmte Wohnung kann nur auf diese überwälzt werden. Geniessen alle
Mieter die gleichen Vorteile, kann man sämtliche Mietzinse prozentual im
selben Umfang erhöhen. Sollte eine Gesamtsanierung in unterschiedlichem
Masse einzelne Wohnungskategorien betreffen, sind die Kosten
differenziert auf die Wohnungen aufzuteilen (vgl. Siegrist, a.a.O., S.
116).
Eine entsprechend substanziierte Begründung der
Vermieterin hätte sich schon alleine zur Klärung dieser Fragen
aufgedrängt. So oder anders wäre aber, nachdem die Mietzinserhöhung
grundsätzlich nur nach Massgabe der effektiven Mehrleistungen für die
jeweilige Wohnung zulässig ist, darzulegen gewesen, welche Leistungen
der beklagtischen Wohnung konkret dienten und wie viel für diese
aufgewendet wurde. Auch den nachträglich aufgelegten Urkunden ist dies
nur ansatzweise zu entnehmen. Eine zuverlässige Feststellung, welche
Arbeiten für die beklagtische Wohnung zu einem Mehrwert führten, ist
nicht möglich. Bei dieser Sachlage kann insbesondere offen bleiben, ob
vorliegend nicht auch aufgeschobener Unterhalt geltend gemacht wird
und/oder Kosten, die wegen des Ausbaus des Dachgeschosses angefallen
sind (vgl. Lachat/Stoll/ Brunner, a.a.O., Kap. 19 N 5.2.2).
7 Aufgrund der Erwägungen ergibt sich, dass sich die Beklagten anhand der Begründung der Klägerin über die Berechtigung der Mietzinserhöhung bzw. die Erfolgschancen einer Anfechtung der Mietzinserhöhung kein klares Bild machen konnten, weil sie zur hinreichenden Bestimmung des konkreten Inhalts der Mietzinserhöhung nicht genügend präzis begründet war. Sie erfüllt demnach die Gültigkeitsanforderung nach Art. 269d Abs. 2 OR nicht und ist deshalb unrechtsmässig erfolgt. Die Mietzinserhöhung vom 15.11.2004 per 1.4.2005 ist somit nichtig. Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die geltend gemachte Mietzinserhöhung masslich gerechtfertigt war. Ebenso kann offen bleiben, ob die Klägerin in Verletzung von Art. 14 Abs. 3 VMWG die Mietzinserhöhung angezeigt hat, bevor ihr die sachdienlichen Belege vorlagen, was ohnehin nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Mietzinserhöhung auf den nächstmöglichen Termin geführt hätte (SVIT-Komm., Schweiz. Mietrecht, 2. Aufl. 1998, N 77 zu Art. 269a OR).