Kostendeckende Bruttorendite
Base légale
Nom du tribunal
Obergericht des Kantons Thurgau
Date
02.03.2010
Résumé
Die Artikel 269 ff. OR sind anwendbar, da es sich nicht um ein luxuriöses Objekt im Sinne von Artikel 253b Absatz 2 OR handelt. Die Berufung auf eine nicht kostendeckende Bruttorendite ist nur zulässig, wenn ein gültiger Vorbehalt vorliegt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt bei einer Handänderung: Bei einem Handwechsel ist eine Berufung auf nicht kostendeckende Bruttorendite trotz fehlendem Vorbehalt möglich, da die Vertrauensgrundlage durch den Verkauf verändert wird. Diese Ausnahmebestimmung kommt jedoch im vorliegenden Fall nicht zum Zuge, da zwischen Verkäuferin und Käuferin eine nahe Beziehung besteht.
Exposé des faits
Die X. AG liess ab 2005 als Bauherrin und Eigentümerin eine
Reiheneinfamilienhaus-Überbauung erstellen. Mitte Juni 2006 meldeten C.
und D. erstmals ihr Interesse an, ein solches Reiheneinfamilienhaus zu
mieten. Am 19. Juni 2006 unterzeichneten sie eine von der X. AG
erstellte und mit ''Reservationsvertrag'' überschriebene Urkunde; darin
war von einem Nettomietzins von Fr. 2'400.– für das Haus einschliesslich
Tiefgaragenparkplatz die Rede. Mit Schreiben vom 19. Juni 2006
bestätigte die Z. GmbH einen monatlichen Nettomietzins von insgesamt Fr.
2'400.–. Anfangs April 2007 bezogen C. und D. mit ihren Kindern das
Haus. Kurz nach dem Einzug sandte die Z. GmbH einen Formularmietvertrag,
in dem im Unterschied zum ''Reservationsvertrag'' ein Mietzinsvorbehalt
enthalten war: C. und D. unterzeichneten diesen Vertrag nicht. In der
Folge zahlten sie monatlich einen Mietzins von Fr. 2'400.– zuzüglich
Nebenkosten. Am 26. November 2007 veräusserte die X. AG das Mietobjekt
an B., worauf diese C. und D. am 19. Dezember 2007 über die von ihr
beabsichtigte Mietzinserhöhung informierte. Am 5. März 2008 teilte B.
mit amtlichem Formular mit, sie wolle den bisherigen Mietzins per 1.
Juli 2008 von Fr. 2'400.– auf Fr. 2'790.– erhöhen; zur Begründung führte
sie an, der bisherige Jahresmietzins ergebe bei Anlagekosten von rund
Fr. 610'000.– keine kostendeckende Bruttorendite i.S. von Art. 269a lit.
c OR. Dagegen gelangten C. und D. am 2. April 2008 an die
Mietschlichtungsbehörde Kreuzlingen.
Mit Weisung der
Mietschlichtungsbehörde Kreuzlingen vom 19. Mai 2008 verlangten C. und
D. die Mietzinserhöhung vom 5. März 2008 sei für unwirksam zu erklären.
Mit
Urteil vom 25./26. November 2009 schützte der Einzelrichter des
Bezirksgerichts Kreuzlingen die Klage und erklärte die mit amtlichem
Formular am 5. März 2008 mitgeteilte Mietzinserhöhung für ungültig.
Gegen dieses Urteil erklärte B. am 3. Dezember 2009 Berufung.
Considérations
2. Die Regeln über den Schutz vor missbräuchlichen Mietzinsen (Art. 269
ff. OR) sind entgegen der Ansicht der Berufungsklägerin anwendbar.
Gemäss Art. 253b Abs. 1 und 2 OR ist davon bloss die Miete von
luxuriösen Wohnungen und Einfamilienhäusern mit sechs oder mehr
Wohnräumen ausgenommen. Eine solche Ausnahme stellt das Einfamilienhaus
der Berufungsbeklagten nicht dar. Luxuriös ist im Sinn dieser Bestimmung
nur, was das übliche Mass an Komfort deutlich übersteigt oder einen
Standard aufweist, den man selten antrifft. Luxuselemente sind unter
anderem Schwimmbad, Sauna, Fitnessraum, repräsentative Eingangshalle,
ausserordentlich grosse Zimmer, Salon mit Cheminée, teure Bodenbeläge
wie Carrara-Marmor oder Massivparkett aus hochwertigen Hölzern, Lavabo
im Schlafzimmer, Privatlift, Serviceeingang oder aussergewöhnliche und
teure Mauer- und Fassadengestaltung (Lachat/Stoll/Brunner, Mietrecht für
die Praxis, 8.A., S. 56 f.; SVIT-Kommentar, Art. 253b OR N 12 ff.).
