Kantongericht Appenzell
11.07.2006
Die Auflösung eines Mietverhältnisses durch Kündigung eines bereits gültig auf einen bestimmten Termin hin aufgelösten, aber noch nicht beendeten Mietverhältnisses, das nicht erstreckt wurde, ist nicht möglich. Ein Verzicht auf die Erstreckung in der Zeit zwischen dem Abschluss der Erstreckungsvereinbarung und dem Beginn des erstreckten Mietverhältnisses ist möglich.
3. [...] Der Mieter kann die Erstreckung eines unbefristeten
Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung der Miete für ihn oder
seine Familie eine Härte zur Folge hätte, die durch die Interessen des
Vermieters nicht zu rechtfertigen wäre (Art. 272 Abs. 1 OR).
Voraussetzung
für eine Erstreckung ist eine gültige Beendigung des Mietverhältnisses
durch den Vermieter (HIGI, Zürcher Kommentar zu Art. 271-274g OR, Zürich
1996, N 52, 55 zu Art. 272). Die in Art. 272b Abs. 2 OR erwähnte
Vereinbarung der Parteien über eine Erstreckung des Mietverhältnisses
ist ein Vergleichsvertrag (HIGI, a.a.O., N 50 zu Art. 272b). Vorliegend
wurde die Erstreckungsvereinbarung im Rahmen des Schlichtungsverfahrens
abgeschlossen.
4. Die Parteien haben eine Erstreckung des Mietverhältnisses um ein Jahr sowie veränderte Kündigungsmodalitäten während der Dauer des erstreckten Mietverhältnisses vereinbart. Nicht ausdrücklich geregelt haben sie, ob und wie das Mietverhältnis in der Zeit zwischen dem Abschluss der Erstreckungsvereinbarung am 24. November 2004 und dem Beginn des erstreckten Mietverhältnisses am 1. April 2005 aufgelöst werden kann.
5. Grundsätzlich nicht möglich ist die Auflösung eines
Mietverhältnisses durch Kündigung eines bereits gültig auf einen
bestimmten Termin hin aufgelösten, aber noch nicht beendeten
Mietverhältnisses, das nicht erstreckt wurde (HIGI, Zürcher Kommentar zu
Art. 266-268b OR, Zürich 1995, N 9 Vorbemerkungen zu Art. 266-266o). An
der Gültigkeit der der Erstreckungsvereinbarung zugrunde liegenden
Kündigung des Vermieters kann sich durch den Abschluss einer
Erstreckungsvereinbarung allerdings nichts ändern. Vorliegend hat der
Kläger als Vermieter sein Gestaltungsrecht ausgeübt, anschliessend aber
in eine Erstreckungsvereinbarung eingewilligt. In der
Erstreckungsvereinbarung stellen die Parteien fest, die am 18. September
2004 ausgesprochene Kündigung des Klägers sei gültig. Insofern war es
den Beklagten gar nicht mehr möglich, das Mietverhältnis selbständig auf
Ende März 2005 zu kündigen.
Die Bedeutung des als „Kündigung“
bezeichneten Schreibens der Beklagten ist darin zu sehen, dass diese
dem Kläger mitteilten, sie seien auf die Erstreckung nicht mehr
angewiesen. Sie schreiben: „Somit verzichten wir auf die Erstreckung des
Mietverhältnisses, welche am 1. April 2005 für ein Jahr in Kraft treten
würde.“
Die Erstreckung des Mietverhältnisses dient der
Abwendung von Härten, die bei den Mietern durch die Vertragsbeendigung
eintreten können. Sie soll den Mietern helfen, innert nützlicher Frist
ein Ersatzobjekt zu finden und nicht ohne Wohn- und Geschäftsraum
dazustehen. Der Gesetzgeber wollte mit der Regelung von Art. 272d lit. a
OR durch kurze ordentliche Kündigungsfristen und zahlreiche
Kündigungstermine den Mietern die Übernahme eines Ersatzobjekts
erleichtern, ohne dass sie noch lange an das Mietverhältnis und die sich
daraus ergebenden Verpflichtungen gebunden sind (HIGI, a.a.O., N 5 zu
Art. 272d). Ein weiterer Zweck der gesetzlichen Regelung ist es, die
Interessen des Vermieters nach einer raschen Verfügbarkeit der Mietsache
zu fördern (HIGI, a.a.O., N 6 zu Art. 272d).
Vor diesem
Hintergrund erscheint das Verhalten der Beklagten nicht missbräuchlich,
gut einen Monat nach Abschluss der Erstreckungsvereinbarung auf die
Erstreckung zu verzichten. Den Mietern steht es nämlich auch frei, eine
Erstreckungsklage zurückzuziehen (HIGI, a.a.O., N 73 zu Art. 272b).
Schon eher missbräuchlich könnte das Verhalten des Vermieters
erscheinen, der eine Kündigung auf einen bestimmten Termin ausgesprochen
hat und diesen anschliessend nicht mehr gegen sich gelten lassen will.
Im Übrigen haben die Parteien einen Auszug der Beklagten auf Ende März
2005 in der Erstreckungsvereinbarung nicht ausdrücklich
ausgeschlossen.
Einzig wenn der Vermieter aufgrund des
Abschlusses einer Erstreckungsvereinbarung bereits für ihn nachteilige
Dispositionen getroffen hätte, könnte allenfalls eine Ersatzpflicht der
Mieter in Frage kommen. Solches macht der Kläger indessen nicht geltend.
Zudem haben die Beklagten ihre geänderte Situation dem Kläger rasch und
einige Monate vor ihrem Auszug mitgeteilt.
41/9 - Erstreckung des Mietverhältnisses – Aufhebung der Erstreckung