Kündigung infolge Sanierung
Base légale
Nom du tribunal
Bezirksgericht Kriens
Date
04.04.2011
Résumé
Die vermietende Partei hat den Kündigungsgrund, das heisst im konkreten Fall den Willen, die Wohnung umfassend zu sanieren, glaubhaft zu machen. Dieser Nachweis gelingt, da der Sanierungsbedarf klar ausgewiesen ist und alle übrigen Wohnungen der Liegenschaft bereits renoviert wurden. Obschon noch keine konkreten Offerten vorliegen, ist die Absicht, die Wohnung umzubauen, genügend glaubhaft gemacht. Ein Verbleib des Mieters ist aufgrund des Sanierungsvolumens nicht möglich.
Exposé des faits
Die Parteien schlossen am 15. Januar 1986 einen Mietvertrag über eine
4
½-Zimmerwohnung. Mietbeginn war am 1. Februar 1986. Der anfängliche
Mietzins inkl. Nebenkosten von Fr. 750.– wurde im Juni 1998 auf
Fr.
838.– erhöht und ist bis heute unverändert. Der Kläger kündigte das
Mietverhältnis mit Schreiben vom 22. Februar 2010 per 30. Juni 2010
wegen Umbauarbeiten. Mit Schreiben vom 16. März 2010 hat der Beklagte
die Kündigung angefochten und verlangte eine Erstreckung. Die
Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht hat mit Entscheid von 15. Juni
2010 die Kündigung aufgehoben.
Mit Klage vom 27. August 2010
verlangte der Kläger, der Entscheid der Schlichtungsbehörde für Miete
und Pacht vom 15. Juni 2010 sei aufzuheben und es sei festzustellen,
dass die Kündigung vom 22. Februar 2010 gültig sei. Zur Begründung führt
der Kläger zusammengefasst aus, die Wohnung des Beklagten sei letztmals
vor dessen Einzug saniert worden. Während des Mietverhältnisses mit dem
Beklagten seien ausschliesslich Reparaturarbeiten vorgenommen worden.
Im Jahr 2001/2002 habe der Kläger die 4 ½-Zimmerwohnungen des Beklagten
gleichzeitig mit zwei anderen 4 ½-Zimmerwohnungen sanieren lassen
wollen, habe dann jedoch darauf verzichtet. Der Beklagte habe sich keine
höheren Mietzinse leisten können. Mit Schreiben vom 23. September 2008
habe der Beklagte verschiedene Mängel geltend gemacht. Er habe sich
deshalb entschieden, die Wohnung des Beklagten endlich total zu
sanieren.
Der Beklagte machte geltend, bei der Kündigung handle es
sich um eine Rachekündigung. Die Kündigungsbegründung sei nachweislich
falsch und zwecks Vertuschung der effektiven Kündigungsmotivation
lediglich vorgeschoben.
Considérations
5. Kündigung : Der Kläger macht ein schützenswertes und legitimes
Interesse an der Sanierung der Liegenschaft geltend. Der Beklagte
hingegen bringt vor, es handle sich vorliegend um eine Rachekündigung
und der Kläger habe seine Sanierungsabsichten nicht belegt.
5.1 Anfechtbarkeit
: Nach Art. 271 Abs. 1 OR ist eine Kündigung anfechtbar, wenn sie gegen
Treu und Glauben verstösst. Im Gegensatz zu
Art. 2 Abs. 2 ZGB muss
es sich dabei nicht um einen offensichtlichen Rechtsmissbrauch handeln.
