Miet- oder Pachtvertrag?
Base légale
Nom du tribunal
Kantonsgericht von Graubünden
Date
22.02.2011
Résumé
Die Unterscheidung ist von Bedeutung, weil die Berufung ans Bundesgericht betreffend Streitwert unterschiedlich geregelt ist. Es liegt ein Mietvertrag vor, da nur die Räumlichkeiten des Gastronomiebetriebes überlassen wurden, nicht jedoch die vollständige Einrichtung.
Exposé des faits
Mit Vertrag vom 19. Dezember 2005 überliess die Vermieterin der Klägerin
Gebäudlichkeiten zur Führung eines gastgewerblichen Betriebes. Den
schriftlich abgefassten Vertrag bezeichneten die Parteien als
Pachtvertrag. Der Pachtantritt erfolgte auf den 1. Januar 2006 und das
Pachtverhältnis sollte mindestens 10 Jahre dauern.
In der Folge
ergaben sich Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit einer
Pachtzinserhöhung, schliesslich kündigte die Vermieterin das
Pachtverhältnis auf den 30. April 2009. Die Klägerin gelangte an die
Schlichtungsbehörde mit dem Begehren, die Kündigung sei als ungültig
aufzuheben. Die Schlichtungsbehörde wies die Anfechtung der Kündigung
jedoch ab, worauf die Klägerin an das Bezirksgericht gelangte. Das
Bezirksgericht wies die Klage ebenfalls ab und stellte fest, das
Vertragsverhältnis sei per Ende April 2009 gültig aufgelöst worden.
Dagegen liess die Klägerin Berufung an das Kantonsgericht von Graubünden
erklären.
Considérations
4. Bevor auf die zu beurteilenden Hauptfragen eingegangen wird, ist
vorab zu klären, ob es sich beim fraglichen Vertrag um ein Miet- oder
Pachtverhältnis handelt. Für die in der Hauptsache zu beantwortenden
Rechtsfragen ist die Qualifizierung der Vertrags zwar nicht relevant.
Gemäss Art. 253b OR und Art. 300 OR sind die Bestimmungen über den
Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen und über den Kündigungsschutz
auch bei der Pacht sinngemäss anwendbar. Die Vorinstanz hat die Frage
daher offen gelassen. Da die Voraussetzungen für den Weiterzug ans
Bundesgericht bei Pacht und Miete unterschiedlich geregelt sind (der
massgebende Streitwert für die unbeschränkte Beschwerdemöglichkeit
beträgt bei Pacht Fr. 30’000.- und bei Miete Fr. 15’000.-), ist die
Frage im Berufungsverfahren dennoch zu entscheiden.
Gemäss früherer
Rechtsprechung führte der Umstand, dass der Unternehmer mit und in den
ihm überlassenen Räumen zu Erträgnissen gelangen will, solange nicht zur
Annahme eines Pachtverhältnisses, als diese Erträgnisse vor allem auf
seine Tätigkeit und nicht auf den blossen Gebrauch der Sache
zurückzuführen waren. Da in einem Gastronomiebetrieb ohne Eigenleistung
keine Erträgnisse anfallen und in der Regel auch keine Kundschaft
«mitverkauft» werden kann, wurde ein Gastronomiebetrieb gemäss dieser
Rechtsprechung grundsätzlich vermietet und nicht verpachtet, selbst wenn
nebst den Räumlichkeiten auch Inventar überlassen wurde (vgl. BGE 103
II 247 E. 2 S. 252 ff.). Gemäss der neuen Rechtsprechung des
Bundesgerichts ist ein Vertrag allerdings als Pacht und nicht als Miete
zu qualifizieren, wenn neben den Räumen die vollständige Einrichtung
eines Geschäfts oder Gewerbebetriebs überlassen wird (BGE 128 III 419 =
Pra 2003 Nr. 7 E. 2.1; Urteil des Bundesgerichts 4C.43/2000 vom 21. Mai
2001 E. 2a). Vorliegend wurde nebst den Räumlichkeiten keine
vollständige Einrichtung zum Betrieb überlassen (vgl. Pachtvertrag, bB
2, Ziff. 1 und 2). Somit ist der hier interessierende Vertrag auch
gemäss der neuen Rechtsprechung als Mietvertrag zu qualifizieren.
Décision
51/1 - Miet- oder Pachtvertrag?