Erstreckung
Base légale
Nom du tribunal
Bezirksgericht Schwyz
Date
18.01.2010
Résumé
Kann auf Seiten des Mietenden eine Härte vorliegen, wenn dieser gar kein Ersatzobjekt sucht, sondern nur für die Liquidation eines Geschäftes mehr Zeit benötigt? Eine Härte könnte jedenfalls nur dann bejaht werden, wenn der Mietende alles unternommen hat, um eine rechtzeitige Liquidation des Geschäftes zu ermöglichen.
Exposé des faits
Die Klägerin verkaufte ihre Liegenschaft und schloss gleichzeitig einen
Mietvertrag ab. Es wurde vereinbart, dass die Verkäuferschaft berechtigt
sei, nach erfolgter Eigentumsübertragung des Kaufobjektes Teile
desselben für Lagerungen von Holzstämmen, Werkzeugen, Sägemaschinen und
dergleichen bis spätestens 30. September 2009 zu einem pauschalen
Mietzins von Fr. 2'500.00 pro 300 m2 zu mieten.
Am 27. Juli 2009
gelangte die Klägerin an die Schlichtungsbehörde mit dem Antrag, das
Mietverhältnis erstmalig bis 30. September 2010 zu erstrecken. Mit
Beschluss vom 18. September 2009 wies die Schlichtungsbehörde das
klägerische Erstreckungsbegehren ab.
Mit Klage vom 21. Oktober 2009
gelangte die Klägerin an den Einzelrichter des Bezirks Schwyz. Zur
Begründung liess die Klägerin geltend machen, sie benötige mehr Zeit, um
das verbliebene Inventar zu veräussern.
Considérations
a) Umstritten ist die Frage, ob auf Seiten des Mieters auch dann eine
Härte und ein daraus resultierender Erstreckungsanspruch vorliegen kann,
wenn es nicht um eine eigentliche Ersatzbeschaffung geht. Grundsätzlich
wird die Auffassung, es seien auch Fälle denkbar, bei welchem auf Härte
erkannt werden müsse, ohne dass der Mieter auf geeignete
Ersatzräumlichkeiten angewiesen sei, abgelehnt (vgl. SVIT-Kommentar,
Art. 272 N 12).
Nach Lachat/Spirig kann eine Härte aber auch dann
gegeben sein, wenn kein Ersatzobjekt mehr gesucht wird, beispielsweise
weil ein Unternehmen nicht fortgeführt wird, der Inhaber aber mehr Zeit
benötigt, um sein Geschäft zu liquidieren oder jemanden zu finden, der
seinen Lagerbestand übernimmt. In diesem Fall solle der Mieter die
Möglichkeit erhalten, die Substanz seines Unternehmens zu retten (Lachat
et al., Mietrecht für die Praxis, 8. Auflage, Zürich 2009, S. 641 f.).
Nach Spirig (Grundsätze im Erstreckungsrecht, in: mp 2008 S. 204) kann
eine Erstreckung auch Sinn machen, wenn kein Ersatzobjekt mehr gesucht
wird, der Mieter für die Umstellung aber mehr Zeit benötigt, was etwa
den Geschäftsmieter betreffe, der am Ende seiner Geschäftstätigkeit
steht und (mehr) Zeit für eine ordnungsgemässe Liquidation des Geschäfts
benötigt. Auch gemäss SVIT-Kommentar (a.a.O.) ist in einer
entsprechenden Situation nicht ausgeschlossen, einem Mieter zur
Liquidation seines Geschäftsbetriebs eine kurzzeitige Erstreckung in der
Grössenordnung von drei bis sechs Monaten als definitive Erstreckung zu
gewähren (ähnlich ZK-Higi, Art. 272 N 100, 106).
Das Bundesgericht
kam in seinem Urteil 4C.146/2006 vom 24. August 2006 zum Schluss, dass
auch bei einer solchen Konstellation die Bejahung einer Härte und somit
eines Erstreckungsanpruchs nicht von vorne herein ausgeschlossen sei.
Insbesondere könne eine Erstreckung für einen Mieter, der sich auf Grund
der Kündigung zur Aufgabe seiner Geschäftstätigkeit gezwungen sehe,
eine Milderung der Folgen bewirken, wenn dem Mieter mehr Zeit für die
Liquidation des Geschäfts verschafft werde und er dadurch ein
günstigeres Liquidationsergebnis erzielen bzw. einen Verlust vermeiden
könne. Bezüglich der Liquidation sei die Zeitspanne ab dem
Kündigungszeitpunkt massgebend, wobei dem Mieter etwas Bedenkzeit für
den Entscheid einzuräumen sei, ob er überhaupt nochmals an einem anderen
Ort einen geschäftlichen Neustart wagen soll.
