Herabsetzungsbegehren

Base légale

Nom du tribunal

Kantonsgericht des Kantons Zug

Date

10.03.2010

Résumé

Wenn die vermietende Partei mit amtlichem Formular anzeigt, dass sie eine Mietzinssenkung ganz oder teilweise mit Erhöhungsgründen verrechnet, kann auf das Vorverfahren nach Artikel 270a Absatz 2 OR verzichtet werden. Eine solche Anzeige stellt eine antizipierte Stellungnahme der vermietenden Partei dar, die eine zusätzliche Anfrage der mietenden Partei überflüssig macht.

Exposé des faits

Mit Mietvertrag vom 4. August 2008 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über die sich noch im Bau befindliche 4,5-Zimmer-Wohnung ab. Der monatliche Nettomietzins betrug Fr. 2'530.- und die monatlichen Nebenkosten Fr. 200.- akonto.
Am 10. Juni 2009 teilte die Beklagte den Klägern mit amtlichem Formular ("Formular zur Mitteilung von Mietzinsänderungen und/oder anderen einseitigen Vertragsänderungen durch den Vermieter") mit, dass sich der Nettomietzins von bisher Fr. 2'530.- ab 1. Oktober 2009 auf Fr. 2'481.- reduziere. Zur Begründung führte sie aus, dass einerseits der Referenzzinssatz von 3,5 % auf 3,25 % gesunken sei, was zu einer Mietzinsreduktion von Fr. 73.60 (-2,91 %) führe. Andererseits seien der Teuerungsausgleich von 102.80 Pt. auf 103.30 Pt. (04.2009) in der Höhe von Fr. 4.80 (0,19 %) und Kostensteigerungen vom 04.2008 bis 04.2009 in der Höhe von Fr. 19.- (0,75 %) zu berücksichtigen, so dass die angezeigte Mietzinssenkung von (gerundet) Fr. 49.- (= Fr. 73.60 + Fr. 4.80 + Fr. 19.-) resultiere. Unter dem Titel "Rechtsmittelbelehrung" wurde im Formular sodann Folgendes festgehalten: "Diese Mietzinsänderung und/oder andere einseitige Vertragsänderung kann innert 30 Tagen seit dem Empfang dieser Mitteilung bei der zuständigen Schlichtungsbehörde (siehe Rückseite) als missbräuchlich angefochten werden".
Mit Eingabe vom 19. Juni 2009 fochten die Kläger die Mietzinsänderung bei der Schlichtungsbehörde in Mietsachen als missbräuchlich an und beantragten per 1. Oktober 2009 eine angemessene Festsetzung des Mietzinses. Dabei bemängelten sie lediglich die verlangte Kostensteigerung von 0,75 %, die sie als gesetzeswidrig beurteilten.
Mit Beschluss vom 16. September 2009 stellte die Schlichtungsbehörde fest, dass das Schlichtungsverfahren gescheitert sei.
Mit Eingabe vom 16. Oktober 2009 liessen die Kläger beim Kantonsgericht Zug, Einzelrichter, gegen die Beklagte Klage einreichen. Die Beklagte beantragte, das Verfahren sei vorfrageweise auf die Prüfung der Prozessvoraussetzungen zu beschränken. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, gemäss Art. 270b OR könne der Mieter eine Mietzinserhöhung innert 30 Tagen bei der Schlichtungsbehörde als missbräuchlich anfechten. Mit amtlichem Formular mitgeteilte Mietzinsreduktionen seien jedoch keine "Mietzinserhöhungen". Die Kläger machten in ihrer Klage vom 16. Oktober 2009 eine Herabsetzung des Mietzinses geltend. Gemäss herrschender Lehre und Rechtsprechung sei in solchen Fällen das in Art. 270a Abs. 2 OR vorgesehene Parteiverfahren als eigentliche Prozessvoraussetzung zwingend vorgeschrieben. Dieses Vorverfahren habe im vorliegenden Fall nicht stattgefunden, weshalb auf die Klage nicht einzutreten sei.

