Erstreckung als Sozialrecht
Base légale
Nom du tribunal
Einzelrichter des Kantons Zug
Date
09.09.2010
Résumé
Das Recht auf Erstreckung ist ein Sozialrecht. Bei der Einführung der Sozialrechte stand das Schutzbedürfnis der sozial schwächeren Vertragspartei im Vordergrund. Bei Mietverhältnissen über Luxus-objekte entfallen in der Regel die klassischen Härtegründe.
Exposé des faits
Am 13. November 2009 schlossen die Kläger (Eigentümer, Vermieter) mit
den Beklagten per 1. Dezember 2009 einen Mietvertrag über eine
Attikawohnung mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten ab. Der
monatliche Bruttomietzins betrug Fr. 9'210.–.
Am 22. März 2010 –
mithin nach einer Mietdauer von knapp vier Monaten – kündigten die
Kläger das Mietverhältnis gemäss Art. 266l Abs. 2 OR ordentlich auf den
30. Juni 2010.
Mit Entscheid vom 11. Juni 2010 hielt die
Schlichtungsbehörde unter anderem fest, dass die Kündigung mit Wirkung
auf den 30. Juni 2010 gültig sei und dass das Mietverhältnis erst- und
letztmals, mithin einmalig, um die Dauer von sechs Monaten erstreckt
werde.
Mit Eingabe vom 25. Juni 2010 erhoben die Kläger beim
Kantonsgericht des Kantons Zug Klage und beantragten, den Beklagten sei
keine Erstreckung des Mietverhältnisses zu gewähren.
Die Beklagten
beantragen die erstmalige Erstreckung des Mietverhältnisses bis zum 30.
Juni 2012 und begründen dies im Wesentlichen damit, dass das
Mietverhältnis extrem kurz gewesen sei. Zudem seien die Chancen, ein
vergleichbares Objekt zu finden, annähernd gleich null. Aufgrund der
extrem starken beruflichen Beanspruchung beider Beklagten sei ihnen ein
erneuter Umzug nach wenigen Monaten samt allen damit verbundenen
Umtrieben schlechterdings nicht zumutbar.
Die Kläger stellen sich
demgegenüber auf den Standpunkt, die Beklagten befänden sich offenbar in
einer sehr komfortablen Vermögens- und Einkommenssituation. Wer einen
Nettomietzins von Fr. 9'000.– pro Monat aufbringen könne, habe auf dem
aktuellen Wohnungsmarkt kaum Einschränkungen hinzunehmen. Auch die kurze
Dauer des Mietverhältnisses könne für sich alleine keine Härtesituation
begründen. Die vergleichsweise kurze Vertragsdauer sei dadurch
entstanden, dass die Kläger, ohne dass sie dies vorgehend gewusst
hätten, relativ kurzfristig wieder in die Schweiz hätten zurückkehren
müssen. Im Weiteren seien den Beklagten mehrere luxuriöse Ersatzobjekte
angeboten worden.
