Klare Begründung der Mietzinserhöhung
Base légale
- Art. 18 OBLF
- Art. 19 al. 1 litt. a ch. 4 OBLF
Nom du tribunal
Gerichtkreis X Thun
Date
09.07.2001
Résumé
Eine Mietzinsreserve setzt sich aus zahlreichen aufgelaufenen Erhöhungsfaktoren zusammen und umfasst damit mehrere Erhöhungsgründe. Um Artikel 19 VMWG gerecht zu werden, sind diese Erhöhungsgründe je in Einzelbeträgen auszuweisen.
Exposé des faits
Am 6. Juni 2000 schlossen die Klägerin und der Beklagte einen
Mietvertrag über eine 3½-Zimmer-Wohnung ab. Der Beklagte übernahm die
Wohnung von seiner ausserterminlich ausziehenden Vormieterin zu dem
selben Mietzins, den seine Vormieterin bezahlt hatte, für Fr. 891.-- pro
Monat plus monatliche Akontozahlung für Nebenkosten. Hingegen wurde die
Mietzinsbasis, welche für die Vormieterin galt, nicht in den Vertrag
des Beklagten übertragen. Die Klägerin passte diese den aktuellen
Gegebenheiten an und überwies nicht ausgeschöpfte Erhöhungsmöglichkeiten
für den Mietzins in die Mietzinsreserve. Hatte diese bei der
Vormieterin noch 4.42% betragen, so findet sich im Vertrag des Beklagten
nun ein Mietzinsvorbehalt von 11.73%. Die Zusammensetzung dieser
Reserve ist dem Vertrag nicht zu entnehmen. Mit Schreiben vom 10. Januar
2001 gab die Klägerin dem Beklagten eine Mietzinsänderung mit Wirkung
ab 1. Mai 2001 bekannt. Der Nettomietzins wurde auf Fr. 980.-- erhöht.
Die Mietzinsänderung wurde folgendermassen begründet:
Hypothekarzins Art. 13 VMWG:
bisher 4.00%, neu 4.25%, Schwankung 3.00%
Teuerungsausgleich Art. 16 VMWG:
bisher 183.20 P, neu 185.10 P, Schwankung 0.41%
Kostensteigerung Art. 12 VMWG:
bisher 04.2000, neu 04.2001, Schwankung 0.75%
Mietzinsreserve per 1.8.2000, Schwankung 11.73
Mietzinsreserve per 1.8.2001, Schwankung 5.22
Der Beklagte erachtet diese Erhöhung des Mietzinses als missbräuchlich.
Considérations
1.) Vorab stellt sich die Frage, ob der Kläger mit der "Übernahme des
Mietverhältnisses" seiner ausserterminlich ausziehenden Vormieterin in
deren Mietverhältnis eingetreten ist.
Art. 264 OR, der die vorzeitige
Rückgabe einer Mietsache regelt, geht allein auf das Verhältnis
zwischen kündendem Mieter und Vermieter ein. So hält er (unter anderem)
fest, der Mieter könne sich von seinen Verpflichtungen gegenüber dem
Vermieter nur befreien, wenn der Nachmieter bereit sei, den Mietvertrag
zu den gleichen Bedingungen zu übernehmen.
Das Verhältnis zwischen
Vermieter und neuem Mieter kommt in diesem Artikel nicht zur Sprache.
Insbesondere ist von Gesetzes wegen kein Eintritt in das
Vertragsverhältnis des Vormieters vorgesehen. Es sind somit keinerlei
Einschränkungen für die Gestaltung des neuen Vertragsverhältnisses
vorgesehen. Diese unterliegt vollumfänglich dem Willen der neuen
Vertragsparteien.
Vorliegend wurde zwischen der Klägerin und dem
Beklagten ein neues Dokument als Mietvertrag aufgesetzt. Es findet sich
darin keinerlei Verweis auf den Vertrag zwischen Vermieter und
Vormieterin. Zwischen Beklagtem und Klägerin wurde somit ein neuer
Vertrag abgeschlossen. Für den Beklagten gelten damit allein die in
seinem Vertrag vermerkten Bedingungen, und es sind ihm auch nur die in
seinem Vertrag aufgeführten Grundlagen für die Festlegung seines
Mietzinses bekannt.