Considérations

2. Art. 270a OR regelt die Anfechtung des Mietzinses und dessen Herabsetzung während der Mietdauer. Der Mieter kann den Mietzins als missbräuchlich anfechten und die Herabsetzung auf den nächstmöglichen Kündigungstermin verlangen, wenn er Grund zur Annahme hat, dass der Vermieter wegen einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen, vor allem wegen einer Kostensenkung, einen nach Art. 269 und 269a OR übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt (Art. 270a Abs. 1 OR). Gemäss Art. 270a Abs. 2 OR muss der Mieter das Herabsetzungsbegehren schriftlich beim Vermieter stellen, worauf dieser innert 30 Tagen Stellung zu nehmen hat. Entspricht der Vermieter dem Begehren nicht oder nur teilweise oder antwortet er nicht fristgemäss, so kann der Mieter innert 30 Tagen die Schlichtungsbehörde anrufen. Das in Art. 270a Abs. 2 OR vorgesehene parteiinterne Vorverfahren ist eine Prozessvoraussetzung für die Geltendmachung von Herabsetzungsansprüchen. Auf die Durchführung des parteiinternen Vorverfahrens kann gemäss Art. 270a Abs. 3 OR nur verzichtet werden, wenn der Mieter gleichzeitig mit der Anfechtung einer Mietzinserhöhung auch Herabsetzungsansprüche geltend macht. Ferner kann auf das Vorverfahren verzichtet werden, wenn sich der Mieter in einem hängigen Herabsetzungsverfahren auf zusätzliche Herabsetzungsgründe beruft oder wenn der Vermieter eine Mietzinsherabsetzung von vornherein klar ablehnt. Art. 270a Abs. 3 OR beruht auf der Überlegung, dass ein Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR, das eine gütliche Einigung ermöglichen soll, nicht mehr sinnvoll ist, wenn die Parteien bereits in einem Anfechtungs- oder Herabsetzungsverfahren über den Mietzins streiten. Sonst aber dient das Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR im Wesentlichen dazu, das Herabsetzungsverfahren zu vermeiden, indem dem Vermieter vor Einleitung des Schlichtungsverfahrens die Möglichkeit zur freiwilligen Mietzinsreduktion eröffnet wird (vgl. BGE 132 III 702 E. 4.1 und 4.3, S. 704 ff.; BGE 122 III 20 E. 4c, S. 24; Koller, Die mietrechtliche Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2006, in: ZBJV 2007, S. 851; Lachat/Dörflinger, Das Mietrecht für die Praxis, 8. A., Zürich 2009, S. 315; Weber, Basler Kommentar, 4. A., Basel 2007, N 6a zu Art. 270a OR).
Teilt der Vermieter dem Mieter eine Mietzinssenkung auf dem amtlichen Formular mit, so hat dies mangels einer gesetzlichen Grundlage nach dem Vorbild von Art. 269d und Art. 270b OR keine über das allgemeine Vertragsrecht hinaus gehenden Wirkungen. Der Mieter kann eine solche Senkung daher nicht wie eine Erhöhung anfechten (Weber, a.a.O., N 7 zu Art. 270a OR, mit Hinweisen).

3. Vorliegend handelt es sich bei der von der Beklagten den Klägern mitgeteilten Mietzinsherabsetzung vom 10. Juni 2009 insofern um einen Spezialfall, als diese aus einer Mietzinsherabsetzung (wegen des gesunkenen Referenzzinssatzes) und zwei Mietzinserhöhungen (wegen Teuerungsausgleich und Kostensteigerungen) besteht.

