Entscheid durch die Schlichtungsbehörde, Heiz- und Betriebskostenabrechnung

Base légale

Nom du tribunal

Entscheid des Kantonsgerichtes St. Gallen

Date

02.02.2012

Résumé

Das Schlichtungsverfahren wird mit der Zustimmung der Schlichtungsbehörde einen Entscheid zu treffen, abgeschlossen. Die Führung eines Verhandlungsprotokolls ab dem Beginn des Entscheidverfahrens erscheint aufgrund der Anfechtbarkeit des Entscheids der Schlichtungsbehörde als geboten. Hat ein Vermieter bei der Rechnung ausdrücklich auf einen Pauschalansatz abgestellt, dann ist es fraglich, ob eine Begründung mit dem tatsächlichen Aufwand erfolgen kann.

Exposé des faits

Seit April 1994 sind die Kläger Mieter eines Reiheneinfamilienhauses, das zu einer Grossüberbauung gehört, welche ihrerseits 79 Wohnungen und 26 Reiheneinfamilienhäuser umfasst. Die Beklagte ist Eigentümerin der Wohnungen und Reiheneinfamilienhäuser und hat mit der Verwaltung eine Unternehmung aus dem Bereich der Immobilienbewirtschaftung beauftragt.
Die Verwalterin stellte den Klägern mit Brief vom 25. November 2010 die Heiz- und Betriebskostenabrechnung für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis 31. März 2010 zu. Von den Klägern wurden Heiz- und Betriebskosten im Betrag von 4107 Franken, enthaltend ein Verwaltungshonorar von 4.842% (4.5% zuzüglich 7.6% Mehrwertsteuer), gefordert.
Die Kläger gelangten am 28. Juni 2011 an die zuständiger Schlichtungsstelle für Miet- und Pachtverhältnisse. Sie stellten den sinngemässen Antrag auf Herabsetzung des in der Heiz- und Betriebskostenabrechnung 2009/2010 enthaltenen Verwaltungskostenansatzes von 4.5% auf 3%. Verfahrensrechtlich ersuchten die Kläger um den Erlass eines Entscheids gemäss Art. 212 ZPO. Die Schlichtungsstelle entschied am 25. August 2011, dass eine Herabsetzung der Pauschale der Heiz- und Betriebskostenabrechnung auf 3% zuzüglich Mehrwertsteuer erfolgen sollte.
Die Beklagte reichte am 22. September 2011 bei der Einzelrichterin des Kantonsgerichts eine Beschwerde ein. Sie stellte den Antrag auf Aufhebung des Entscheides der Schlichtungsstelle und Zurückweisung der Streitsache an die Vorinstanz. Eventualiter verlangte die Beklagte die Abweisung der Klage. In der Beschwerdeantwort vom 23. November 2011 beantragten die Kläger die Abweisung der Beschwerde.

