Bezirksgericht Imboden
14.06.2011
Eine Erstreckung erweist sich nur als sinnvoll, wenn zu erwarten ist, dass ein Umzug später für die Mietenden weniger nachteilig sein wird. Unabdingbar ist somit, dass der Zeitablauf die Situation der Mietenden wesentlich zu verbessern vermag. Bei der vorliegenden Geschäftsmiete wird eine einmalige Erstreckung bis zur Pensionierung der Wirtin gewährt.
2 b Die vom Gesetz verlangte Härte liegt vor bei einem objektiv
nachvollziehbaren Betroffensein des Mieters, welches das übliche Mass
der Unannehmlichkeit übersteigt, das eine Kündigung stets mit sich
bringt (Entscheid des Bundesgerichts 4C.240/2001 vom 26. November 2001
E. 3a: Lachat/Spirig, Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl., Zürich 2009, N
30/5.5 ; SVIT-Kommentar, a.a.O., N 14 ff. zu Art. 272 OR). Von
vorneherein keine Härte zu begründen vermag der Wunsch des Mieters,
länger oder gar für „immer“ im Mietobjekt zu verbleiben. Ebenso wenig
hat die Erstreckung zum Zweck, den Mieter möglichst lange von günstigem
Mietraum profitieren zu lassen (Weber, in Honsell/Vogt/Wiegand [Hrsg.]:
Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 4. Auflage, Basel
2007, N 3 zu Art. 272 OR). Eine Verlängerung erweist sich nur als
sinnvoll, wenn zu erwarten ist, dass ein Umzug später für den Mieter
weniger nachteilig sein werde als bei Ablauf der Kündigungsfrist oder
des befristeten Vertragsverhältnisses: Unabdingbar ist mit anderen
Worten, dass der Zeitablauf die Situation des Mieters wesentlich zu
verbessern vermag (SVIT-Kommentar, a.a.O. N 11 ff. zu Art. 272 OR). Bei
der Geschäftsraummiete kann in der Regel von einer Härte nur ausgegangen
werden, wenn die Existenz des ganzen Unternehmens in Frage gestellt
ist. Ist von der Kündigung nur eine Filiale betroffen, kann es bereits
an dieser Erstreckungsvoraussetzung fehlen. Eine Härte kann bei der
Geschäftsraummiete etwa darin bestehen, dass die Fortführung des
Betriebs an einem anderen Ort einer behördlichen Bewilligung bedarf und
der Mieter zudem Bedarf nach besonders ausgestalteten Räumen hat (Höhe,
Tragfähigkeit; vgl. Bundesgerichtsurteil 4A_62/2010 vom 13. April 2010,
E. 6.1.1 = mp 3/10, S. 213 f.; Lachat/Spirig, N 30/5.2; Weber, Basler
Kommentar, a.a.O., N 3a zu Art. 272 OR).
2 c Ob eine Härte vorliegt,
beurteilt sich anhand aller wesentlichen Umstände des konkreten
Einzelfalls. Dabei obliegt es trotz der auch für das
Erstreckungsverfahren geltenden Untersuchungsmaxime dem Mieter, den
Nachweis für das Bestehen einer Härtesituation zu erbringen, ersetzt
diese doch weder die Behauptungs- noch die Beweislast einer Partei
(Higi, a.a.O., N 237 ff. zu Art. 272; SVIT-Kommentar, a.a.O., N 60 ff.
zu Art. 272 OR). Als zu berücksichtigende Kriterien fallen nach der
nicht abschliessenden und insoweit beispielhaften Aufzählung im Gesetz
die Umstände des Vertragsschlusses und der Inhalt des Vertrags, die
Dauer des Mietverhältnisses, die persönlichen, familiären und
wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und deren Verhalten sowie die
Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume in
Betracht (Art. 272 Abs. 2 lit. a-c sowie lit. e OR). Zu berücksichtigen
sind auch Suchbemühungen des Mieters (SVIT-Kommentar, a.a.O., N 15 zu
Art. 272 OR). Der Richter ist angewiesen, nach dem zu urteilen, was ihm
im konkreten Einzelfall unter Würdigung aller relevanter Umstände als
recht und billig erscheint. Es steht ihm mit anderen Worten ein
erheblicher Ermessensspielraum zu, wobei auf die massgeblichen
Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erstreckungsentscheides abzustellen ist
(Weber, Basler Kommentar, a.a.O., N 3c zu Art. 272 OR).
