Kündigung wegen Zahlungsrückstandes

Base légale

Nom du tribunal

Obergericht des Kantons Aargau

Date

01.07.1998

Résumé

Mit der Hinterlegung gelten die Mietzinse als bezahlt. Nur wenn eine Hinterlegung offensichtlich missbräuchlich erfolgt, kann die Vermieterschaft nach Artikel 257d OR vorgehen und wegen Zahlungsrückstandes kündigen. Die Hinterlegung ist nicht offensichtlich missbräuchlich, wenn die mündlich vereinbarten Nutzungsbefugnisse der Mieterschaft betreffend Keller, Estrich und Garten eingeschränkt wurden.

Exposé des faits

Seit November 1993 bewohnen die Beklagten eine 4-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss der Liegenschaft der zwischenzeitlich verschiedenen J. B. Am 19. Juni 1995 unterzeichneten die Beklagten sowie Frau J. B. einen auf den 30. April 2005 befristeten Mietvertrag. Die Beklagten montierten auf einem Schuppen eine Parabolantenne und errichteten im Garten ein Cheminée sowie ein Gartenhaus. Mit Kaufvertrag vom 29. Januar 1997 erwarb der Kläger die Liegenschaft. In der Folge demontierte er die Parabolantenne. Mit Eingabe vom 28. Oktober 1997 leiteten die Beklagten ein Schlichtungsverfahren betreffend "Mietzinshinterlegung, Beseitigung von Mängeln sowie Herabsetzung des Mietzinses" ein und hinterlegten den Mietzins für den Monat Oktober bei der Schlichtungsstelle, nachdem dies dem Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 1997 angedroht worden war. Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Kündigungsschreiben vom 13. November 1997.
Der Präsident des Bezirksgerichts erkannte mit Urteil vom 16. Februar 1998, die Kündigung sei gültig. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagten hätten den Mietzins in Anwendung von Art. 259g Abs.1 OR hinterlegt, ohne dass die hierzu erforderliche materielle Voraussetzung eines Mangels vorgelegen wäre. Deshalb sei die Hinterlegung wirkungslos gewesen und die befreiende Wirkung gemäss Art. 259g Abs. 2 OR nicht eingetreten. Die Beklagten seien in Zahlungsverzug geraten, weshalb der Kläger rechtsgültig gekündigt habe. Die Beklagten gelangten daraufhin ans Obergericht.

Considérations

2.a) Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde (Art. 257d Abs. 1 Satz 1 OR). Bezahlt der Mieter innert der gesetzten Frist nicht, so kann der Vermieter fristlos, bei Wohn- und Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines Monats kündigen (Art. 257d Abs. 2 OR).

2.b) Der Mieter einer mangelhaften, unbeweglichen Mietsache gerät trotz Zahlungsrückstand nicht in Verzug, wenn er zu Recht seine Leistung verweigert und z.B. die Mietzinse hinterlegt. Mit der ordnungsgemässen Hinterlegung gilt der Mietzins als bezahlt (Art. 259g Abs. 2 OR) und der Vermieter kann nicht nach Art. 257d OR vorgehen. (Higi, Zürcher Kommentar zu Art. 253 – 265 OR, Zürich 1994, N 12, 16 und 18 zu Art. 257d OR). Die befreiende Wirkung von Art. 259g Abs. 2 OR tritt nicht ein, wenn im Zeitpunkt der Hinterlegung nicht sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind (Higi, N 43 zu Art. 259g OR). Es stellt sich die Frage, ob der Vermieter diesfalls zur ausserordentlichen Kündigung berechtigt ist. Higi (N 43 zu Art. 259g OR) führt hierzu aus, der Mieter gerate unter Umständen ohne weiteres in Zahlungsverzug und der Vermieter könne gestützt auf Art. 257d OR vorgehen. Ein Zahlungsverzug i.S.v. Art. 257d OR liege jedoch nur dann vor, wenn die Hinterlegung offensichtlich missbräuchlich erfolgt sei, wenn z.B. hinterlegt werde, obwohl augenscheinlich kein Mangel an der Mietsache vorliege und der Mieter mit der Hinterlegung andere Ziele verfolge (Higi, N 18 zu Art. 257d OR; gl. M. LACHAT, Die Hinterlegung des Mietzinses (Art. 259g – 259i OR) in: mp 1/93, S. 14). Zihlmann hält fest, dass der Vermieter weder zur Kündigung wegen Zahlungsrückstands (Art. 257d OR) noch zu einer ordentlichen Kündigung i.S. der Art. 266a – l OR berechtigt sei, wenn sich herausstelle, dass der Mieter wegen Fehlens einzelner Voraussetzungen nicht zur Hinterlegung berechtigt gewesen wäre. Eine derartige Kündigung sei krass unverhältnismässig und mithin anfechtbar im Sinne von Art. 271 OR (Zihlmann in: Honsell/Vogt/Wiegand, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Art. 1 – 529 OR, Basel/Frankfurt a.M. 1996, N 14 zu Art. 259g OR).
Die Vorinstanz zitiert Higi unvollständig. Ihrer Schlussnahme, dass gemäss "bewährter Lehre" der Vermieter ohne weiteres nach Art. 257d OR vorgehen könne, kann nicht zugestimmt werden.

2.c) Es ist somit lediglich zu prüfen, ob die Beklagten in offensichtlich treuwidriger oder rechtsmissbräuchlicher Weise hinterlegten. Vorab ist festzuhalten, dass ein Mangel an der Mietsache vorliegt, wenn der Vermieter die Mietsache dem Mieter nicht zum vereinbarungsgemässen Gebrauch überlässt. Dieser bestimmt sich nach der schriftlichen bzw. mündlichen Vereinbarung sowie dem allgemein üblichen Gebrauch. Eine getroffene Vereinbarung kann im Nachhinein auch stillschweigend abgeändert werden (Higi, N 17 ff. zu Art. 258 OR). Es ergibt sich nun aus den Akten und ist unbestritten, dass die Verstorbene J.B. den Beklagten Nutzungsbefugnisse einräumte, welche nicht im schriftlichen Mietvertrag geregelt waren. Ob der Kläger diese dadurch, dass er die Parabolantenne abmontierte und die Benutzung von Estrich, Keller und Garten einschränkte, in Verletzung seiner durch das Mietverhältnis begründeten Pflichten beeinträchtigte und damit die Mietsache nicht in mängelfreiem Zustand überliess (vgl. hierzu Higi, N 31 ff. zu Art. 258 OR), kann offenbleiben. Vorliegendenfalls spricht auf jeden Fall einiges dafür, dass aufgrund mündlicher oder stillschweigender Übereinkunft die Beklagten tatsächlich befugt waren, die Mietsache im von ihnen geltend gemachten Umfang zu nutzen. Auf jeden Fall erfolgte die Hinterlegung der Mietzinse nicht in offensichtlich treuwidriger oder rechtsmissbräuchlicher Weise. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Beklagten mit Erklärung vom 29. Januar 1997 auf die Nutzung des Schopfs, an welchem die Parabolantenne montiert war, verzichteten, erscheint doch immerhin als unklar, ob mit erwähntem Verzicht der Kläger befugt war, die Antenne zu entfernen und damit den Beklagten den Empfang von TV-Sendern zu erschweren. Der Kläger war nicht zur ausserordentlichen Kündigung berechtigt. Diese ist unwirksam (vgl. BGE 121 lll 162 E. 1c/bb; HIGI, N 47 zu Art. 257d OR). Das Ausweisungsbegehren des Klägers ist demgemäss abzuweisen.

Décision

35/3 - Kündigung wegen Zahlungsrückstandes

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