Davon kann beim fraglichen Mietobjekt nicht ernsthaft die Rede sein. Die
von der Berufungsklägerin ins Feld geführten Elemente wie Klebeparkett,
eine Küchenabdeckung aus Granit oder Holz/Metall-Fenster erfüllen
diesen hohen Standard ganz offensichtlich nicht.
3. Missbräuchlich
ist die Mietzinserhöhung unter anderem, wenn der Vermieter diese bei
einer wie hier neueren Baute nicht mit einer nicht kostendeckenden
Bruttorendite gemäss Art. 269a lit. c OR rechtfertigen kann; eine solche
Rechtfertigung gelingt der Berufungsklägerin nicht.
a) So ist dem
Vermieter die Berufung auf eine nicht kostendeckende Bruttorendite
bereits verwehrt, wenn er es unterliess, dafür im Mietvertrag einen
Vorbehalt anzubringen (BGE 118 II 126 f., 129; Lachat/- Stoll/Brunner,
S. 440 f.; SVIT-Kommentar, Art. 269a OR N 90; Weber, Basler Kommentar,
Art. 269d OR N 4). Das Erfordernis des Vorbehalts der nicht
kostendeckenden Bruttorendite ergibt sich aus dem Grundsatz von Treu und
Glauben. Der Mieter soll sich beim Abschluss des Mietvertrags darauf
verlassen können, dass der vereinbarte Mietzins dem Vermieter eine
kostendeckende Bruttorendite ermöglicht; allfällige Fehler bei der
Berechnung des Mietzinses hat deshalb der Vermieter zu tragen (BGE 117
II 457, 118 II 127). Einen solchen Vorbehalt brachte die
Berufungsklägerin beziehungsweise ihre Rechtsvorgängerin nicht in
zulässiger Weise an. So sah der ''Reservationsvertrag'' zwischen den
Berufungsbeklagten und der X. AG vom 19./20. Juni 2006
unbestrittenermassen keinen Vorbehalt vor. Die Vorinstanz legte in
diesem Zusammenhang zudem absolut zutreffend dar, dass mit diesem
''Reservationsvertrag'' zwischen den Parteien bereits ein gültiges
Mietverhältnis entstand und durch die Veräusserung nach Art. 261 Abs. 1
OR auf die Berufungsklägerin überging. Auch der angebliche
Untermietvertrag mit der Z. GmbH sowie der mit der Berufungsklägerin
nach dem Eigentumsübergang angeblich neu abgeschlossene Mietvertrag sind
unerheblich, da die Berufungsklägerin nicht behauptete, beim Abschluss
dieser Verträge einen Vorbehalt angebracht zu haben. Demgegenüber war
zwar im Formularmietvertrag, welchen die Berufungsbeklagten kurz nach
dem Einzug in die Mietliegenschaft von der Z. GmbH erhielten, ein
Mietzinsvorbehalt enthalten, doch unterschrieben die Berufungsbeklagten
diesen Vertrag nie. Selbst wenn sie aber unterschrieben hätten, änderte
sich nichts, da der Vorbehalt nicht gültig gewesen wäre: Nach Art. 18
VMWG hat der Vermieter den Vorbehalt in Franken oder Prozenten des
Mietzinses festzulegen, welche Voraussetzung mit der Formulierung ''Die
Mietzinsreserve beträgt monatlich Fr. 250.00'' zwar gegeben ist. Über
den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus muss der Vorbehalt zudem aber auch
begründet werden, wobei insbesondere die vorbehaltenen Anpassungsgründe
zu nennen sind (Lachat/Stoll/Brunner, S. 434; mietpraxis 1994 S. 135
f.). Diesen Anforderungen genügt der betreffende Vorbehalt mit der
völlig unverständlichen beziehungsweise mehrdeutigen Formulierung
''index 2007'' keinesfalls.