Unter Art. 271 Abs. 1 OR fällt jede Kündigung, die sich auf kein
schutzwürdiges Interesse stützt, die aus reiner Schikane ausgesprochen
wird, die ein unlauteres und illoyales Verhalten darstellt, die zu einem
offenkundigen Missverhältnis der auf dem Spiel stehenden Interessen
führt oder deren Begründung ein offensichtlicher Vorwand ist (Lachat et
al., Mietrecht für die Praxis, 2009, Kap. 29 Ziff. 4.4, SVIT-Kommentar,
2008, N 20 f. zu Art. 271 OR). Eine Kündigung ist somit nicht nur
anfechtbar, wenn sie grundlos erfolgt; vielmehr ist zur Gültigkeit ein
vernünftiger Grund erforderlich, der auch einen gewissenhaften,
rücksichtsvollen und korrekten Vertragspartner in der gleichen Situation
zur Kündigung veranlassen würde (Weber, Basler Kommentar, 2007, N 4 zu
Art. 271/271a OR). In Art. 271a OR werden beispielhaft Tatbestände der
missbräuchlichen Kündigung aufgezählt. Liegt keiner dieser Fälle vor,
kann die Kündigung nach den allgemeinen Grundsätzen von Art. 271 OR
anfechtbar sein (Lachat et al., a.a. O., Kap. 29 Ziff. 4.2).
5.2 Beweislast
: Die kündigende Partei trägt die Beweislast für die Verwirklichung des
angegebenen Kündigungsgrundes, sofern dessen Verwirklichung bestritten
ist. Die gekündigte Partei trägt demgegenüber die Beweislast für die
strittigen Tatsachen, aus denen sich nach ihrer Sachdarstellung die
Treuwidrigkeit der Kündigung ergeben soll (Higi, Zürcher Kommentar,
1996, N 163 ff. zu Art. 271 OR). Verschiedene Autoren verlangen den
vollen Beweis des Kündigenden für die Verwirklichung des
Kündigungsgrundes (vgl. Lachat et al., a.a.O., Kap. 29 Ziff. 7, Weber,
a.a.O., N 30 zu Art. 271/271a OR, Higi, a.a.O., N 163 zu Art. 271 OR).
Für das Bundesgericht genügt es, dass der Kündigende die Gründe
zumindest glaubhaft macht. Glaubhaftmachung genügt namentlich dann, wenn
die Kündigung auf einem Willensentschluss des Kündigenden beruht,
mithin auf inneren Tatsachen (SVIT-Kommentar, a.a.O., N 40a f. zu Art.
271 OR mit Verweisen). Eine Behauptung ist dann glaubhaft gemacht, wenn
der Richter von ihrer Wahrheit nicht völlig überzeugt ist, sie aber
überwiegend für wahr hält, obwohl nicht alle Zweifel beseitigt werden
konnten (Vogel/Spühler, Grundriss des Zivilprozessrechts, 2006, Kap. 10 N
26). Vorliegend hat der Kläger demnach den Kündigungsgrund glaubhaft zu
machen.
5.3 Begründung der Kündigung : Die Begründung der
Kündigung muss inhaltlich richtig und wahr sein. Der Kündigungsempfänger
muss die Motivation des Kündigenden nachvollziehen können. Wird ein
Kündigungsgrund vorgeschoben, stellt dies eine Verletzung von Treu und
Glauben dar. Die kündigende Partei ist an ihre Begründung der Kündigung
gebunden (Weber, a.a.O., N 33 zu Art. 271/271a OR, Lachat et al.,
a.a.O., Kap. 29 Ziff. 3.8 f., SVIT-Kommentar, a.a.O., N 48 Art. 271 OR).
Der
Kläger hat dem Beklagten mit der Begründung gekündigt: „Die Wohnung
wird umgebaut.“ Der Kläger bringt vor, er habe hinreichend dargelegt,
dass er bereits mehrere Male versucht habe, die Wohnung des Beklagten zu
sanieren. In Absprache mit der Amtsvormundschaft sei darauf jeweils
verzichtet worden. Die Wohnung des Beklagten sei die einzige Wohnung,
welche im Haus noch nie saniert worden sei. Der Beklagte geht von einer
Rachekündigung aus, weil er diverse Mängel bezüglich Bodenbelägen,
Fenstern und Fensterläden, Balkonbelag, Wassernutzung im WC und der
Küche sowie dem Heizkörper geltend gemacht habe. Insbesondere seien das
Eindringen von Wasser in die Stube bei Regen infolge ungenügenden
Balkonbelags und das defekte Heizsystem sowie die feuchten, mit
Schimmelpilz behafteten, gewölbten Bodenbeläge und die undichten Fenster
gerügt worden. Ebenfalls sei die Regulierung von Kalt- und Warmwasser
aufgrund der defekten Wasserhähne in Küche und Bad beanstandet worden.