2.) Art. 19 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 VMWG hält
fest, das Formular für die Mitteilung von Mietzinserhöhungen müsse eine
klare Begründung der Erhöhung enthalten. Wenn mehrere Erhöhungsgründe
geltend gemacht würden, so seien diese je in Einzelbeträgen auszuweisen.
Zweck dieser Bestimmung ist die Schaffung von Transparenz bei
Mietzinsanpassungen. Der Mieter soll in die Lage versetzt werden, Faktor
für Faktor nachvollziehen zu können, ob eine Mietzinserhöhung
gerechtfertigt ist.
2.a) Die Mitteilung der Mietzinserhöhung der
Klägerin zeigt einerseits übersichtlich auf, dass ein Teil der Anpassung
auf ein Ansteigen des Hypothekarzinses und des Landesindex der
Konsumentenpreise wie auch auf eine Kostensteigerung zurückzuführen ist.
Es wird dargelegt, in welchem Umfang sich die genannten Faktoren auf
den Mietzins auswirken. Diese Begründung genügt den Anforderungen von
Art. 19 Abs. 1 lit. a Ziff. 4 VMWG. Die aufgeführten Faktoren
rechtfertigen die dafür vorgesehene Mietzinserhöhung um total 4.16% oder
Fr. 37.-- (vgl. Art. 12, 13 und 16 der Verordnung über die Miete und
Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG).
2.b) Die angekündigte
Erhöhung des Mietzinses ging jedoch über diese Anpassungen hinaus; so
wurde weiter die Mietzinsreserve um 6.51% ausgeschöpft (es verbleiben
5.52%).
Die Mietzinsreserve setzt sich aus zahlreichen aufgelaufenen
Erhöhungsfaktoren zusammen und umfasst damit wiederum mehrere
Erhöhungsgründe. Um Art. 19 VMWG gerecht zu werden, sind diese
Erhöhungsgründe je in Einzelbeträgen auszuweisen. Das Aufführen des
"Sammel¬posten Mietzinsreserve" vermag der gesetzlichen
Begründungspflicht nicht zu genügen.
Dies wird auch aus
Rechtsprechung und Literatur zum Thema Mietzinsreserve ersichtlich.
Bereits für die Anbringung eines Mietzinsvorbehaltes wird eine
detaillierte Offenlegung der Zusammensetzung einer Mietzinsreserve
gefordert. So halten Lachat/Stoll/Brunner fest: (Ein Mietzinsvorbehalt)
muss in präziser Weise begründet sein; insbesondere muss die
Vermieterschaft die vorbehaltenen Anpassungsgründe nennen. Auch hier
finden die Bestimmungen über die Begründung einer Mietzinserhöhung
Anwendung (vgl. Lachat/Stoll/Brunner, Das Mietrecht für die Praxis,
Zürich 1999, S. 382). Im nicht publizierten BGE vom 24.2.1994
(Mietrechtspraxis 3/94, S. 135ff.) wird festgehalten, es gehe bei den
Anforderungen an die Vorbehaltserklärung einzig um den Schutz des
Mieters im Vertrauen auf den gegenwärtigen Mietpreis. Die Entwicklung
solle für ihn insoweit absehbar sein, als es sich um Faktoren handle,
welche im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses oder der Mietzinserhöhung
bereits bestünden. Das sei aber nur aus einer entsprechenden Begründung
ersichtlich. Es verstehe sich von selbst, dass diese den gleichen
Anforderungen wie eine Begründung der Mietzinserhöhung zu genügen habe.
Selbst
wenn die Ausschöpfung der Mietzinsreserve im vorgesehenen Umfang also
materiell gerechtfertigt wäre – formell ist sie mangels detaillierter
Begründung nicht korrekt erfolgt. Die ausgeprägte Formstrenge des
Mietrechts zieht aufgrund dieser formellen Mängel die Nichtigkeit
desjenigen Teils der Mietzinserhöhung nach sich, welche auf der
Ausschöpfung der Mietzinsreserve basiert.
Aufgrund dieser Sachlage
wird festgestellt, dass für die 3 ½-Zimmer-Wohnung ab 1. Mai 2001 eine
Mietzinserhöhung von 4.16% gerechtfertigt und damit ein Mietzins von Fr.
928.00 pro Monat nicht missbräuchlich ist.
Décision
35/12 - Klare Begründung der Mietzinserhöhung