Energiebezug von einer ausgelagerten Zentrale
Base légale
Nom du tribunal
Obergericht des Kantons Solothurn
Date
19.04.2002
Résumé
Die Anlage ist nicht im Eigentum der Vermieterschaft und es handelt sich nicht um einen Teil ihrer Anlagekosten. Die Vermieterschaft darf alle tatsächlich anfallenden Kosten der Mieterschaft als Nebenkosten belasten. Die Änderung muss aber mit dem amtlichen Formular mitgeteilt und begründet werden.
Exposé des faits
Die Pensionskasse S. ist Eigentümerin von verschiedenen Liegenschaften
in B. Am 2. März 1999 schloss sie mit der AEK Energie AG, Solothurn,
einen Wärmelieferungsvertrag, eine Vereinbarung über die Abrechnung der
Heizkosten und der Wärmeversorgung sowie einen Dienstbarkeitsvertrag.
Der Vertrag dauert mindestens bis zum 30. Juni 2014.
Die AEK Energie
AG verpflichtete sich mit dem Wärmelieferungsvertrag, auf dem Areal der
A. AG in B. auf eigene Kosten einen Nahwärmeverbund zu installieren und
zu betreiben. Sie sicherte zu, der Eigentümerin der Liegenschaften für
die Vertragsdauer die Wärme an der Übergabestelle zwischen
Wärmeübergabestation und Hauszentrale zu liefern. Die Eigentümerin
anderseits verpflichtete sich, jährliche Wärmekosten, umfassend
anteilsmässig sämtliche Kosten für Betrieb, Bedienung und Wartung des
Nahwärmeverbundes sowie dessen Versicherung, sowie sämtliche Brennstoff-
und Stromkosten im Nahwärmeverbund zu bezahlen. Weiter verpflichtete
sie sich, eine Jahrespauschale zu entrichten, die anteilsmässig die
Gesamtkosten zur Erstellung des Nahwärmeverbundes (Wärmezentrale
Nahwärmenetz, Hausanschlüsse und Wärmeübergabestationen) deckt. Diese
Jahrespauschale wurde auf Fr. 36'480.-, zuzüglich Mehrwertsteuer,
bestimmt. Ab April 1999 fakturierte die AEK Energie AG der Pensionskasse
S. monatlich die Kosten für die Wärmeversorgung ihrer Liegenschaften.
Darin eingeschlossen war jeweils auch 1/12 der Jahrespauschale von Fr.
36'480.- bzw. Fr. 3'040.- pro Monat. Im Rahmen der Heiz- und
Nebenkostenabrechnung stellte die Eigentümerin den Mietern ihrer
Wohnungen unter anderem auch diese Jahrespauschale anteilsmässig in
Rechnung.
Zahlreiche Mieter fochten die Heiz- und
Nebenkostenabrechnung an. Vor der Schlichtungsbehörde Solothurn-Lebern
konnten sich die Parteien in Bezug auf die Jahrespauschale von Fr.
36'480.- nicht einigen.
Die Pensionskasse S. klagte am 28. März 2001
beim Richteramt Solothurn-Lebern gegen die Mieterinnen und Mieter und
verlangte die Zahlung der ausstehenden Anteile der Jahrespauschale.
Mit Urteil vom 9. Mai 2001 wies der Gerichtspräsident die Klage ab.
Frist- und formgerecht erhob die Klägerin Appellation gegen das Urteil.
Considérations
2. Die von der Vermieterin eingeklagten Beträge entsprechen den auf die
einzelnen Mieter entfallenden Anteile an der Jahrespauschale, welche die
Klägerin der AEK Energie AG bezahlen muss. Umstritten ist, ob sie diese
den Mietern als Nebenkosten überwälzen darf. Die Beklagten behaupten,
es handle sich dabei um Anlagekosten, die ein Vermieter nicht als
Nebenkosten geltend machen könne. An der heutigen Hauptverhandlung
berufen sie sich zudem auf Art. 269d des Obligationenrechts (OR; SR
220). Die Vermieterin habe die neuen Nebenkosten nicht wie
vorgeschrieben mit dem amtlichen Formular mitgeteilt. Die geltend
gemachte Überwälzung der Jahrespauschale sei deshalb nichtig.
3.a) Nebenkosten
bei Wohn- und Geschäftsräumen sind gemäss Art. 257b Abs. 1 OR die
tatsächlichen Aufwendungen des Vermieters für Leistungen, die mit dem
Gebrauch zusammenhängen, wie Heizungs-, Warmwasser- und ähnliche
Betriebskosten, sowie für öffentliche Abgaben, die sich aus dem Gebrauch
der Sache ergeben. Art. 6 der Verordnung über die Miete und Pacht von
Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG; SR 221.213.11) konkretisiert, dass
Aufwendungen für die Reparatur und Erneuerung sowie die Verzinsung und
Abschreibung von Anlagen nicht als anrechenbare Heizungs- und
Warmwasseraufbereitungskosten gelten. Beim Energiebezug von einer
ausgelagerten Zentrale sieht Art. 6a VMWG eine von diesem Grundsatz
abweichende Regelung vor. Bezieht der Vermieter Heizenergie oder
Warmwasser aus einer nicht zur Liegenschaft gehörenden Zentrale, die
nicht Teil der Anlagekosten ist, kann er die tatsächlich anfallenden
Kosten in Rechnung stellen, die ihr vom Energielieferanten belastet
werden. Die Kosten umfassen in einem solchen Fall nicht nur den
Energiebezug, sondern auch die Aufwendungen für den Unterhalt,
Verzinsung und Amortisation der Anlage (Lachat/Stoll/Brunner, Das
Mietrecht für die Praxis, 4. Aufl., Zürich 1999, S. 224, RZ 5.9).