Dieser Entscheid ist
in der Lehre allerdings nicht ohne Kritik geblieben. Namentlich
Giavarini lehnt eine generelle Ausweitung des Härtebegriffs von Art. 272
OR auch auf Fälle, in denen es nicht um eine Ersatzbeschaffung geht,
sondern beispielsweise um eine Liquidation des Geschäfts am bisherigen
Standort, ab. Begründend führt er aus, dass Sinn und Zweck des
Mieterstreckungsrechts darin bestehe, dem Mieter mehr Zeit für die Suche
nach einem geeigneten Ersatzobjekt einzuräumen, was sich auch aus der
Bestimmung von Art. 272a Abs. 2 OR ergebe, gemäss welcher die
Erstreckung in der Regel dann ausgeschlossen sei, wenn der Vermieter dem
Mieter einen gleichwertigen Ersatz für die Wohn- oder Geschäftsräume
anbiete. Der Begriff „Härte“ im Sinne von Art. 272 OR meine somit die
objektiven Schwierigkeiten des Mieters, innerhalb der Kündigungsfrist
ein angemessenes Ersatzobjekt zu finden, und umfasse nicht alle
denkbaren sonstigen Schwierigkeiten und Nöte, in die ein Mieter durch
eine Kündigung des Mietverhältnisses kommen könne. Auch wenn der in Art.
272a Abs. 2 OR verwendete Begriff ''in der Regel'' zum Ausdruck bringe,
dass auch Ausnahmen denkbar seien, so sei dennoch zu fordern, dass
solche Ausnahmen vom eigentlichen Sinn und Zweck des Erstreckungsrechts
nur mit äusserster Zurückhaltung und unter Berücksichtigung des
konkreten Einzelfalls angenommen werden (vgl. MRA 2007 S. 128).
b) Die
Klägerin verlangt die Erstreckung, um mehr Zeit für die Liquidation
ihres Geschäfts zu haben. Insoweit könnte eine Härte bzw. ein
Erstreckungsgrund auch nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur
dann bejaht werden, wenn die Klägerin nachzuweisen vermöchte, dass die
Geschäftsliquidation bzw. der Verkauf des restlichen Inventars bis zum
ordentlichen Vertragsende nicht oder nur mit Verlust möglich gewesen
wäre (vgl. Urteil 4C.146/2006 vom 24. August 2006). Vor diesem
Hintergrund erscheint entscheidend, ob die Klägerin alles unternommen
hat, was von ihr zur rechtzeitigen Liquidation ihres Geschäfts
vernünftigerweise hätte erwartet werden können.
…
Diese Bemühungen
der Klägerin können weder in zeitlicher noch in sachlicher Hinsicht als
ausreichend bezeichnet werden. Auch hätte sich die Klägerin nicht auf
blosse Anzeigen beschränken dürfen – und schon gar nicht auf Anzeigen in
Zeitschriften ohne fachspezifischen Adressatenkreis. Vielmehr wäre sie
gehalten gewesen, aktiv und bewusst auf potentielle Käufer zuzugehen. So
hätte sie beispielsweise Hersteller von Blockhäusern bzw. Zulieferer
angehen müssen. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung kann davon
ausgegangen werden, dass der Klägerin ihre Geschäftserfahrenheit, aber
auch die vorhandenen Kunden- bzw. Geschäftsbeziehungen, zusätzliche und
bessere Möglichkeiten zum Verkauf eröffnet hätten (vgl. dazu
SVIT-Kommentar, Art. 272 N 37). Schliesslich hätte die Klägerin auch
nicht unbesehen auf ihren Preisvorstellungen beharren dürfen. Wenn die
Klägerin auf durchschnittliche Holzpreise bzw. den durchschnittlichen
Occasionswert der Horizontalblockkreissäge abstellen und entsprechende
Verkaufspreise lösen will (vgl. HVP; Plädoyernotizen zur Replik, S. 2,
3), so verkennt sie, dass im Rahmen einer Geschäftsliquidation
regelmässig ein gewisser Preisnachlass gewährt werden muss, damit die
restliche Ware innert nützlicher Frist verkauft werden kann.
Zusammenfassend
hat die Klägerin nicht dargelegt, dass sie sich mit zumutbaren
Anstrengungen um die Liquidation des restlichen Inventars bemüht hat.
Bereits aus diesem Grunde kann sie heute keinen Erstreckungsanspruch
gegen die Beklagte geltend machen.
Décision
48/9 - Erstreckung