Obergericht des Kantons Uri
20.12.2005
Ein Ausgleich von Unterschieden bezüglich der objektiven Kriterien äusserer Beschaffenheit zwischen dem Ausgangsobjekt und den Vergleichsobjekten durch Zu- oder Abschläge am Preis ist – wenn überhaupt – nur bei geringfügigen Abweichungen möglich.
3. Art. 274d Abs. 3 OR schreibt den Schlichtungsbehörden und
Gerichten vor, dass sie den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen
und die Beweise nach freiem Ermessen zu würdigen haben, wobei ihnen die
Parteien alle für die Beurteilung des Streitfalls notwendigen Unterlagen
vorzulegen haben. Diese Anweisung an die Behörden wird in der Literatur
als soziale Untersuchungsmaxime oder gemilderte Verhandlungsmaxime
bezeichnet. Bei der sozialpolitisch begründeten Untersuchungsmaxime geht
es darum, die wirtschaftlich schwächere Partei zu schützen, die
Gleichheit zwischen den Parteien herzustellen, sowie das Verfahren zu
beschleunigen. Die Parteien sind jedoch nicht davon befreit, bei der
Feststellung des entscheidwesentlichen Sachverhalts aktiv mitzuwirken
und die allenfalls zu erhebenden Beweise zu bezeichnen. Sie tragen auch
im Bereich der Untersuchungsmaxime die Verantwortung für die
Sachverhaltsermittlung. Art. 274d Abs. 3 OR schreibt somit keine
umfassende Untersuchungsmaxime vor. Dies ergibt sich schon aus dem
ausdrücklichen Vorbehalt, wonach die Parteien die entscheidwesentlichen
Unterlagen vorzulegen haben (BGE 125 III 238 f. E. 4a m.H.).
Der
Vermieter, der sich auf die Orts- und Quartierüblichkeit des
angefochtenen Mietzinses beruft, hat dabei die vergleichbaren ihrerseits
nicht missbräuchlichen Mietzinse zu behaupten und zu beweisen. Er hat
die Orts- und Quartierüblichkeit substantiiert unter Beachtung des von
der Rechtsprechung verlangten Nachweises nicht missbräuchlichen
Mietzinses für vergleichbare Objekte darzutun (BGE 122 III 262 E. 4b).
Er hat insbesondere auch den Nachweis dafür zu erbringen, dass die
Vergleichsmietzinse der Senkung des Hypothekarzinssatzes angepasst
worden sind (BGE 123 III 317 ff. E. 4d).
4. Massgebend für die Ermittlung der orts- und quartierüblichen
Mietzinse i.S. von Art. 269a lit. a OR sind die Mietzinse für Wohn- und
Geschäftsräume, die nach Lage, Grösse, Ausstattung, Zustand und
Bauperiode mit der Mietsache vergleichbar sind (Art. 11 Abs. 1 VMWG).
Dabei tritt die Quartierüblichkeit dort an die Stelle der
Ortsüblichkeit, wenn der Ort, in dem die Sache liegt, über Quartiere
verfügt. Zur Quartierbestimmung kann im Regelfall von den in einem Ort
gebräuchlichen politischen oder historischen Quartier- und/oder
Kreiseinteilungen ausgegangen werden (Peter Higi, Zürcher Kommentar, 4.
Aufl., Zürich 1998, N. 30 und 33 zu Art. 269a OR). Die Feststellung von
Missbrauch anhand des Kriteriums der Orts- oder Quartierüblichkeit
erfolgt im Einzelfall aufgrund der Ermittlung des massgebenden Üblichen
(Peter Higi, a.a.O., N. 38 zu Art. 269a OR). Dieses wird grundsätzlich
konkret ermittelt, in erster Linie anhand von Vergleichsobjekten, ferner
anhand tauglicher Statistiken, nicht jedoch abstrakt, etwa aufgrund von
Schätzungen. Die Suche nach dem Üblichen setzt voraus, dass es dem
Ausgangsobjekt Vergleichbares gibt. Vergleichbar meint dabei nicht
Identisches, sondern – unter landläufigen Massstäben betrachtet –
Ähnliches (Peter Higi, a.a.O., N. 45 zu Art. 269a OR). Beim Vergleich
ist entweder auf eine verlässliche Statistik abzustellen, oder der
Nachweis der Üblichkeit durch eine ausreichende Zahl konkreter, genügend
vergleichbarer Objekte zu belegen. Fehlt es, wie vorliegend, an einer
verlässlichen Statistik, so ist für den Beleg der Üblichkeit eine
repräsentative Anzahl von tauglichen Vergleichsobjekten zu ermitteln.
Nach herrschender Lehre und Praxis werden fünf Objekte als dafür
ausreichend erachtet (Peter Higi, a.a.O., N. 42 zu Art. 269a OR; Roger
Weber, in Basler Kommentar, 3. Aufl., Basel 2003, N. 2 zu Art. 269a OR;
vgl. auch BGE vom 26.10.2004, 4C.275/2004, E. 3.1). Einem Vergleich
genügen aber nur Objekte, die unter dem Aspekt aller von Art. 11 Abs. 1
VMWG aufgestellten Kriterien äusserer Beschaffenheit (Lage, Grösse,
Ausstattung, Zustand, Bauperiode) dem Ausgangsobjekt gleichartig sind.
Es wird dabei in der Praxis eher eine Identität als eine Ähnlichkeit der
Objekte verlangt. Weicht also ein Objekt nur schon unter einem dieser
Kriterien wesentlich vom Ausgangsobjekt ab, so ist die Vergleichbarkeit
in Bezug auf dieses Objekt zu verneinen. Ein Ausgleich von Unterschieden
bezüglich der objektiven Kriterien äusserer Beschaffenheit zwischen dem
Ausgangsobjekt und Vergleichsobjekten (durch Zu- oder Abschläge am
Preis) ist deshalb zwangsläufig, wenn überhaupt, nur bei geringfügigen
Abweichungen möglich (Peter Higi, a.a.O., N. 63 bis 65 zu Art. 269a OR).
(In
der Folge wird eine Vielzahl von Objekten abgelehnt, weil sie wegen
Lage, Immissionen oder Ausstattung vom Ausgangsobjekt abweichen oder
weil sie demselben Vermieter gehören. Es wird festgestellt, dass es dem
Rekurrenten nicht gelungen ist, den Nachweis der Orts- und
Quartierüblichkeit zu erbringen, weil er zu wenig vergleichbare Objekte
angeboten hat. Der Rekurs wird deshalb abgewiesen und der Entscheid des
Landgerichtspräsidiums Uri bestätigt.)