Considérations
3.3 Vorab ist einzuräumen, dass das Mietverhältnis vom 1. Dezember 2009
bis 30. Juni 2010 lediglich sieben Monate gedauert hat und damit
relativ kurz war. Auch die Kündigung eines sehr kurzfristigen
Mietverhältnisses kann eine Härte auslösen, weil dem Mieter damit innert
kurzer Zeit zwei Umzüge mit all den damit verbundenen Umtrieben und
Kosten zugemutet werden (vgl. Art. 272 Abs. 2 lit. b OR). Zudem soll die
Erstreckung die wirtschaftlichen Einbussen aus noch nicht amortisierten
Einrichtungsinvestitionen mildern. Vorliegend begründet indessen die
kurze Dauer des Mietverhältnisses aufgrund der Vermögens- und
Einkommensverhältnisse der Beklagten keine Härte. Die Beklagten haben
zwar ihre finanziellen Verhältnisse im vorliegenden Verfahren nicht
offen gelegt, obschon sie mit Editionsverfügung vom 10. August 2010
aufgefordert wurden, Belege über sämtliches von ihnen seit Januar 2010
bis aktuell erzieltes Einkommen, Lohnausweise für das Jahr 2009 über
sämtliches Einkommen und Unterlagen betreffend die Vermögenssituation
einzureichen; finanzielle Härtegründe haben die Beklagten denn auch
nicht geltend gemacht. Fest steht jedoch, dass die Beklagten in der Lage
sind, einen überdurchschnittlich hohen Bruttomietzins von Fr. 9'210.–
pro Monat zu bezahlen. Mithin ist von ausserordentlich guten
finanziellen Verhältnissen der Mieter auszugehen, so dass den Beklagten
auch innert kurzer Zeit zwei Umzüge mit all den damit verbundenen
Umtrieben und Kosten zugemutet werden können. Ausserdem haben die
Beklagten vorliegend nicht geltend gemacht, dass ihnen neben den Umzugs-
auch Einrichtungskosten entstanden wären. Unter diesen Umständen können
die Beklagten aus der kurzen Mietdauer keinen Anspruch auf Erstreckung
herleiten. Das Recht auf Erstreckung ist im Übrigen ein Sozialrecht. Bei
der Einführung der Sozialrechte standen das Schutzbedürfnis der sozial
schwächeren Vertragspartei und die Verhinderung sozialer Not im
Vordergrund. Bei Mietverhältnissen über Luxusobjekte entfallen in der
Regel die klassischen Härtegründe. Eine Erstreckung ist nur möglich,
wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter eine Härte
auslöst. Die Erstreckung bezweckt, dem Mieter Zeit für die Suche nach
einer Ersatzlösung zu geben oder zumindest die Härtefolgen einer
vertragsgemässen Kündigung zu mildern. Die mit der Beendigung des
Mietverhältnisses unweigerlich verbundenen Probleme und Schwierigkeiten
rechtfertigen keine Erstreckung, denn diese Unannehmlichkeiten lassen
sich durch den Aufschub des Auszugs nicht mildern. Liegen keine
Hindernisse für die Suche eines Ersatzobjektes und den termingerechten
Umzug vor oder bedingt eine anderweitige fristgerechte Ersatzlösung
keine weiteren Nachteile, fehlt es an der Grundvoraussetzung für eine
Erstreckung. Ein Erstreckungsanspruch kann in diesem Fall von vornherein
nicht entstehen (vgl. Art. 109 Abs. 1 BV; Spirig, Grundsätze im
Erstreckungsrecht, in: mp 4/08, S. 199 ff., insb. 201 und 203 ff., mit
zahlreichen Hinweisen; Lachat/Spirig, Mietrecht für die Praxis, a.a.O.,
S. 636; Giger, Die Erstreckung des Mietverhältnisses, Diss. Zürich 1995,
S. 91; Higi, a.a.O., N 144 zu Art. 272 OR).
3.4 Sodann ergeben
sich auch aus den Umständen des Vertragsabschlusses keine Härtegründe.
In Bezug auf die Umstände bei Vertragsabschluss (vgl. Art. 272 Abs. 2
lit. a OR) ist entscheidend, ob der Mieter bei Vertragsabschluss über
die Umstände informiert wurde, die sein Mietverhältnis zeitlich
begrenzen. Voraussetzung ist weiter, dass beispielsweise ein Eigenbedarf
bereits so konkret ist, dass das Ende des Mietverhältnisses schon bei
Vertragsabschluss absehbar war. Durfte der Mieter auf ein lang dauerndes
Mietverhältnis vertrauen, wird die Erstreckung grosszügiger ausfallen.
Für ein lang dauerndes Mietverhältnis sprechen zum Beispiel mündliche
Zusicherungen. Unter Umständen kann sich aus dem Verhalten des
Vermieters ein Vertrauen auf eine längere Vertragsdauer ergeben.