Art.
6a VMWG gilt seit 1. August 1996 und wurde eingeführt, um unter anderem
auch der Möglichkeit einer Drittfinanzierung einer
Energieversorgungsanlage Rechnung zu tragen. Beim so genannten
"Anlagen-Contracting" übernimmt der Contractor als Spezialist den Bau
und den Betrieb der Anlage. Der Endbenutzer vereinbart mit ihm einen
festen Preis für die Energie. Die Energieanlagen sind bei diesem Modell
in der Regel nicht im Eigentum des Vermieters. Unter Umständen kann die
Energieanlage sogar in fremdem Eigentum sein, aber doch im Wohngebäude
selbst erstellt und betrieben werden. Vor der Inkraftsetzung von Art. 6a
VMWG konnten die Aufwendungen für Verzinsung und Abschreibung solcher
Anlagen nicht angerechnet werden. Mit der neuen Bestimmung wurde dies
geändert (Cipriano Alvarez, Die am 1. August 1996 in Kraft getretene
Änderung der VMWG, in mp 3/96, S. 135).
b) Die Wärmeversorgung
der Wohnungen wird von der AEK Energie AG sichergestellt. Die Klägerin
hat mit dieser einen entsprechenden Wärmelieferungsvertrag
abgeschlossen. Sie bezieht die Energie von einer ausgelagerten Zentrale
im Sinne von Art. 6a VMWG. Für die Gesamtkosten zur Erstellung dieses
Nahwärmeverbundes, das heisst für Wärmezentrale, Nahwärmenetz,
Hausanschlüsse und Wärmeübergabestationen, muss sie der Wärmelieferantin
eine Jahrespauschale von Fr. 36'480.-, zuzüglich Mehrwertsteuer,
bezahlen.
Hausanschluss und Wärmeübergabestation, sämtliche dazu
gehörenden Steuer- und Regeleinheiten sowie das Nahwärmenetz stehen nach
den Bestimmungen des Wärmelieferungsvertrages im Eigentum der AEK
Energie AG. Die mit der Jahrespauschale abgedeckten Investitionen wurden
nicht von der Vermieterin getätigt. Es handelt sich nicht um einen Teil
ihrer Anlagekosten. Die Anlage befindet sich zwar zum Teil in ihren
Liegenschaften, ist aber dennoch im Eigentum der AEK Energie AG. Diese
verrechnet die Kosten der Erstellung des Nahwärmeverbundes, und zwar
nicht mit einer einmaligen Leistung, sondern mit einer monatlichen
Pauschale von Fr. 3'040.-, die während der ganzen Vertragsdauer bis Juni
2014 unveränderlich bleibt. Die Pauschale entspricht der Amortisation
der im Eigentum der AEK Energie AG stehenden Anlage. Solche Aufwendungen
kann die Vermieterin, wenn sie ihr von der Energielieferantin in
Rechnung gestellt werden, den Mietern weiter belasten. Gemäss Art. 6a
VMWG darf der Vermieter beim Energiebezug von einer ausgelagerten
Zentrale alle tatsächlich anfallenden Kosten den Mietern überwälzen.
Art. 6a VMWG unterscheidet nicht danach, ob die Energie gleich von
Beginn weg oder erst nach Ersatz einer herkömmlichen Heizanlage von
einer externen Zentrale bezogen wird. Entscheidend ist einzig, ob die
Energielieferung von einer eigenen oder einer ausgelagerten Zentrale aus
erfolgt. Falls die Energie von einer ausgelagerten Zentrale geliefert
wird, gelten Leistungen für die (fremden) Anlagekosten nach der
Bestimmung von Art. 6a VMWG als Nebenkosten, wenn sie dem Vermieter in
Rechnung gestellt werden. Wie die Mieter B. und H.W. selber einräumen,
sollten sie anderseits von kostengünstigerer Energie profitieren können.
Die eingeklagten Beträge – deren Höhe im Übrigen nicht bestritten ist –
dürfen aus diesen Gründen grundsätzlich den Mietern als Nebenkosten
weiter verrechnet werden.
