Kündigung wegen Zahlungsrückstandes
Base légale
- Art. 257d CO
- Art. 259g al. 2 CO
Nom du tribunal
Obergericht des Kantons Aargau
Date
01.07.1998
Résumé
Mit der Hinterlegung gelten die Mietzinse als bezahlt. Nur wenn eine Hinterlegung offensichtlich missbräuchlich erfolgt, kann die Vermieterschaft nach Artikel 257d OR vorgehen und wegen Zahlungsrückstandes kündigen. Die Hinterlegung ist nicht offensichtlich missbräuchlich, wenn die mündlich vereinbarten Nutzungsbefugnisse der Mieterschaft betreffend Keller, Estrich und Garten eingeschränkt wurden.
Exposé des faits
Seit November 1993 bewohnen die Beklagten eine 4-Zimmer-Wohnung im
Erdgeschoss der Liegenschaft der zwischenzeitlich verschiedenen J. B. Am
19. Juni 1995 unterzeichneten die Beklagten sowie Frau J. B. einen auf
den 30. April 2005 befristeten Mietvertrag. Die Beklagten montierten auf
einem Schuppen eine Parabolantenne und errichteten im Garten ein
Cheminée sowie ein Gartenhaus. Mit Kaufvertrag vom 29. Januar 1997
erwarb der Kläger die Liegenschaft. In der Folge demontierte er die
Parabolantenne. Mit Eingabe vom 28. Oktober 1997 leiteten die Beklagten
ein Schlichtungsverfahren betreffend "Mietzinshinterlegung, Beseitigung
von Mängeln sowie Herabsetzung des Mietzinses" ein und hinterlegten den
Mietzins für den Monat Oktober bei der Schlichtungsstelle, nachdem dies
dem Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 1997 angedroht worden war. Der
Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Kündigungsschreiben vom 13.
November 1997.
Der Präsident des Bezirksgerichts erkannte mit Urteil
vom 16. Februar 1998, die Kündigung sei gültig. Zur Begründung wurde im
Wesentlichen ausgeführt, die Beklagten hätten den Mietzins in Anwendung
von Art. 259g Abs.1 OR hinterlegt, ohne dass die hierzu erforderliche
materielle Voraussetzung eines Mangels vorgelegen wäre. Deshalb sei die
Hinterlegung wirkungslos gewesen und die befreiende Wirkung gemäss Art.
259g Abs. 2 OR nicht eingetreten. Die Beklagten seien in Zahlungsverzug
geraten, weshalb der Kläger rechtsgültig gekündigt habe. Die Beklagten
gelangten daraufhin ans Obergericht.
Considérations
2.a) Ist der Mieter nach der Übernahme der Sache mit der Zahlung
fälliger Mietzinse oder Nebenkosten im Rückstand, so kann ihm der
Vermieter schriftlich eine Zahlungsfrist setzen und ihm androhen, dass
bei unbenütztem Ablauf der Frist das Mietverhältnis gekündigt werde
(Art. 257d Abs. 1 Satz 1 OR). Bezahlt der Mieter innert der gesetzten
Frist nicht, so kann der Vermieter fristlos, bei Wohn- und
Geschäftsräumen mit einer Frist von mindestens 30 Tagen auf Ende eines
Monats kündigen (Art. 257d Abs. 2 OR).
