Kein Abstellen auf den Buchwert
Base légale
Nom du tribunal
Mietgericht Zürich
Date
04.09.2003
Résumé
Ein Eigentümerwechsel, der zwar in formeller Hinsicht, nicht aber in wirtschaftlicher Hinsicht als Handänderung zu betrachten ist, bildet keinen Ausgangspunkt, auf Grund dessen der Anlagewert bzw. das investierte Eigenkapital zu ermitteln und die Nettorendite neu zu berechnen ist. Insbesondere kann nicht auf den Buchwert abgestellt werden.
Exposé des faits
Die Beklagten haben ab dem 1. Oktober 1997 eine 5 ½-Zimmer-Wohnung im 4.
OG in Z. gemietet. Der Nettomietzins betrug Fr. 2'483.-, zuzüglich
Nebenkosten. Im Verlaufe des Vertragsverhältnisses wurde der Mietzins
verschiedentlich veränderten Verhältnissen angepasst. Nach einer
Wohnungssanierung wurde dem Beklagten eine Erhöhung des Nettomietzinses
von Fr. 2'446.- auf Fr. 2'818.- pro Monat mitgeteilt. Die Beklagten
fochten die Mietzinserhöhung an. Anlässlich der Schlichtungsverhandlung
anerkannten sie eine Mietzinserhöhung auf Fr. 2'700.-. Über den darüber
hinausgehenden Betrag konnte zwischen den Parteien keine Einigung
erzielt werden. Die Beklagten machten geltend, mit einem Nettomietzins,
welcher Fr. 2'700.- übersteige, werde ein übersetzter Ertrag erzielt.
Die Liegenschaft sei 1984 erworben worden, anlässlich der Liquidation
der vorherigen Liegenschaftseigentümerin, der Pensionskasse M. Beim
öffentlich beurkundeten Abtretungsvertrag vom 19. Dezember 1984 handle
es sich eindeutig um eine Veräusserung von Grundstücken zum Buchwert.
Den effektiven Übernahmewert (gemeint ist der Buchwert) müsse sich die
Klägerin anrechnen lassen.
Considérations
2b In den vergangenen Jahren hatten sich die Gerichte mehrmals mit der
Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Voraussetzungen es dem (neuen)
Vermieter erlaubt sei, den Mietzins zwecks Erzielung einer angemessenen
Nettorendite zu erhöhen. Dabei erwog das Bundesgericht, dass dem
Vermieter diese Möglichkeit bei Eintritt veränderter Verhältnisse offen
stehe. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn das Mietobjekt aus
der staatlichen Mietpreiskontrolle entlassen wird (BGE 116 II 594 ff.;
BGE 117 II 77 ff.) oder wenn eine Staffelungs- oder Indexklausel abläuft
(BGE 121 III 397 ff.; 123 III 76 ff.). Sodann sind veränderte
Verhältnisse namentlich dann zu bejahen, wenn der neue Vermieter die
Liegenschaft kauft, also entgeltlich erwirbt (nicht in amtlicher
Sammlung publizierter Entscheid des Bundesgerichts vom 25. Januar 1994,
wiedergegeben in mp 2/94 S. 93 ff.). Indessen berechtigt nicht jede
Handänderung den Vermieter dazu, den Mietzins wegen ungenügender Rendite
zu erhöhen. Keinen für die Nettorenditeberechnung relevanten Vorgang
stellt z.B. die Veräusserung einer Mietsache dar, welche von der
Verwaltung in eigenem Namen – als indirekte Stellvertreterin des neuen
bisherigen Eigentümers – vermietet wird (Bundesgerichtsentscheid vom 19.