b) Der Vermieter kann sich allerdings
trotz fehlendem Vorbehalt auf eine nicht kostendeckende Bruttorendite
berufen, wenn der Mietvertrag nach einem Kauf gemäss Art. 261 Abs. 1 OR
auf ihn überging (BGE 118 II 126 f., 129; Lachat/Stoll/Brunner, S. 440
f.; SVIT-Kommentar, Art. 269a OR N 90): Bei einem Handwechsel geniesst
der Mieter grundsätzlich keinen Vertrauensschutz, weil die
Vertrauensgrundlage (die ursprüngliche Berechnungsgrundlage für den
Mietzins) unter Umständen durch den Verkauf verändert wird; insbesondere
können sich beispielsweise durch einen hohen Kaufpreis die Anlagekosten
entscheidend erhöhen (BGE 116 II 600 ff. (der Entscheid äussert sich
nur zu Art. 14 BMM [= Art. 269 OR], doch steht einer Anwendung auf Art.
269a lit. c OR nichts entgegen); mietpraxis 1994 S. 96;
Lachat/Stoll/Brunner, S. 386, 440 f.). Dieser Ausnahmetatbestand kommt
hier aber nicht zur Anwendung, obwohl das strittige Mietverhältnis durch
den Erwerb der Liegenschaft am 26. November 2007 auf die
Berufungsklägerin überging (Lachat/Stoll/Brunner, S. 440 f.). Wo sich
Käufer und Verkäufer aufgrund der konkreten Umstände in persönlicher
oder wirtschaftlicher Hinsicht nahe verbunden sind, muss verhindert
werden, dass das schützenswerte Vertrauen des Mieters auf den Bestand
des ursprünglich festgelegten Mietzinses durch Machenschaften des
Vermieters unterlaufen wird: Es besteht offensichtlich die Gefahr, dass
Mietobjekte zwischen nahestehenden Personen in der Absicht verschoben
werden, höhere Mietzinse zu erzielen; der Grund kann dabei darin liegen,
eine ursprünglich zu tief berechnete Bruttorendite zu korrigieren oder
eine höhere Bruttorendite durch einen absichtlich überhöhten Kaufpreis
zu erzielen (Vgl. zur Gesetzesumgehung Honsell, Basler Kommentar, Art. 2
ZGB N 31). Genau ein solches nahes Verhältnis besteht hier zwischen der
Berufungsklägerin als Käuferin und der X. AG als Verkäuferin. So kaufte
die Berufungsklägerin die Liegenschaft von der X. AG, bei der ihr
Ehemann A. im relevanten Zeitraum einziges Mitglied des Verwaltungsrats
und zudem ausschliesslich zeichnungsberechtigt war. Ausserdem waren
sowohl A. als auch die Berufungsklägerin die einzigen Gesellschafter der
Z. GmbH, über welche das Mietverhältnis zwischen den Berufungsbeklagten
und der X. AG abgewickelt wurde. Ferner bestehen mehr als nur genügende
Anhaltspunkte, dass der Verkauf der Liegenschaft insbesondere in der
Absicht erfolgte, eine zu tief berechnete Bruttorendite zu korrigieren:
So stellte die X. AG den Berufungsbeklagten im April 2007 und somit
unmittelbar nach deren Einzug in das Mietobjekt ein neues
Mietvertragsformular zu, welches einen (unzulässigen) Mietzinsvorbehalt
enthielt; die Berufungsbeklagten weigerten sich darauf, dieses Formular
zu unterzeichnen. In der Folge verkaufte die X. AG die Liegenschaft mit
Vertrag vom 26. November 2007 an die Berufungsklägerin, worauf diese
unbestrittenermassen bereits am 19. Dezember 2007 bei den
Berufungsbeklagten wegen einer Mietzinserhöhung vorsprach; am 5 März
2008 teilte die Berufungsklägerin die Mietzinserhöhung schliesslich mit
dem amtlichen Formular den Berufungsbeklagten mit. Die Absicht der
Gesetzesumgehung liegt damit auf der Hand.
Décision
48/5 - Kostendeckende Bruttorendite