Kreisgericht Alttoggenburg
18.08.2004
Wegen einem nicht vorhandenen Mobiltelefonempfang in einer Geschäftsliegenschaft kann nicht absichtliche Täuschung oder Grundlagenirrtum geltend gemacht werden. Ebenfalls ist dies nicht als Mangel zu qualifizieren, welcher zum Vertragsrücktritt nach Artikel 258 i.V.m. Artikel 107 OR berechtigt. Schlussendlich ist auch eine Vertragserfüllung nicht unzumutbar und eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäss Artikel 266g OR damit ausgeschlossen.
4a Absichtliche Täuschung (Art. 28 OR]
[....] Eine absichtliche
Täuschung durch positives Verhalten kann vorweg ausgeschlossen werden
und wird im Weiteren auch nicht geltend gemacht. Zu prüfen ist einzig,
ob die Beklagte durch Schweigen der Klägerin getäuscht und zum
Vertragsab¬schluss verleitet worden ist. Dies setzt wie oben erwähnt
voraus, dass die Klägerin den Irrtum der Beklagten kannte und zur
Aufklärung verpflichtet gewesen wäre.
Es sind keine Gründe
ersichtlich, weshalb die Klägerin den Irrtum der Beklagten hätte
erkennen müssen. Hinweise fehlen, dass der Mobiltelefonempfang in den
Mieträumlichkeiten während den Vertragsverhandlungen je Gesprächsthema
gewesen wäre. Auch im heutigen Zeitalter ist ein uneingeschränkter
Mobiltelefonempfang nicht etwas Alltägliches, was in
Geschäftsräumlichkeiten ohne weiteres vorausgesetzt werden kann.
Vielmehr handelt es sich hierbei um eine spezielle Vorstellung der
Beklagten. Für die Klägerin war weder während den Vertragsverhandlungen
noch bei Vertragsabschluss erkennbar, dass die Beklagte von einem
uneingeschränktem Empfang auf allen drei Netzen ausging und dass dies
für die Beklagte für den Entschluss zum Vertragsabschluss von
wesentlicher Bedeutung war. Den Ausführungen der Beklagten, die Klägerin
habe ihre Unkenntnis bewusst ausgenutzt, kann daher nicht gefolgt
werden. [....] Ob der Empfang tatsächlich unzureichend ist und ob der
Klägerin diese Problematik bekannt war, kann unter diesen Umständen
offen gelassen werden.
Weiter ist zu bedenken, dass keine allgemeine
Aufklärungspflicht besteht. Die Klägerin war insbesondere nicht
verpflichtet, die Beklagte über Umstände aufzuklären, welche diese bei
gehöriger Aufmerksamkeit selber zu erkennen vermag. Ein allfälliger
unzureichender Mobiltelefonempfang im Gebäude kann ohne weiteres
festgestellt werden. Vorliegend wurden intensive Vertragsverhandlungen
geführt, in dessen Rahmen die Räumlichkeiten auch besichtigt worden
sind. Zudem handelt es sich bei der Beklagten um eine Firma, welche
gemäss Handelsregisterauszug den Handel von Geräten der
Unterhaltungselektronik und der Übermittlungstechnik sowie
diesbezüglicher Dienstleistungen bezweckt. Eine hohe Sensibilität und
Auf¬merksamkeit in Bezug auf das Thema konnte deshalb gerade von der
Beklagten erwartet werden. Die Überprüfung der Empfangsqualität bei
einer Besichtigung wäre problemlos und ohne grossen Aufwand möglich
gewesen. Eine Aufklärungspflicht der Klägerin muss unter diesen
Umstanden verneint werden. [....]
Aufgrund dieser Ausführungen kann
von einer absichtlichen Täuschung der Beklagten durch die Klägerin nicht
die Rede sein und die Beklagte ist nicht zum Vertragsabschluss
verleitet worden, weshalb eine einseitige Unverbindlichkeit des
Mietvertrages im Sinne von Art. 28 OR ausgeschlossen ist.
4b Grundlagenirrtum (Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 i.V.m. Art. 23 OR)
[....]
Entscheidend ist, ob die Beklagte diesen Empfang nach Treu und Glauben
im Geschäftsverkehr als eine notwendige Grundlage des Vertrags
betrachten durfte. Die Beklagte bringt vor, dass dies bei der Vermietung
von Geschäftsräumlichkeiten an dieser Lage an ein Unternehmen der Fall
sein müsse. Dem kann nicht gefolgt werden. Vielmehr bilden nach Treu und
Glauben im Geschäftsverkehr andere Punkte die Grundlage für den
vorliegenden Mietvertrag, wie beispielsweise der Mietzins, Grösse, Lage,
Ausbau, Verfügbarkeit des Mietobjektes etc. Entsprechend werden auch
die Vertragsverhandlungen über diese Punkte geführt worden sein. Die
Ausstattung mit Festnetzanschluss gehört hierbei zum üblichen und
ausreichenden Standard. Anderweitige Wünsche oder Vorstellungen hätte
die Beklagte ausdrücklich anbringen müssen, damit sie Vertragsgrundlage
geworden wären. Dies tat die Beklagte bezüglich des Mobiltelefonempfangs
nicht. Der von der Beklagten vorgestellte Sachverhalt bezüglich eines
uneingeschränkten Mobiltelefonempfangs auf allen drei Netzen stellt
daher beim vorliegenden Vertrag ein nicht entscheidendes Detail dar.