April 1994, auszugsweise wiedergegeben in MRA 1/96 S. 7 ff.). Das
Gleiche gilt bei einem Verkauf der Aktien einer
Liegenschaftengesellschaft oder bei einem blossen Erbgang, bei dem die
Erben als Universalsukzessoren in die Rechtsstellung des vormaligen
Eigentümers eintreten, ohne dass sich an den für die Ertragsrechnung
massgeblichen Grundlagen etwas ändert (ZK-Higi, N 350 zu Art. 269 OR,
unter Verweis auf N 8 zu Art. 261-261a OR). Im Gegensatz zum blossen
Erbgang kann bei einer Erbteilung jedoch allenfalls eine Änderung der
finanziellen Lage eintreten, welche einen für die Nettorenditeberechnung
relevanten Vorgang darstellt (vgl. z.B. Entscheid des Mietgerichts
Zürich vom 7. April 1994, publiziert in MRA 3/95 S. 126 ff.; Entscheid
des Obergerichts Zürich vom 27. August 1997, publiziert in MRA 2/98, N
41 ff. und Entscheid des Bundesgerichts vom 9. Juni 1999, wiedergegeben
in MRA 5/99, S. 189 ff.).
Aufgrund des Gesagten liegt nach Lehre und
Rechtsprechung eine Handänderung, welche den neuen Vermieter wegen einer
ungenügenden Nettorendite zu einer Mietzinsanpassung nach Art. 269 OR
berechtigt, demnach nur vor, wenn folgende zwei Voraussetzungen erfüllt
sind: Zum einen muss ein Eigentümer- bzw. Vermieterwechsel i.S. v. Art.
261 OR gegeben sein. Geht das Eigentum zufolge Universalsukzession –
z.B. durch Erbgang oder durch Fusion – auf den neuen Vermieter über,
besteht kein Anwendungsfall von Art. 261 OR, der allein zu einer
Erhöhung des Mietzinses zufolge ungenügenden Ertrags gemäss Art. 269 OR
berechtigt. Zum andern ist eine Veränderung der tatsächlichen
Verhältnisse erforderlich. Dies ist nur der Fall, wenn eine Änderung der
finanziellen Verhältnisse bzw. der Kostenstruktur bezüglich der
Liegenschaft vorliegt, denn nur dann ändert sich auch die
Ertragssituation bzw. die dieser zugrunde liegende Finanzierungsstruktur
oder der Anlagewert. Von einer derartigen "wirtschaftlichen"
Handänderung kann demnach nur bei einem entgeltlichen Erwerb ausgegangen
werden, tritt doch bei einem unentgeltlichen Erwerb auf Vermieterseite
keine im Sinne des Gesagten massgebliche finanzielle Änderung ein.
c) In
Ziff. I des Abtretungsvertrages vom 18. Dezember 1984 wurde zunächst
festgestellt, dass die Pensionskasse M. mit Beschluss vom 25. Oktober
1973 aufgelöst worden sei und sich seither in Liquidation befinde.
Weiter wurde angegeben, im Rahmen dieser Liquidation sei beschlossen
worden, sämtliche Aktiven und Passiven an die Klägerin zu übertragen,
wobei ergänzend angefügt wurde, dass die Klägerin auch die früheren
Mitglieder der Pensionskasse M. übernommen und bei sich integriert habe.
Sodann wurde erläutert, dass nun auch die Grundstücke zum Buchwert
übertragen würden, nachdem alle Aktiven und Passiven bereits übernommen
worden seien (S. 1 des Abtretungsvertrags). Auf Seite 15 wurde
festgehalten, "die Abtretungen erfolgen zum Buchwert der
Vertragsliegenschaften, welcher in den gegenseitig geführten
Buchhaltungen belastet bzw. gutgeschrieben wird, nämlich ... Buchwert in
Fr. 1'188'164.- ...".
Diese Abmachungen zeigen, dass die Klägerin
vollumfänglich in die Stellung der zu liquidierenden Pensionskasse M.
eintrat. Der aufgrund des Abtretungsvertrags vollzogene
Eigentümerwechsel bewirkte daher wohl einen Vermieterwechsel. Indessen
floss bei dieser Eigentumsübertragung kein Geld und auch ansonsten
führte diese Übertragung zu keinerlei Vermögensverschiebung, so dass die
finanzielle Lage der Vertragsparteien grundsätzlich gleich blieb. An
der Ertragssituation und Finanzierungsstruktur der Liegenschaft änderte
sich somit nichts, so dass es der Klägerin damals verwehrt gewesen wäre,
den Mietzins nach Art. 269 OR zu erhöhen.