Considérations

2.5 Die Schlichtungsbehörde kann in vermögensrechtlichen Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 2000 Franken einen Entscheid fällen, sofern die klagende Partei einen entsprechenden Antrag stellt (Art. 212 Abs. 1 ZPO). Es liegt im Ermessen der Schlichtungsbehörde, ob sie auf Antrag ein Entscheidverfahren eröffnen will oder nicht. Sie wird dies im allgemeinen tun, wenn einfache und klare rechtliche Verhältnisse vorliegen; ist dies nicht der Fall, wird sie einen Urteilsvorschlag unterbreiten oder die Klagebewilligung erteilen. Sind Beweise zu erheben, darf ein Entscheid nur, aber immerhin dann ergehen, wenn sich das Verfahren durch die Beweisabnahmen nicht wesentlich verzögert (Art. 203 Abs. 2 ZPO); dies ist in der Regel der Fall, wenn die Beweismittel bei der Verhandlung bereits vorliegen oder sich auf relativ einfache Weise erheben lassen (JÖRG HONEGGER, in: Kommentar zur Schweizerischen Zivilprozessordnung, Hrsg. Sutter-Somm/Hasenböhler/Leuenberger, N. 3 zu Art. 212 ZPO; Handbuch für das Verfahren von den Schlichtungsbehörden, Kantonsgericht St. Gallen, Version 3.00, N. 241, N. 245).
Die Zustimmung der Schlichtungsbehörde, einen Entscheid zu treffen, schliesst das Schlichtungsverfahren ab; es beginnt das Entscheidverfahren. Dieser Verfahrensschritt ist zu protokollieren (Art. 235 Abs. 1 lit. e ZPO; Handbuch N. 246). Ab diesem Zeitpunkt kann die Schlichtungsbehörde nicht wieder auf eine Erledigung durch Urteilsvorschlag oder Ausstellung der Klagebewilligung zurückwechseln und trifft die klagende Partei die sogenannte Fortführungslast, was zur Folge hat, dass im Falle eines Klagerückzugs über den gleichen Anspruch grundsätzlich kein zweiter Prozess mehr angehoben werden kann (Handbuch N. 246; Art. 65 ZPO; BRIGITTE RICKLI, Dike-Komm-ZPO, N. 8 zu Art. 212 ZPO; PÜNTENER, Das mietrechtliche Schlichtungsverfahren in der Zivilprozessordnung, mp 4/2011 S. 243 ff., N. 6.4) Im Entscheidverfahren ist die Schlichtungsbehörde erste Entscheidinstanz; die Bestimmungen über das vereinfachte Verfahren (Art. 243 ff. ZPO) sind sachgemäss anwendbar (Handbuch N. 247; RICKLI, Dike-Komm.-ZPO, N. 13 zu Art. 212 ZPO) Es sind die allgemeinen Verfahrensgrundsätze und Verfahrensgarantien (Art. 52 ff. ZPO) zu beachten. Dazu gehört u.a. der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 53 Abs. 1 ZPO), der diesen das Recht einräumt, sich vor Erlass eines Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise beizubringen (Art. 152 Abs. 1 ZPO), Einsicht in die Akten zu nehmen (Art. 53 Abs. 2 ZPO), an Beweisabnahmen mitzuwirken (Art. 155 Abs. 3 ZPO) sowie zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen (Art. 232 Abs. 1 i.V.m. Art. 219 ZPO), und zudem auch den Anspruch der Parteien auf Entscheidbegründung umfasst (LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, a,a,O., N. 4.63). Im Rahmen des Entscheidverfahrens findet eine Verhandlung statt, die unmittelbar an die Schlichtungsverhandlung anschliesst (Handbuch N. 248). Anders als im Schlichtungsverfahren, in welchem nur ein sogenanntes Verfahrensprotokoll über Ort und Zeit, die Zusammensetzung der Behörde, die auf Seite der Parteien Anwesenden und die Rechtsbegehren geführt werden darf, die Aussagen der Parteien hingegen nicht protokolliert werden dürfen, um die Vertraulichkeit zu wahren und damit eine Einigung zu begünstigen (Art. 205 Abs. 1 ZPO; dazu: HONEGGER, a.a.O., N. 1 zu Art. 205 ZPO und PÜNTENER, a.a.O., N. 5.3), schliesst das Gesetz die Protokollierung der Parteiaussagen im Entscheidverfahren nicht aus (HONEGGER, a.a.O., N. 5 zu Art. 212 ZPO; URS EGLI, Dike-Komm-ZPO, N. 6 zu Art. 205 ZPO). Wegen der Anfechtbarkeit des Entscheids der Schlichtungsbehörde erscheint die Führung eines Verhandlungsprotokolls ab Beginn des Entscheidverfahrens im Gegenteil sogar als geboten. Denn die Beschwerdeinstanz ist regelmässig darauf angewiesen, zu wissen, welche Tatsachen und Beweismittel die Parteien an der im Entscheidverfahren durchgeführten Verhandlung vorgebracht und beantragt haben, damit sie die Beschwerde beurteilen und im Übrigen auch feststellen kann, ob im Beschwerdeverfahren allenfalls unzulässigerweise neue Tatsachen und Beweismittel in den Prozess eingebracht wurden (vgl. EGLI, Dike-Komm-ZPO, N. 6 zu Art. 205 ZPO, PÜNTENER, a.a.O., N. 6.4 sowie Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 8. August 2011, in: ZR 110 [2011] Nr. 68 E. 2; Art. 326 ZPO). Gerade mit Blick auf das Verhandlungsprotokoll, dessen Führung im Schlichtungsverfahren untersagt, im Entscheidverfahren hingegen geboten gebot ist, sollte der Wechsel vom Schlichtungsverfahren und der damit verbundene Rollenwechsel der Schlichtungsbehörde von der Sühn- zur Entscheidinstanz für die Parteien klar erkennbar sein. Angezeigt ist daher eine strikte Trennung der Verhandlung in einen informellen Teil und – sofern ein Entscheid gefällt werden soll – einen daran anschliessenden formellen Teil, wobei die Parteien über den Wechsel sowie insbesondere über den Beginn des Entscheidverfahrens und die Führung eines Verhandlungsprotokolls zu informieren sind (EGLI, Dike-Komm-ZPO, N. 8 zu Art. 205 ZPO).

