Erstreckung

Base légale

Nom du tribunal

Bezirksgericht Imboden

Date

14.06.2011

Résumé

Eine Erstreckung erweist sich nur als sinnvoll, wenn zu erwarten ist, dass ein Umzug später für die Mietenden weniger nachteilig sein wird. Unabdingbar ist somit, dass der Zeitablauf die Situation der Mietenden wesentlich zu verbessern vermag. Bei der vorliegenden Geschäftsmiete wird eine einmalige Erstreckung bis zur Pensionierung der Wirtin gewährt.

Exposé des faits

Die Parteien schlossen am 30. März 2000 einen schriftlichen Mietvertrag für ein Bergrestaurant ab. Der Mietbeginn wurde auf 1. Januar 2001 festgelegt, eine Kündigungsfrist von 6 Monaten vereinbart und der jährliche, jeweils per 31. Oktober zu leistende Mietzins auf Fr. 11‘000.– beziffert.
Mit amtlichem Formular kündigte die Vermieterin am 25. Juni 2010 das Mietverhältnis fristgerecht mit Wirkung auf den 31. Dezember 2010. Auf Gesuch der Mieterin liess die Vermieterin am 6. Juli 2010 eine Begründung nachfolgen. Sie brachte vor, den Ort inskünftig touristisch stärker vermarkten zu wollen.
Am 14. Juli 2010 gelangte die Mieterin an die Schlichtungsbehörde für Mietsachen und stellte das Begehren auf erstmalige Erstreckung des Mietverhältnisses um vier Jahre. Nachdem die Verhandlungen gescheitert waren, erliess die Schlichtungsbehörde am 26. Oktober 2010 den schriftlichen Entscheid, in welchem sie der Mieterin eine erstmalige Erstreckung bis zum 31. Dezember 2012 gewährte.
Gegen den Entscheid der Schlichtungsbehörde erhob die Vermieterin fristgerecht Klage beim Bezirksgericht.
Mit Eingabe vom 26. November 2010 gelangte die Mieterin ihrerseits an das Bezirksgericht und stellte das Begehren um Gewährung einer erstmaligen Erstreckung des Mietverhältnisses für vier Jahre.

Considérations

2 b Die vom Gesetz verlangte Härte liegt vor bei einem objektiv nachvollziehbaren Betroffensein des Mieters, welches das übliche Mass der Unannehmlichkeit übersteigt, das eine Kündigung stets mit sich bringt (Entscheid des Bundesgerichts 4C.240/2001 vom 26. November 2001 E. 3a: Lachat/Spirig, Mietrecht für die Praxis, 8. Aufl., Zürich 2009, N 30/5.5 ; SVIT-Kommentar, a.a.O., N 14 ff. zu Art. 272 OR). Von vorneherein keine Härte zu begründen vermag der Wunsch des Mieters, länger oder gar für „immer“ im Mietobjekt zu verbleiben. Ebenso wenig hat die Erstreckung zum Zweck, den Mieter möglichst lange von günstigem Mietraum profitieren zu lassen (Weber, in Honsell/Vogt/Wiegand [Hrsg.]: Basler Kommentar, Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 4. Auflage, Basel 2007, N 3 zu Art. 272 OR). Eine Verlängerung erweist sich nur als sinnvoll, wenn zu erwarten ist, dass ein Umzug später für den Mieter weniger nachteilig sein werde als bei Ablauf der Kündigungsfrist oder des befristeten Vertragsverhältnisses: Unabdingbar ist mit anderen Worten, dass der Zeitablauf die Situation des Mieters wesentlich zu verbessern vermag (SVIT-Kommentar, a.a.O. N 11 ff. zu Art. 272 OR). Bei der Geschäftsraummiete kann in der Regel von einer Härte nur ausgegangen werden, wenn die Existenz des ganzen Unternehmens in Frage gestellt ist. Ist von der Kündigung nur eine Filiale betroffen, kann es bereits an dieser Erstreckungsvoraussetzung fehlen. Eine Härte kann bei der Geschäftsraummiete etwa darin bestehen, dass die Fortführung des Betriebs an einem anderen Ort einer behördlichen Bewilligung bedarf und der Mieter zudem Bedarf nach besonders ausgestalteten Räumen hat (Höhe, Tragfähigkeit; vgl. Bundesgerichtsurteil 4A_62/2010 vom 13. April 2010, E. 6.1.1 = mp 3/10, S. 213 f.; Lachat/Spirig, N 30/5.2; Weber, Basler Kommentar, a.a.O., N 3a zu Art. 272 OR).
2 c Ob eine Härte vorliegt, beurteilt sich anhand aller wesentlichen Umstände des konkreten Einzelfalls. Dabei obliegt es trotz der auch für das Erstreckungsverfahren geltenden Untersuchungsmaxime dem Mieter, den Nachweis für das Bestehen einer Härtesituation zu erbringen, ersetzt diese doch weder die Behauptungs- noch die Beweislast einer Partei (Higi, a.a.O., N 237 ff. zu Art. 272; SVIT-Kommentar, a.a.O., N 60 ff. zu Art. 272 OR). Als zu berücksichtigende Kriterien fallen nach der nicht abschliessenden und insoweit beispielhaften Aufzählung im Gesetz die Umstände des Vertragsschlusses und der Inhalt des Vertrags, die Dauer des Mietverhältnisses, die persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien und deren Verhalten sowie die Verhältnisse auf dem örtlichen Markt für Wohn- und Geschäftsräume in Betracht (Art. 272 Abs. 2 lit. a-c sowie lit. e OR). Zu berücksichtigen sind auch Suchbemühungen des Mieters (SVIT-Kommentar, a.a.O., N 15 zu Art. 272 OR). Der Richter ist angewiesen, nach dem zu urteilen, was ihm im konkreten Einzelfall unter Würdigung aller relevanter Umstände als recht und billig erscheint. Es steht ihm mit anderen Worten ein erheblicher Ermessensspielraum zu, wobei auf die massgeblichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Erstreckungsentscheides abzustellen ist (Weber, Basler Kommentar, a.a.O., N 3c zu Art. 272 OR).
2 d Wie im Entscheid PKG 2003 Nr. 4 (E. 4a) sowie in der Literatur (SVIT-Kommentar, a.a.O., S. 785 f.) ausgeführt, vermögen weder eine lange Mietdauer noch ein fortgeschrittenes Alter für sich allein betrachtet eine Härte zu begründen, zumal auch ein langjähriges Mietverhältnis aufgrund der beidseitig gegebenen Kündigungsmöglichkeit kein Vertrauen auf zeitlich unbeschränkte Weiterführung begründen kann. Da der Entscheid aufgrund sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu treffen ist, können Mietdauer, Alter und weitere Umstände in ihrem Zusammenwirken aber durchaus eine Härtesituation begründen. X. hat sich, wie die Schlichtungsbehörde für Mietsachen ausführt, im Laufe ihrer zehnjährigen Tätigkeit im Bergrestaurant einen Kundenstamm aufgebaut, den sie bei Übernahme eines anderen Betriebs oder bei allfälliger Anstellung in einem anderen Restaurant in der Region nicht ohne weiteres übernehmen kann. Namentlich bei Bergrestaurants haben die Gäste wohl eine persönliche Beziehung zum Wirt mehr aber noch zu der für sie besonderen landschaftlichen Umgebung, mit der sie oftmals in erheblicher Weise verbunden sind. Mit dem Betrieb des Bergrestaurants und einem Zwischenverdienst in den Wintermonaten ist es der Mieterin während all der Jahre gelungen, ein ihren (bescheidenen) Ansprüchen genügendes Einkommen zu finden.