Die Beklagten wiesen zu
Recht darauf hin, dass die Übernahme der Pensionskasse M. durch die
Klägerin keine gesetzlich vorgesehene Fusion darstelle, weshalb auch
keine Universal-, sondern lediglich eine Singularsukzession vorliege.
Dies hilft indessen nicht weiter. Denn nach dem Ausgeführten ist
zusätzlich erforderlich, dass neben einer formellen Handänderung bzw.
einem Vermieterwechsel i.S.v. Art. 261 OR auch eine wirtschaftliche
Handänderung im Sinne des Gesagten erfolgt. Letztere Voraussetzung ist
indes – wie bereits erwähnt – nicht erfüllt. Aus dem gleichen Grund kann
letztlich auch offen bleiben, ob die klägerische Übernahme der
Pensionskasse M. als "Quasifusion", unechte Fusion oder
Geschäftsübernahme i.S. v. Art. 181 OR zu qualifizieren wäre.
d) Das
Ausgeführte muss indessen nicht nur dann gelten, wenn der Vermieter
nach einer Handänderung den Mietzins unter Berufung auf einen
ungenügenden Ertrag erhöhen will. Vielmehr sind die gleichen Grundsätze
auch in denjenigen Fällen anwendbar, in welchen der Vermieter oder der
Mieter die Nettorenditeberechnung als Verteidigungsmittel verwendet.
Erhebt der Vermieter gegenüber einem Begehren des Mieters um
Herabsetzung des Mietzinses die Einrede des ungenügenden Ertrags, kommen
daher bei der Nettorenditeberechnung die gleichen Regeln zum Tragen.
Das Gleiche gilt schliesslich, wenn der Mieter einer nach der relativen
Methode ausgewiesenen Mietzinserhöhung die Einrede des übersetzten
Ertrags entgegen hält. Ein Eigentümer bzw. ein Vermieterwechsel, welcher
zwar in formeller, nicht aber in wirtschaftlicher Hinsicht als
Handänderung zu betrachten ist, bildet daher in all diesen
Fallkonstellationen keinen Ausgangspunkt, aufgrund dessen der Anlagewert
bzw. das investierte Eigenkapital zu ermitteln und die Nettorendite neu
zu berechnen ist. Da die auf den Abtretungsvertrag vom 18. Dezember
1984 gestützte Eigentumsübertragung – wie bereits erwähnt – keine
wirtschaftliche Handänderung darstellt, kann bei der
Nettorenditeberechnung nicht auf diesen Zeitpunkt abgestellt werden. In
Bezug auf die Nettorenditeberechnung wäre somit auf die damaligen, für
die Pensionskasse M. geltenden Verhältnisse abzustellen. Im vorliegenden
Fall müsste die Nettorendite demnach auf den von der Pensionskasse M.
investierten Eigenmitteln berechnet werden.
e) Die Pensionskasse
M. wurde mit Beschluss vom 25. Oktober 1973 aufgelöst und befand sich
seither in Liquidation. Im Rahmen dieser Liquidation wurden die
Liegenschaften gemäss dem Abtretungsvertrag vom 18. Dezember 1984
übertragen. Die klägerische Behauptung, sie verfüge über keine weiteren
Unterlagen aus dieser Zeit, erscheint als glaubhaft. Denn die Klägerin
übernahm von der Pensionskasse M. – neben vielen anderen Aktiven und
Passiven – ein ganzes Liegenschaftenpaket. Dabei wurden die einzelnen
Liegenschaften im Abtretungsvertrag weder nach ihrem Marktwert bewertet
und aufgeführt, noch wurden die auf die jeweilige Liegenschaft
entfallenden Eigenmittel berücksichtigt. Die Vertragsparteien beliessen
es vielmehr dabei, die Liegenschaften zum Buchwert zu übertragen.