2.b) Der Mieter einer
mangelhaften, unbeweglichen Mietsache gerät trotz Zahlungsrückstand
nicht in Verzug, wenn er zu Recht seine Leistung verweigert und z.B. die
Mietzinse hinterlegt. Mit der ordnungsgemässen Hinterlegung gilt der
Mietzins als bezahlt (Art. 259g Abs. 2 OR) und der Vermieter kann nicht
nach Art. 257d OR vorgehen. (Higi, Zürcher Kommentar zu Art. 253 – 265
OR, Zürich 1994, N 12, 16 und 18 zu Art. 257d OR). Die befreiende
Wirkung von Art. 259g Abs. 2 OR tritt nicht ein, wenn im Zeitpunkt der
Hinterlegung nicht sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind (Higi, N 43 zu
Art. 259g OR). Es stellt sich die Frage, ob der Vermieter diesfalls zur
ausserordentlichen Kündigung berechtigt ist. Higi (N 43 zu Art. 259g
OR) führt hierzu aus, der Mieter gerate unter Umständen ohne weiteres in
Zahlungsverzug und der Vermieter könne gestützt auf Art. 257d OR
vorgehen. Ein Zahlungsverzug i.S.v. Art. 257d OR liege jedoch nur dann
vor, wenn die Hinterlegung offensichtlich missbräuchlich erfolgt sei,
wenn z.B. hinterlegt werde, obwohl augenscheinlich kein Mangel an der
Mietsache vorliege und der Mieter mit der Hinterlegung andere Ziele
verfolge (Higi, N 18 zu Art. 257d OR; gl. M. LACHAT, Die Hinterlegung
des Mietzinses (Art. 259g – 259i OR) in: mp 1/93, S. 14). Zihlmann hält
fest, dass der Vermieter weder zur Kündigung wegen Zahlungsrückstands
(Art. 257d OR) noch zu einer ordentlichen Kündigung i.S. der Art. 266a –
l OR berechtigt sei, wenn sich herausstelle, dass der Mieter wegen
Fehlens einzelner Voraussetzungen nicht zur Hinterlegung berechtigt
gewesen wäre. Eine derartige Kündigung sei krass unverhältnismässig und
mithin anfechtbar im Sinne von Art. 271 OR (Zihlmann in:
Honsell/Vogt/Wiegand, Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Art. 1 –
529 OR, Basel/Frankfurt a.M. 1996, N 14 zu Art. 259g OR).
Die
Vorinstanz zitiert Higi unvollständig. Ihrer Schlussnahme, dass gemäss
"bewährter Lehre" der Vermieter ohne weiteres nach Art. 257d OR vorgehen
könne, kann nicht zugestimmt werden.
2.c) Es ist somit lediglich
zu prüfen, ob die Beklagten in offensichtlich treuwidriger oder
rechtsmissbräuchlicher Weise hinterlegten. Vorab ist festzuhalten, dass
ein Mangel an der Mietsache vorliegt, wenn der Vermieter die Mietsache
dem Mieter nicht zum vereinbarungsgemässen Gebrauch überlässt. Dieser
bestimmt sich nach der schriftlichen bzw. mündlichen Vereinbarung sowie
dem allgemein üblichen Gebrauch. Eine getroffene Vereinbarung kann im
Nachhinein auch stillschweigend abgeändert werden (Higi, N 17 ff. zu
Art. 258 OR). Es ergibt sich nun aus den Akten und ist unbestritten,
dass die Verstorbene J.B. den Beklagten Nutzungsbefugnisse einräumte,
welche nicht im schriftlichen Mietvertrag geregelt waren. Ob der Kläger
diese dadurch, dass er die Parabolantenne abmontierte und die Benutzung
von Estrich, Keller und Garten einschränkte, in Verletzung seiner durch
das Mietverhältnis begründeten Pflichten beeinträchtigte und damit die
Mietsache nicht in mängelfreiem Zustand überliess (vgl. hierzu Higi, N
31 ff. zu Art. 258 OR), kann offenbleiben. Vorliegendenfalls spricht auf
jeden Fall einiges dafür, dass aufgrund mündlicher oder
stillschweigender Übereinkunft die Beklagten tatsächlich befugt waren,
die Mietsache im von ihnen geltend gemachten Umfang zu nutzen. Auf jeden
Fall erfolgte die Hinterlegung der Mietzinse nicht in offensichtlich
treuwidriger oder rechtsmissbräuchlicher Weise. Daran ändert auch die
Tatsache nichts, dass die Beklagten mit Erklärung vom 29. Januar 1997
auf die Nutzung des Schopfs, an welchem die Parabolantenne montiert war,
verzichteten, erscheint doch immerhin als unklar, ob mit erwähntem
Verzicht der Kläger befugt war, die Antenne zu entfernen und damit den
Beklagten den Empfang von TV-Sendern zu erschweren. Der Kläger war nicht
zur ausserordentlichen Kündigung berechtigt. Diese ist unwirksam (vgl.
BGE 121 lll 162 E. 1c/bb; HIGI, N 47 zu Art. 257d OR). Das
Ausweisungsbegehren des Klägers ist demgemäss abzuweisen.
Décision
35/3 - Kündigung wegen Zahlungsrückstandes