4.a) Mietzinserhöhungen sowie andere
einseitige Vertragsänderungen und namentlich auch die Einführung neuer
Nebenkosten können nur auf den nächstmöglichen Kündigungstermin
erfolgen. Der Vermieter hat dies gemäss Art. 269d OR mindestens zehn
Tage vor Beginn der Kündigungsfrist auf einem vom Kanton genehmigten
Formular mitzuteilen und zu begründen. Unterlässt er eine solche
Mitteilung, ist die Änderung nichtig (Art. 269d Abs. 2 OR). Von Art.
269d OR erfasst werden ganz allgemein Änderungen, welche die
finanziellen Verpflichtungen des Mieters gegenüber dem Vermieter
insgesamt erhöhen. Konkret fallen darunter Erhöhungen von bisher schon
geschuldeten Nebenkostenentschädigungen, die Einführung von neuen
Nebenkostenentschädigungen, der Wechsel im System oder des Systems von
Nebenkostenentschädigungen sowie die Abschaffung von bisherigen
Nebenleistungen des Vermieters, die bislang durch den Mietzins
abgegolten wurden (Peter Higi, Zürcher Kommentar, Zürich 1998, NN 53 und
59 zu Art. 269d OR). Die Beklagten machen geltend, diese Bestimmung sei
im vorliegenden Fall anwendbar.
b) Nach der Auslagerung der
Heizungsanlage ist die Klägerin berechtigt, die entsprechenden
Anlagekosten gestützt auf Art. 6a VMWG den Mietern als Nebenkosten zu
überwälzen (vgl. Erw. 3b hievor). Solche Aufwendungen wurden – da es um
den Ersatz einer eigenen Anlage geht – bei der Festsetzung des
Mietzinses ebenfalls berücksichtigt und aufgerechnet. Die Heizungsanlage
gehört nämlich – wie alle anderen tatsächlichen Aufwendungen für die
Erstellung oder den Erwerb des Mietobjekts – zu den Anlagekosten. Diese
sind zusammen mit den Auslagen für den Unterhalt ein wichtiger Faktor
bei der Kalkulation des Mietzinses. Die Höhe der Anlage- und
Unterhaltskosten ist massgebend für die Beurteilung der Frage, ob ein
Mietzins im Sinne von 269 OR missbräuchlich ist (Art. 269 f. OR). Beim
Ersatz einer Heizungsanlage dürfen deshalb diejenigen Aufwendungen, die
nötig sind, um den bisherigen Wert zu erhalten, nicht weiterverrechnet
werden. Investitionen können nur insoweit zu einer Mietzinserhöhung
führen, als dadurch eine Wertvermehrung – zum Beispiel, wenn künftig
weniger Brennstoff benötigt wird – entsteht. Bei einer Auslagerung der
Energie-Anlage kann der Vermieter dagegen sämtliche ihm in Rechnung
gestellten Kosten, das heisst auch sämtliche Anlagekosten, als
Nebenkosten weiterverrechnen. Eine Beschränkung auf wertvermehrende
Investitionen besteht nicht. Da anderseits die eigenen Kosten für
Investitionen in Energie-Anlagen sinken, wird gefordert, dass die
Kostensenkung den Mietern weiter gegeben werden muss (Alvarez, a.a.O., S. 135).
Bei
der eingeklagten Jahrespauschale handelt es sich somit um neue
Nebenkosten, die bisher mit dem Mietzins abgegolten wurden. Unter dem
Strich müssen die Mieter mehr bezahlen als vorher. Wie die Abrechnungen
im vorliegenden Fall zeigen und die Klägerin selber einräumt, haben sich
die Nebenkosten infolge der Auslagerung der Heizung erhöht. Obwohl der
Mietzins nun nicht mehr für einen künftigen Ersatz der Heizung und die
entsprechenden Unterhaltskosten herhalten muss, blieb er unverändert.
Die Auslagerung der Heizungsanlage wirkt sich daher auf die finanziellen
Verpflichtungen der Mieter aus. Eine solche Änderung muss gemäss Art.
269d OR mit dem amtlichen Formular mitgeteilt und begründet werden
(SVIT-Kommentar-Mietrecht, 2. Aufl., Zürich 1998, N 28 zu Art. 257-257b
OR). Dass die Überwälzung der Anlagekosten gemäss Art. 6a VMWG
grundsätzlich möglich ist, ändert daran nichts. Die Mieter haben von
Gesetzes wegen ein Anrecht auf umfassende Information über die neue
Abrechnungsweise. Nur so verfügen sie über die nötigen Grundlagen, um zu
prüfen, ob der Mietzins immer noch angemessen ist. Um eine Herabsetzung
zu erreichen, müssten sie allerdings selber aktiv werden (Art. 270a
OR).
c) Die Klägerin teilte den Mietern nicht in der gesetzlich
vorgeschriebenen Form mit, dass sie in Anwendung von Art. 6a VMWG neu
auch die Kos-ten für die Erstellung der externen Heizungsanlage als
Nebenkosten verrechnen will. Die beabsichtigte Überwälzung der
Jahrespauschale ist deshalb nichtig. Die Klage muss abgewiesen werden.
Décision
36/10 - Energiebezug von einer ausgelagerten Zentrale