Zudem sei die Kündigung mit angeblichen Sanierungsarbeiten begründet
worden, obwohl Unterlagen für das entsprechende Vorhaben weder im
relevanten Kündigungszeitpunkt vom Februar 2010 noch heute vorliegen
würden. Schliesslich habe der Kläger nicht belegt, dass er effektiv
Arbeiten im behaupteten Umfang verrichten werde.
5.3.1 Aufgrund
der Beweislastverteilung hat der Kläger glaubhaft zu machen, dass die
Wohnung umgebaut wird, wie anlässlich der Kündigung geltend gemacht. Er
hat demnach alle notwendigen Unterlagen für die Beurteilung des
Kündigungsgrundes vorzulegen (BGE 135 III 112 E. 4.1 119).
5.3.2 Der
Kläger legt diverse Abrechnungen und Zusammenstellungen betreffend den
Umbau der 4 ½-Zimmerwohnungen im 1. Obergeschoss und 2. Obergeschoss und
der 1 ½-Zimmerwohnung im Erdgeschoss auf. Das Umbauvolumen des
strittigen Mietobjekts sei mit demjenigen Umbau der 4 ½-Zimmerwohnung im
1. Obergeschoss vergleichbar. Im Jahr 2001 wurden für die entsprechende
Wohnung Investitionen im Umfang von
Fr. 44‘740.40 getätigt. Es ist
dargelegt, dass bis auf die Wohnung des Beklagten alle Wohnungen
mindestens einmal saniert wurden. Zudem bot der Kläger dem Beklagten
1995 den Einbau einer neuen Küche an. Im Jahr 2001/2002 wollte der
Kläger gleichzeitig die 4 ½-Zimmerwohnung des Beklagten mit zwei anderen
4 ½-Zimmerwohnungen im Haus sanieren. Dies wird vom Beklagten nicht
bestritten. Der Sanierungsbedarf der Wohnung ist klar ausgewiesen.
Schliesslich wohnt der Beklagte seit rund 25 Jahren in der Wohnung und
hat mit den entsprechenden Mängelrügen auf den Renovationsbedarf
aufmerksam gemacht. Der Kläger hat sich währenddessen auf die
notwendigsten Reparaturen beschränkt. Es ist nachvollziehbar, dass der
Kläger die Wohnung des Beklagten dem Standard der übrigen Wohnungen im
Haus anpassen möchte. Der Investitionswille des Klägers in die
Liegenschaft ist mit den diversen Sanierungen der übrigen Wohnungen denn
auch genügend glaubhaft gemacht. Auch wenn der Kläger im vorliegenden
Fall keine konkreten Offerten für den Umbau der Wohnung des Beklagten
auflegt, so hat er mit den übrigen aufgelegten Urkunden seinen Willen
zur Instandhaltung und Sanierung der Liegenschaft gezeigt. Sodann
handelt es sich um die Sanierung einer Wohnung und nicht einer ganzen
Liegenschaft, was einer weniger umfassenden Planung bedarf. Dass keine
einzige Offerte aufgelegt werden konnte, fällt auf. Immerhin wurde die
Sanierung des vergleichbaren Objekts vor zehn Jahren durchgeführt. Der
Kläger erklärt die fehlenden Unterlagen damit, dass noch evaluiert
werde, welche Handwerker zu welchem Preis aufgeboten werden. Die Absicht
des Klägers, die Wohnung des Beklagten umbauen zu wollen, ist mithin
nicht schlüssig bewiesen, aber genügend glaubhaft gemacht, obschon keine
konkreten Pläne bzw. Offerten vorliegen. Einen genügend ernsthaften
Sanierungswillen hat der Kläger mit der Sanierung der übrigen Wohnungen
gezeigt. Gestützt auf die Ausführungen des Beklagten gegenüber der
Mietschlichtstelle sind im Übrigen die Mängel massiv und nicht nur mit
kleinen Reparaturen behebbar. Es ist somit davon auszugehen, dass der
geltend gemachte Kündigungsgrund wahr ist.