X. hat auch ihre bis anhin erfolglosen Suchbemühungen unter Beweis gestellt, so dass auch dieser Umstand härtebegründend ins Gewicht fällt. Diese Überlegung ist hier namentlich deshalb am Platz, als im Ersterstreckungsverfahren weniger hohe Anforderungen an die Suchbemühungen gestellt werden als im Zweiterstreckungsverfahren (SVIT-Kommentar, a.a.O.,S. 791 f.; Higi, a.a.O, N 216 zu Art. 272 OR). Und schliesslich dürfte es nachgerade allgemeinnotorisch sein, dass eine 60-jährige Frau erhebliche Mühe hat, eine Vollzeitanstellung als Fachkraft zu erhalten. Zum einen lassen sich potentielle Arbeitgeber von den hohen Sozialleistungen abschrecken, zum anderen werden jüngere Arbeitskräfte generell bevorzugt. X hat im Rahmen der richterlichen Parteibefragung glaubhaft ausgeführt, dass Stellenangebote nur saisonal verfügbar gewesen seien und Arbeitseinsätze nur aushilfsweise erfolgen konnten. Schliesslich ist auch in Betracht zu ziehen, dass bei selbständiger Übernahme eines Restaurationsbetriebes eine unter Umständen mehrjährige Aufbauphase zu erfolgen hätte und X. während derselben bereits das AHV-Alter erreichen würde. Demgegenüber dürfte auf Seiten der Gemeinde bezüglich des beabsichtigen Strategiewechsels keine übermässige Eile angebracht sein.

2 f… Vorliegend lassen das Alter der Mieterin – sie wurde im April 2011 sechzig Jahre alt – sowie die beantragte Erstreckungsdauer von vier Jahren darauf schliessen, dass X. ihre Aktivitätszeit in den bisherigen Lokalitäten beenden und danach in den Ruhestand treten will. Dieser Umstand spricht aber nicht für die Gewährung einer erstmaligen, sondern vielmehr einer einmaligen und damit definitiven Erstreckung. Es geht vorliegend offenkundig nicht um die Frage, ob die Mieterin innerhalb der Erstreckungsfrist eine Ersatzlösung finden wird, sondern darum, die selbständige Erwerbstätigkeit bis zum Zeitpunkt der ordentlichen Pensionierung oder zumindest bis kurz davor sicherzustellen. Mit der Gewährung einer einmaligen Erstreckungsdauer von vier Jahren, berechnet ab dem Auflösungszeitpunkt des Mietverhältnisses (vgl. dazu Lachat/Spirig, a.a.O., S. 653), wird den Interessen der Mieterin genügend Rechnung getragen. Für die Vermieterin bringt dies einerseits Klarheit und andererseits die Möglichkeit, im Zusammenhang mit der Neuausrichtung des Bewirtschaftungskonzepts Erfahrungswerte zu sammeln und später ein konkretes Anforderungsprofil für die neue Mieterschaft festlegen zu können. Dem folgend ist X. eine Erstreckung des Mietverhältnisses bis zum 31. Dezember 2014 zu gewähren.

Décision

52/7 - Erstreckung

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