3.4 Die Beklagte vertritt im Beschwerdeverfahren den Standpunkt, die Vorinstanz habe Art. 4 Abs. 3 und Art. 5 Abs. 3 VMWG unrichtig angewandt, indem sie den von ihr geltend gemachten effektiven Aufwand nicht berücksichtigt habe (Beschwerdeschrift S. 27 ff., insbes. S. 29 oben). In diesem Zusammenhang fällt vorab in Betracht, dass schon fraglich ist, ob sich ein Vermieter zur Begründung umstrittener Verwaltungskosten auf den tatsächlichen Aufwand berufen kann, wenn er diese Kosten – wie hier – ausdrücklich zu einem Pauschalansatz in Rechnung gestellt hat. Gegen diese Möglichkeit spricht jedenfalls der Umstand, dass Art. 257b Abs. 2 OR ein Einsichtsrecht der Mieters in die der Heiz- und Nebenkostenabrechnung zugrunde liegenden Belege statuiert, welches sich auch auf die Verwaltungskosten bezieht (mp 3/1996, S. 134), und dieses Recht vereitelt wird, wenn der Vermieter die Entschädigung für die Verwaltungskosten zwar vordergründig als Pauschale erhebt, diese aber faktisch nach dem effektiven Aufwand bemisst, hat doch der Mieter in einem solchen Fall keine Veranlassung, Einsicht in die entsprechenden Belege zu verlangen, sondern wird höchstens die Pauschale auf ihre Ortsüblichkeit hin überprüfen. Hier kommt hinzu, dass sich die Beklagte zum Nachweis des effektiven Aufwandes auf Berechnungen beruft, die sie erst mehrere Monate nach Zustellung der umstrittenen Heiz- und Betriebskostenabrechnung, nämlich im März 2011, erstellte, und diese Berechnungen ausserdem wegen ihrer Komplexität für einen nicht sachkundigen Mieter kaum nachvollziehbar sind, was ebenfalls geeignet ist, sein gesetzliches Überprüfungsrecht zu unterlaufen.
Letztlich kann hier die Frage, ob sich die Beklagte zur Begründung des erhobenen Pauschalansatzes auf den effektiven Verwaltungsaufwand berufen kann, allerdings offen bleiben, da die Vorinstanz entgegen der Ansicht der Beklagten ohne Willkür davon ausgehen durfte, die „Nachkalkulation nach Mengengerüst“ vom 10. März 2011 sei nicht geeignet, den tatsächlichen und auf die Mieter abwälzbaren Verwaltungsaufwand auszuweisen.

Damit hat die Vorinstanz grundsätzlich zu Recht überprüft, ob die von der Beklagten in Rechnung gestellte Verwaltungspauschale von 4.5% im Rahmen des ortüblichen Pauschalansatzes liegt oder diesen übersteigt. Soweit sie dabei allerdings von einer ortüblichen Verwaltungspauschale von 3% ausgegangen ist, ergibt sich weder aus der Entscheidbegründung noch aus den Akten, worauf sie diese Erkenntnis für um betreffenden Ort gelegene Liegenschaften stützte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass sie dabei – wie die Kläger behaupten – auf den in mp 3/2008 S. 178 ff. publizierten Entscheid des Kreisgerichts St. Gallen vom 15. Januar 2008 abgestellt hat, in dem – allerdings ohne nachvollziehbare Quellenangabe – der „im Kanton St. Gallen“ (oder gemäss Ingress der Redaktion „in St. Gallen“) übliche Pauschalansatz mit 3% beziffert wird. Diesem Ansatz ist denn auch mit Vorsicht zu begegnen, da der fragliche Entscheid keine Liegenschaft im heutigen betroffenen Kreis, sondern eine solche in einer anderen Gemeinde, und zudem aufgrund der Fachliteratur davon auszugehen ist, dass die aktuellen ortsüblichen Pauschalansätze in der Schweiz in einer Bandbreite von zwischen 3.5% und 5% liegen (vgl. SVIT-Kommentar, N. 26 zu Art. 257-257b OR, und LACHAT/BEGUIN, a.a.O., N. 14/5.7 Fn. 99) Die Rüge der Beklagten, die Vorinstanz habe den ortsüblichen Pauschalansatz ohne Beweiserhebung willkürlich festgesetzt, erweist sich damit zumindest insoweit als berechtigt, als die Vorinstanz entweder ohne jegliche Abklärungen zur Höhe der ortüblichen Verwaltungspauschale von einem Ansatz von 3% ausgegangen ist, obschon die im Lichte von Art. 247 Abs. 2 ZPO zu dahingehenden Abklärungen gehalten gewesen wäre, oder sie ihre Abklärungen und Erkenntnisse nicht dokumentierte und in die Entscheidbegründung einfliessen liess, womit der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör verletzt wäre (vorn E. II.5 und LEUENBERGER/UFFER-TOBLER, a.a.O., N. 4.63). Der angefochtene Entscheid ist daher aufzuheben und die Streitsache zur allfälligen Beweisergänzung und neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen.

Décision

53/9 - Entscheid durch die Schlichtungsbehörde, Heiz- und Betriebskostenabrechnung

Retour