Kantonsgericht des Kantons Zug
10.03.2010
Wenn die vermietende Partei mit amtlichem Formular anzeigt, dass sie eine Mietzinssenkung ganz oder teilweise mit Erhöhungsgründen verrechnet, kann auf das Vorverfahren nach Artikel 270a Absatz 2 OR verzichtet werden. Eine solche Anzeige stellt eine antizipierte Stellungnahme der vermietenden Partei dar, die eine zusätzliche Anfrage der mietenden Partei überflüssig macht.
2. Art. 270a OR regelt die Anfechtung des Mietzinses und dessen
Herabsetzung während der Mietdauer. Der Mieter kann den Mietzins als
missbräuchlich anfechten und die Herabsetzung auf den nächstmöglichen
Kündigungstermin verlangen, wenn er Grund zur Annahme hat, dass der
Vermieter wegen einer wesentlichen Änderung der Berechnungsgrundlagen,
vor allem wegen einer Kostensenkung, einen nach Art. 269 und 269a OR
übersetzten Ertrag aus der Mietsache erzielt (Art. 270a Abs. 1 OR).
Gemäss Art. 270a Abs. 2 OR muss der Mieter das Herabsetzungsbegehren
schriftlich beim Vermieter stellen, worauf dieser innert 30 Tagen
Stellung zu nehmen hat. Entspricht der Vermieter dem Begehren nicht oder
nur teilweise oder antwortet er nicht fristgemäss, so kann der Mieter
innert 30 Tagen die Schlichtungsbehörde anrufen. Das in Art. 270a Abs. 2
OR vorgesehene parteiinterne Vorverfahren ist eine Prozessvoraussetzung
für die Geltendmachung von Herabsetzungsansprüchen. Auf die
Durchführung des parteiinternen Vorverfahrens kann gemäss Art. 270a Abs.
3 OR nur verzichtet werden, wenn der Mieter gleichzeitig mit der
Anfechtung einer Mietzinserhöhung auch Herabsetzungsansprüche geltend
macht. Ferner kann auf das Vorverfahren verzichtet werden, wenn sich der
Mieter in einem hängigen Herabsetzungsverfahren auf zusätzliche
Herabsetzungsgründe beruft oder wenn der Vermieter eine
Mietzinsherabsetzung von vornherein klar ablehnt. Art. 270a Abs. 3 OR
beruht auf der Überlegung, dass ein Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2
OR, das eine gütliche Einigung ermöglichen soll, nicht mehr sinnvoll
ist, wenn die Parteien bereits in einem Anfechtungs- oder
Herabsetzungsverfahren über den Mietzins streiten. Sonst aber dient das
Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR im Wesentlichen dazu, das
Herabsetzungsverfahren zu vermeiden, indem dem Vermieter vor Einleitung
des Schlichtungsverfahrens die Möglichkeit zur freiwilligen
Mietzinsreduktion eröffnet wird (vgl. BGE 132 III 702 E. 4.1 und 4.3, S.
704 ff.; BGE 122 III 20 E. 4c, S. 24; Koller, Die mietrechtliche
Rechtsprechung des Bundesgerichts im Jahr 2006, in: ZBJV 2007, S. 851;
Lachat/Dörflinger, Das Mietrecht für die Praxis, 8. A., Zürich 2009, S.
315; Weber, Basler Kommentar, 4. A., Basel 2007, N 6a zu Art. 270a OR).
Teilt
der Vermieter dem Mieter eine Mietzinssenkung auf dem amtlichen
Formular mit, so hat dies mangels einer gesetzlichen Grundlage nach dem
Vorbild von Art. 269d und Art. 270b OR keine über das allgemeine
Vertragsrecht hinaus gehenden Wirkungen. Der Mieter kann eine solche
Senkung daher nicht wie eine Erhöhung anfechten (Weber, a.a.O., N 7 zu
Art. 270a OR, mit Hinweisen).
3. Vorliegend handelt es sich bei der von der Beklagten den Klägern mitgeteilten Mietzinsherabsetzung vom 10. Juni 2009 insofern um einen Spezialfall, als diese aus einer Mietzinsherabsetzung (wegen des gesunkenen Referenzzinssatzes) und zwei Mietzinserhöhungen (wegen Teuerungsausgleich und Kostensteigerungen) besteht.