5.4 Notwendigkeit des
Auszugs : Folglich stellt sich vorliegend die Frage, ob ein Auszug des
Beklagten aufgrund der Sanierung tatsächlich notwendig ist. Der Kläger
erklärt, dass ein Verbleib in der Wohnung nicht möglich sei bzw. zu
erheblichen Verzögerungen führen würde. Der Beklagte entgegnet, dass ein
Verbleib in der Wohnung sehr wohl möglich sei. Schliesslich sei kein
Auszug des betreffenden Vermieters aus einer anderen sanierten Wohnung
nötig gewesen, obschon die Heizung und die Wasserleitung erneuert worden
seien. Der Kläger bestreitet dies und macht geltend, dass alle
Sanierungen während eines Mieterwechsels vorgenommen worden seien.
Der
Vermieter kann ein Mietverhältnis kündigen in der Absicht, das
Mietobjekt umzubauen. Dabei muss der geplante Umbau ein derartiges
Ausmass erreichen, dass er nur ohne die Anwesenheit des Mieters
durchgeführt werden kann (Lachat et al., a.a.O., Kap. 12 Ziff. 3.3).
Umfassende Sanierungsarbeiten führen erfahrungsgemäss zu Immissionen und
Störungen, die eine Weiterbenutzung der Wohnung erheblich erschweren.
Selbst wenn ein Verbleib in der Wohnung denkbar sein sollte, so wäre
dies regelmässig mit beträchtlichen bautechnischen und organisatorischen
Erschwerungen verbunden und würde so zu einer erheblichen Verzögerung
der Bauarbeiten führen. Der Vermieter, der die anstehenden Arbeiten nach
bautechnischen und ökonomischen Kriterien durchführen möchte, ist auf
die vorgängige Räumung des Mietobjekts angewiesen. Von einer umfassenden
Sanierung ist auszugehen, wenn sämtliche Leitungen, das Heizsystem, das
Bad usw. sowie auch, wenn Wand- und Bodenbeläge zu erneuern sind (Higi,
a.a.O., N 87 zu Art. 271 OR, BGE 135 III 112 E. 4.2.120.).
Der
Kläger beabsichtigt, sämtliche Teppichböden durch Parkettböden zu
ersetzen, die Tapeten und Isolation zu entfernen und zu erneuern, eine
neue Küche einzubauen sowie im Badezimmer die Platten und die gesamte
sanitäre Einrichtung zu erneuern. In Küche und Bad sollen zudem die
Leitungen ersetzt werden. Der Balkon soll abgedichtet, mit einer neuen
Balkonbrüstung versehen und der Boden erneut werden. Die Rollläden
sollen ausgewechselt und eine neue Heizung installiert werden. Diese
Sanierungsarbeiten entsprechen den Arbeiten wie sie bereits anlässlich
der Sanierung der 4 ½- Zimmerwohnung im 2. Obergeschoss ausgeführt
worden sind.
Vorliegend ist mithin von einer umfassenden Sanierung –
insbesondere da eine neue Heizung installiert und sämtliche Leitungen
ersetzt werden sollen – der Wohnung des Beklagten auszugehen. Es kann
dem Kläger kein Verstoss gegen Treu und Glauben vorgeworfen werden.
Schliesslich ist nicht belegt und wird vom Kläger bestritten, wonach der
Mieter anlässlich der Sanierung einer anderen Wohnung in den
Räumlichkeiten habe bleiben können. Selbst wenn ein Verbleib vorliegend
möglich sein sollte, würde dies zu erheblichen Verzögerungen der
Bauarbeiten führen. Ein Verbleib des Beklagten in der Wohnung während
der Sanierung ist demnach aufgrund des Sanierungsvolumens nicht möglich.
…
Das Mietverhältnis wird für die Dauer von 21 Monaten erstreckt.
Décision
49/9 - Kündigung infolge Sanierung