Aufgrund der im Abtretungsvertrag getroffenen Vereinbarungen bestand für
die Klägerin anlässlich der Eigentumsübertragung demnach keine
Veranlassung, die effektiv von der Pensionskasse M. in jede einzelne
Liegenschaft investierten Eigenmittel in Erfahrung zu bringen, war diese
Zahl für die Handänderung doch bedeutungslos in Anbe¬tracht der für
Geschäftsbücher geltenden Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren (Art. 962
OR) bestand für die Klägerin überdies kein Grund, sämtliche die
Liegenschaften betreffenden Buchhaltungsakten ihrer Rechtsvorgängerin
aus dem Jahre 1984 und früher zu behalten.
f) Nach dem Gesagten ist
davon auszugehen, dass sich die ursprünglich von der Pensionskasse M. in
die Liegenschaft investierten Eigenmittel nicht mehr ermitteln lassen.
Infolgedessen kann auf dieser Grundlage keine Nettorenditeberechnung
erstellt werden. Der auf den Abtretungsvertrag gestützte
Eigentümerwechsel stellte sodann keinen Vorgang, welcher einer
Nettorenditeberechnung zugrunde gelegt werden kann, dar. Aus all diesen
Gründen ist es den Beklagten somit im vorliegenden Fall nicht möglich,
die Einrede des übersetzten Ertrags zu erheben.
3. Buchwert
Die
Nettorenditeberechnung beruht – wie bereits erwähnt – auf dem Grundsatz
der Kostenmiete. Daraus folgt, dass nur auf die effektiven Werte
abzustellen ist. Das Bundesgericht hat es daher stets kategorisch
abgelehnt, den zulässigen Nettoertrag aufgrund objektivierter
Schätzwerte der Mietliegenschaft, wie etwa des Verkehrs- oder Realwerts,
des Steuerwerts oder des Versicherungswerts zu berechnen. Die
Nettoertragsrechnung beruht auf individuellen Kostenfaktoren, weshalb
allein das Abstellen auf die konkreten Investitionen des Eigentümers in
das Mietobjekt sowie auf dessen übrige, für den Mietgegenstand
aufgewendeten Kosten zur Ermittlung des Nettoertrags mit dem geltenden
Recht vereinbar ist. Beispielsweise muss daher bei einer Erbteilung die
Höhe des investierten Eigenkapitals aufgrund des Anrechnungswerts der
Liegenschaft im Rahmen der Erbteilung ermittelt werden
(Bundesgerichtsentscheid vom 9. Juni 1999, E. 3a) und b) mit weiteren
Verweisungen, publiziert in MRA 5/99, S. 189 ff.). Da der
Ertragsrechnung effektive Werte zugrunde zu legen sind, bildet auch der
Bilanzwert – unabhängig davon, ob er zu hoch oder zu tief angesetzt ist –
kein taugliches Kriterium für die Bestimmung des offensichtlich
übersetzten Kaufpreises (Bundesgerichtsentscheid vom 21. Mai 2001, E.
2.b), wiedergegeben in MRA 4/2001, S. 111 ff.). bzw. des Anlagewerts.
Daraus
folgt, dass selbst dann, wenn die Abtretung der Liegenschaft vom
Dezember 1984 den massgeblichen Ausgangspunkt für die Ertragsrechnung
bilden würde, nicht auf den im Vertrag verurkundeten Buchwert von Fr.
1'188'164.- abzustellen wäre, stellt dieser Wert doch keinen effektiven
Wert im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung dar. Offen bleiben
kann daher, ob dieser Buchwert – entsprechend den klägerischen
Behauptungen – sowohl damals als auch heute als irrealistisch tiefer
Wert zu betrachten wäre.
Décision
38/7 - Kein Abstellen auf den Buchwert