Alles andere würde gegen Treu und Glauben im Geschäftsverkehr laufen. Es
lässt sich somit nicht behaupten, dass vorliegend der Empfang auf allen
Mobiltelefonnetzen in den Mieträumlichkeiten als eine notwendige
Grundlage des Vertrages zu gelten hat. [....]
Aus den vorstehenden
Erwägungen sind vorliegend die Voraussetzungen des Grundlagenirrtums
nicht gegeben. Die Beklagte kann sich daher nicht auf die einseitige
Unverbindlichkeit des Vertrages nach Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 i.V.m. Art.
23 OR berufen. [.....]
5 Die Beklagte macht geltend, sie sei zum Vertragsrücktritt nach Art.
258 i.V.m. Art. 107 OR berechtigt gewesen, da die Vermieterin die
Mietsache mit Mängeln habe übergeben wollen, welche die Tauglichkeit der
Mietsache zum vorausgesetzten Gebrauch ausschliessen oder erheblich
beeinträchtigen.
Ein Mangel der Mietsache charakterisiert sich
dadurch, dass die Mietsache vom vertraglich geschuldeten Zustand
abweicht und die Tauglichkeit zum vorausgesetzten Gebrauch fehlt oder
beeinträchtigt ist (SVIT–Kommentar Mietrecht II, 2. Auflage, Zürich
1998, Vorbem. zu Art. 258–259i, N 23). Ob eine Mietsache zum
vorausgesetzten Gebrauch taugt, beurteilt sich allgemein nach objektiven
Kriterien. Abzustellen ist darauf, was der Mieter vernünftigerweise
erwarten darf. Auf subjektive Anschauungen und Wunschvorstellungen des
Mieters kommt es nicht an, ausser wenn die Parteien diese zum Gegenstand
ihrer Vereinbarung gemacht haben (SVIT–Kommentar Mietrecht II, a.a.O., N
47, m.w.H.). Zudem kommt dem Zustand der Mietsache, wie sie vom Mieter
vor Vertragsabschluss insbesondere im Rahmen einer Besichtigung zur
Kenntnis genommen wurde, für die Bestimmung des vertragsgemässen
Zustandes eine entscheidende Bedeutung zu. Denn so wie der Mieter die
Mietsache bei Vertragsabschluss kennt, akzeptiert er sie mit den ihr
zukommenden Eigenschaften (SVIT–Kommentar Mietrecht II, a.a.O., N 32,
m.w.H.).
Vorliegend wurden vor Vertragsabschluss keine speziellen
Zusicherungen in Bezug auf den Mobiltelefonempfang in den
Mieträumlichkeiten gemacht. Es gelingt der Beklagten wie bereits erwähnt
nicht zu beweisen, dass ihre subjektive Vorstellung von einem
uneingeschränkten Mobiltelefonempfang auf allen drei Netzen
Vertragsbestandteil geworden ist. Auch bei den vorliegenden Geschäfts–
und Büroräumlichkeiten gehört der Mobiltelefonempfang nicht zu den
objektiven Kriterien, deren Vorhandensein die Beklagte – ohne die
Klägerin bei den Vertragsverhandlungen darauf aufmerksam zu machen –
erwarten durfte (vgl. im Übrigen die vorstehenden Ausführungen zur
absichtlichen Täuschung und Erkennbarkeit des irrtümlich vorgestellten
Sachverhalts unter Erwägung 4 a). Im Weiteren hat die Beklagte die
Räumlichkeiten mit Vertragsabschluss im Sinne der Besichtigung
akzeptiert, wobei ein allenfalls unzureichender Empfang vor
Vertragsabschluss ohne weiteres hätte festgestellt werden können. [....]
Da
der allenfalls unzureichende Empfang keinen Mangel der Mietsache
darstellt und die Gebrauchstauglichkeit durchaus gegeben ist, kann die
Beklagte nicht nach Art. 258 i.V.m. Art. 107 OR vom Vertrag
zurücktreten. Der Mietvertrag hat weiterhin Bestand.
6 Weiter macht die Beklagte geltend, die Vertragserfüllung sei für
sie aufgrund des unzureichenden Mobiltelefonempfangs unzumutbar, womit
sie nach Art. 266g OR das Mietverhältnis aus wichtigem Grund
ausserordentlich habe kündigen können. Auch deshalb schulde sie die
eingeklagten Mietzinsen nicht.
Wichtige Gründe zur vorzeitigen
Auflösung eines Mietvertrages liegen dann vor, wenn sich durch nicht
vorauszusehende, vom Kündigenden unverschuldete Umstände das
Vertragsverhältnis derart geändert hat, dass der betroffenen Partei nach
Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann, ihre
Vertragspflichten langer zu erfüllen. Ob ein wichtiger Grund vorliegt,
ist gemäss Art. 4 ZGB nach Recht und Billigkeit zu entscheiden. Dabei
müssen die Interessen der anderen Vertragspartei, die Grundsätze der
Verbindlichkeit von Verträgen und der Rechtssicherheit gegeneinander
abgewogen werden (SVIT–Kommentar Mietrecht II, a.a.O., Art. 266g, N
10f.,m.w.H.).
Der allenfalls unzureichende Mobiltelefonempfang stellt
keinen wichtigen Grund dar, welcher zur Auflösung des Vertrages
berechtigen würde. Es kann auf das oben unter Erwägung 4 b zum
Grundlagenirrtum genannte verwiesen werden. Im Übrigen überwiegen die
Interessen der Klägerin an der Aufrechterhaltung des Vertrages und die
Rechtsfolge der Auflösung würde zu weit gehen.
40/1 - Fehlender Mobiltelefonempfang in einer Geschäftsliegenschaft