2 d Wie im
Entscheid PKG 2003 Nr. 4 (E. 4a) sowie in der Literatur (SVIT-Kommentar,
a.a.O., S. 785 f.) ausgeführt, vermögen weder eine lange Mietdauer noch
ein fortgeschrittenes Alter für sich allein betrachtet eine Härte zu
begründen, zumal auch ein langjähriges Mietverhältnis aufgrund der
beidseitig gegebenen Kündigungsmöglichkeit kein Vertrauen auf zeitlich
unbeschränkte Weiterführung begründen kann. Da der Entscheid aufgrund
sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu treffen ist, können Mietdauer,
Alter und weitere Umstände in ihrem Zusammenwirken aber durchaus eine
Härtesituation begründen. X. hat sich, wie die Schlichtungsbehörde für
Mietsachen ausführt, im Laufe ihrer zehnjährigen Tätigkeit im
Bergrestaurant einen Kundenstamm aufgebaut, den sie bei Übernahme eines
anderen Betriebs oder bei allfälliger Anstellung in einem anderen
Restaurant in der Region nicht ohne weiteres übernehmen kann. Namentlich
bei Bergrestaurants haben die Gäste wohl eine persönliche Beziehung zum
Wirt mehr aber noch zu der für sie besonderen landschaftlichen
Umgebung, mit der sie oftmals in erheblicher Weise verbunden sind. Mit
dem Betrieb des Bergrestaurants und einem Zwischenverdienst in den
Wintermonaten ist es der Mieterin während all der Jahre gelungen, ein
ihren (bescheidenen) Ansprüchen genügendes Einkommen zu finden.
…
X. hat auch ihre bis anhin erfolglosen Suchbemühungen unter Beweis gestellt, so dass auch dieser Umstand härtebegründend ins Gewicht fällt. Diese Überlegung ist hier namentlich deshalb am Platz, als im Ersterstreckungsverfahren weniger hohe Anforderungen an die Suchbemühungen gestellt werden als im Zweiterstreckungsverfahren (SVIT-Kommentar, a.a.O.,S. 791 f.; Higi, a.a.O, N 216 zu Art. 272 OR). Und schliesslich dürfte es nachgerade allgemeinnotorisch sein, dass eine 60-jährige Frau erhebliche Mühe hat, eine Vollzeitanstellung als Fachkraft zu erhalten. Zum einen lassen sich potentielle Arbeitgeber von den hohen Sozialleistungen abschrecken, zum anderen werden jüngere Arbeitskräfte generell bevorzugt. X hat im Rahmen der richterlichen Parteibefragung glaubhaft ausgeführt, dass Stellenangebote nur saisonal verfügbar gewesen seien und Arbeitseinsätze nur aushilfsweise erfolgen konnten. Schliesslich ist auch in Betracht zu ziehen, dass bei selbständiger Übernahme eines Restaurationsbetriebes eine unter Umständen mehrjährige Aufbauphase zu erfolgen hätte und X. während derselben bereits das AHV-Alter erreichen würde. Demgegenüber dürfte auf Seiten der Gemeinde bezüglich des beabsichtigen Strategiewechsels keine übermässige Eile angebracht sein.
…
2 f… Vorliegend lassen das Alter der Mieterin – sie wurde im April 2011 sechzig Jahre alt – sowie die beantragte Erstreckungsdauer von vier Jahren darauf schliessen, dass X. ihre Aktivitätszeit in den bisherigen Lokalitäten beenden und danach in den Ruhestand treten will. Dieser Umstand spricht aber nicht für die Gewährung einer erstmaligen, sondern vielmehr einer einmaligen und damit definitiven Erstreckung. Es geht vorliegend offenkundig nicht um die Frage, ob die Mieterin innerhalb der Erstreckungsfrist eine Ersatzlösung finden wird, sondern darum, die selbständige Erwerbstätigkeit bis zum Zeitpunkt der ordentlichen Pensionierung oder zumindest bis kurz davor sicherzustellen. Mit der Gewährung einer einmaligen Erstreckungsdauer von vier Jahren, berechnet ab dem Auflösungszeitpunkt des Mietverhältnisses (vgl. dazu Lachat/Spirig, a.a.O., S. 653), wird den Interessen der Mieterin genügend Rechnung getragen. Für die Vermieterin bringt dies einerseits Klarheit und andererseits die Möglichkeit, im Zusammenhang mit der Neuausrichtung des Bewirtschaftungskonzepts Erfahrungswerte zu sammeln und später ein konkretes Anforderungsprofil für die neue Mieterschaft festlegen zu können. Dem folgend ist X. eine Erstreckung des Mietverhältnisses bis zum 31. Dezember 2014 zu gewähren.