3.1 Wenn der Vermieter mit amtlichem Formular anzeigt, dass er die theoretisch mögliche Mietzinssenkung ganz oder teilweise mit Erhöhungsgründen verrechnet, kann auf das Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR verzichtet werden. Eine solche Anzeige stellt eine antizipierte Stellungnahme des Vermieters dar, die eine zusätzliche Anfrage des Mieters überflüssig macht. Es macht nicht viel Sinn, vom Mieter zu verlangen, dem Vermieter vorgängig ein Herabsetzungsbegehren zukommen zu lassen, wenn dieser dem Mieter von sich aus eine Anzeige zukommen lässt und der Mieter mit dem Ausmass der Herabsetzung nicht einverstanden ist. Da der Vermieter in diesem Fall mit seiner Herabsetzungsanzeige einem Herabsetzungsbegehren des Mieters bereits vorgegriffen hat, kann dieser mit seinem Herabsetzungsbegehren direkt an die Schlichtungsstelle gelangen. Im Übrigen hat sich der Vermieter, der für eine Mietzinssenkung das amtliche Formular verwendet, auch auf seiner Erklärung behaften zu lassen, dass die Mietzinsänderung bzw. einseitige Vertragsänderung innert 30 Tagen seit dem Empfang dieser Mitteilung direkt bei der zuständigen Schlichtungsbehörde als missbräuchlich angefochten bzw. eine Mietzinsherabsetzung verlangt werden kann (vgl. Brunner/Stoll, Die Mietzinsherabsetzung, in: mp 3/93, S. 99 ff., insb. 123 und 128; SVIT-Kommentar, 2. A., Zürich 1998, N 29 zu Art. 270a OR, mit Hinweis; Heinrich, in: Amstutz und weitere Autoren [Hrsg.], Handkommentar zum Schweizer Privatrecht, Zürich/Basel/ Genf 2007, N 10 zu Art. 270a OR; a.A. neuerdings SVIT-Kommentar, 3. A., Zürich/Basel/ Genf 2008, N 42 f zu Art. 270a OR).
3.2 Im Weiteren stellt die Eingabe der Beklagten an die Schlichtungsbehörde vom 4. September 2009 einen konkreten Anhaltspunkt dafür dar, dass die Beklagte ohnehin nicht bereit gewesen wäre, den Mietzins um mehr als Fr. 49.- zu senken, auch wenn die Kläger ein Vorverfahren durchgeführt hätten (vgl. dazu Weber, a.a.O., N 6a zu Art. 270a OR, mit Hinweisen). Zudem hat die Beklagte inzwischen ein weiteres Senkungsbegehren der Kläger basierend auf der Senkung des Referenzzinssatzes um weitere 0,25 % auf 3 % unbestrittenermassen abschlägig beantwortet und eingewendet, sie erziele keinen genügenden Ertrag. Auch dieses Verhalten deutet mithin darauf hin, dass sich ein behördliches bzw. gerichtliches Herabsetzungsverfahren durch ein parteiinternes Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR nicht hätte vermeiden lassen. Die Beklagte hat im vorliegenden Verfahren im Übrigen auch nicht vorgebracht, dass sie mit einer Kostensteigerung von weniger als 0,75 % pro Jahr einverstanden wäre. Mithin ist davon auszugehen, dass die Beklagte dem Wunsch um (zusätzliche) Herabsetzung des Mietzinses um den Betrag von Fr. 19.- pro Monat auch dann nicht nachgekommen wäre, wenn die Kläger sie vorgängig um eine entsprechende Herabsetzung des Mietzinses ersucht hätten. Sie hat von vornherein klar kundgetan, dass sie nicht bereit ist, den Mietzins (zusätzlich) zu senken. Somit war eine Einigung über die neu in Frage stehende Herabsetzung des Mietzinses in Bezug auf die Kostensteigerungen von vornherein unmöglich und ein Vorverfahren damit sinnlos. Unter diesen Umständen mussten die Kläger der Beklagten auch nicht gestützt auf Art. 270a Abs. 2 OR zunächst Gelegenheit geben, zum Herabsetzungsbegehren Stellung zu nehmen. Wenn sich die Beklagte vorliegend auf die Vorschrift von Art. 270a Abs. 2 OR beruft und ein sinnloses Vorverfahren verlangt, handelt sie rechtsmissbräuchlich (zur unnützen und interesselosen Rechtsausübung und deren Folgen vgl. Baumann, Zürcher Kommentar, 3. A., Zürich 1998, N 369 ff. zu Art. 2 ZGB). Im Übrigen hätte die Beklagte den Einwand, vorgängig sei ein parteiinternes Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR durchzuführen, bereits in ihrer Stellungnahme vom 4. September 2009 zuhanden der Schlichtungsbehörde vorbringen müssen. Dies ergibt sich aus der Pflicht, einen Prozess nach Treu und Glauben zu führen (vgl. dazu Guldener, Zivilprozessrecht, 3. A., Zürich 1979, S. 188 ff.).
3.3 Zusammenfassend ist mithin festzuhalten, dass im vorliegenden Fall kein parteiinternes Vorverfahren gemäss Art. 270a Abs. 2 OR erforderlich war. Mithin ist auf die Klage einzutreten.