Vorliegend war jedoch der Eigenbedarf der Kläger im November 2009 noch
nicht so konkret, dass das Ende des Mietverhältnisses schon bei
Vertragsabschluss absehbar und eine entsprechende Informationspflicht
gegeben war. Mithin durften die Beklagten nicht auf ein lang dauerndes
Mietverhältnis vertrauen. Auch mündliche Zusicherungen wurden seitens
der Kläger keine abgegeben. Unter diesen Umständen kann offen bleiben,
ob die von den Klägern offerierten Ersatzwohnungen als gleichwertig im
Sinne von Art. 272a Abs. 2 OR zu qualifizieren sind, was einen weiteren
Grund für den Ausschluss einer Erstreckung darstellen würde.
3.5 Ferner
trifft es zwar zu, dass der Wohnungsmarkt in Zug ''ausgetrocknet'' ist.
Aufgrund ihrer komfortablen finanziellen Situation sind die Beklagten
jedoch nicht darauf angewiesen, nach preiswerten Wohnungen Ausschau zu
halten; sie sind vielmehr in der Lage, nahezu jede freistehende Wohnung
zu mieten. Die Kläger haben den Beklagten denn auch innert kürzester
Zeit mehrere freistehende Ersatzobjekte vorgeschlagen... Dazu kommt,
dass der Mieter nach Lehre und Rechtsprechung bei Erhalt der Kündigung
nicht passiv bleiben darf und das Vorliegen von Suchbemühungen im
Zusammenhang mit dem geltend gemachten Härtegrund der schwierigen
Marktsituation (Art. 272 Abs. 2 lit. e OR) auch schon bei der
erstmaligen Erstreckung zu berücksichtigen ist. Als Mindestanforderung
ist dabei zu verlangen, dass der Mieter sich um die Mietangebote in der
Tagespresse bemüht und auf geeignete Angebote hin sein Interesse
anmeldet (vgl. BGE 4C.343/2004 E. 4.2, publiziert in: mp 2/05, S. 100
ff., mit weiteren Hinweisen; BGE 4C.365/2006 E. 4.1; plädoyer 2007, S.
43 f.; Giger, a.a.O., S. 83). Die Beklagten bringen zwar vor, sie hätten
die Firma X. mit der Suche nach einem adäquaten Ersatzobjekt beauftragt
und die von den Klägern angebotenen Ersatzobjekte geprüft. Die von den
Klägern ausdrücklich bestrittenen Suchbemühungen haben sie jedoch in
keiner Weise belegt. Die Beklagten reichten vorliegend auch keine Belege
über Suchbemühungen ein, obschon sie dazu vom Einzelrichter mit
Editionsverfügung vom 10. August 2010 aufgefordert worden waren.
Schliesslich trifft es zwar zu, dass die Beklagten die Kündigung
angefochten haben. Abgesehen von offensichtlich aussichtslosen
Anfechtungen ist dem Mieter in der Regel das Recht zuzugestehen, mit
seinen Suchbemühungen zumindest bis zu einem ersten Entscheid der
Schlichtungsbehörde zu warten, ohne dass ihm das in einem allfälligen
Erstreckungsverfahren als Nachteil angerechnet wird. Vorliegend haben
die Beklagten die Suchbemühungen aber auch nicht aufgenommen, als die
Schlichtungsbehörde die Kündigung mit Entscheid vom 11. Juni 2010 als
gültig erachtete. Ab diesem Zeitpunkt durften die Beklagten jedenfalls
nicht mehr in guten Treuen auf eine Aufhebung der Kündigung vertrauen
(vgl. Spirig, a.a.O., S. 210 ff.; BGE 4A_568/2008 E. 5 a.E.). Mithin
liegt bei den Beklagten auch unter dem Aspekt der fehlenden
Suchbemühungen keine unverschuldete Härte vor.
4. Zusammenfassend
ist festzuhalten, dass das Mietverhältnis am 22. März 2010 gültig auf
den 30. Juni 2010 gekündigt wurde und das Mietverhältnis nicht zu
erstrecken ist.
Décision
48/10 - Erstreckung als Sozialrecht