3.1 Wenn der Vermieter mit amtlichem Formular anzeigt, dass er die theoretisch mögliche Mietzinssenkung ganz oder teilweise mit Erhöhungsgründen verrechnet, kann auf das Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR verzichtet werden. Eine solche Anzeige stellt eine antizipierte Stellungnahme des Vermieters dar, die eine zusätzliche Anfrage des Mieters überflüssig macht. Es macht nicht viel Sinn, vom Mieter zu verlangen, dem Vermieter vorgängig ein Herabsetzungsbegehren zukommen zu lassen, wenn dieser dem Mieter von sich aus eine Anzeige zukommen lässt und der Mieter mit dem Ausmass der Herabsetzung nicht einverstanden ist. Da der Vermieter in diesem Fall mit seiner Herabsetzungsanzeige einem Herabsetzungsbegehren des Mieters bereits vorgegriffen hat, kann dieser mit seinem Herabsetzungsbegehren direkt an die Schlichtungsstelle gelangen. Im Übrigen hat sich der Vermieter, der für eine Mietzinssenkung das amtliche Formular verwendet, auch auf seiner Erklärung behaften zu lassen, dass die Mietzinsänderung bzw. einseitige Vertragsänderung innert 30 Tagen seit dem Empfang dieser Mitteilung direkt bei der zuständigen Schlichtungsbehörde als missbräuchlich angefochten bzw. eine Mietzinsherabsetzung verlangt werden kann (vgl. Brunner/Stoll, Die Mietzinsherabsetzung, in: mp 3/93, S. 99 ff., insb. 123 und 128; SVIT-Kommentar, 2. A., Zürich 1998, N 29 zu Art. 270a OR, mit Hinweis; Heinrich, in: Amstutz und weitere Autoren [Hrsg.], Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Zürich/Basel/ Genf 2007, N 10 zu Art. 270a OR; a.A. neuerdings SVIT-Kommentar, 3. A., Zürich/Basel/ Genf 2008, N 42 f zu Art. 270a OR).

3.2 Im Weiteren stellt die Eingabe der Beklagten an die Schlichtungsbehörde vom 4. September 2009 einen konkreten Anhaltspunkt dafür dar, dass die Beklagte ohnehin nicht bereit gewesen wäre, den Mietzins um mehr als Fr. 49.- zu senken, auch wenn die Kläger ein Vorverfahren durchgeführt hätten (vgl. dazu Weber, a.a.O., N 6a zu Art. 270a OR, mit Hinweisen). Zudem hat die Beklagte inzwischen ein weiteres Senkungsbegehren der Kläger basierend auf der Senkung des Referenzzinssatzes um weitere 0,25 % auf 3 % unbestrittenermassen abschlägig beantwortet und eingewendet, sie erziele keinen genügenden Ertrag. Auch dieses Verhalten deutet mithin darauf hin, dass sich ein behördliches bzw. gerichtliches Herabsetzungsverfahren durch ein parteiinternes Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR nicht hätte vermeiden lassen. Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren im Übrigen auch nicht vorgebracht, dass sie mit einer Kostensteigerung von weniger als 0,75 % pro Jahr einverstanden wäre. Mithin ist davon auszugehen, dass die Beklagte dem Wunsch um (zusätzliche) Herabsetzung des Mietzinses um den Betrag von Fr. 19.- pro Monat auch dann nicht nachgekommen wäre, wenn die Kläger sie vorgängig um eine entsprechende Herabsetzung des Mietzinses ersucht hätten. Sie hat von vornherein klar kundgetan, dass sie nicht bereit ist, den Mietzins (zusätzlich) zu senken. Somit war eine Einigung über die neu in Frage stehende Herabsetzung des Mietzinses in Bezug auf die Kostensteigerungen von vornherein unmöglich und ein Vorverfahren damit sinnlos. Unter diesen Umständen mussten die Kläger der Beklagten auch nicht gestützt auf Art. 270a Abs. 2 OR zunächst Gelegenheit geben, zum Herabsetzungsbegehren Stellung zu nehmen. Wenn sich die Beklagte vorliegend auf die Vorschrift von Art. 270a Abs. 2 OR beruft und ein sinnloses Vorverfahren verlangt, handelt sie rechtsmissbräuchlich (zur unnützen und interesselosen Rechtsausübung und deren Folgen vgl. Baumann, Zürcher Kommentar, 3. A., Zürich 1998, N 369 ff. zu Art. 2 ZGB). Im Übrigen hätte die Beklagte den Einwand, vorgängig sei ein parteiinternes Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR durchzuführen, bereits in ihrer Stellungnahme vom 4. September 2009 zuhanden der Schlichtungsbehörde vorbringen müssen. Dies ergibt sich aus der Pflicht, einen Prozess nach Treu und Glauben zu führen (vgl. dazu Guldener, Zivilprozessrecht, 3. A., Zürich 1979, S. 188 ff.).

3.3 Zusammenfassend ist mithin festzuhalten, dass im vorliegenden Fall kein parteiinternes Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR erforderlich war. Mithin ist auf die Klage einzutreten.

Décision

47/9 - Herabsetzungsbegehren

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