Gerichtspräsidium Muri
18.05.2009
Die Einführung einer Sicherheitsleistung im laufenden Mietverhältnis stellt eine einseitige Vertragsänderung im Sinne von Artikel 269d Absatz 3 OR dar und ist grundsätzlich zulässig. Die verlangte Sicherheitsleistung darf jedoch nicht übersetzt sein, d.h sie muss in einem vernünftigen Verhältnis zu den Risiken stehen und für den Mietenden zumutbar sein.
3.2.2 Vorliegend stellt sich zunächst die Rechtsfrage, ob die
Einführung einer Sicherheitsleistung während der Vertragsdauer als
einseitige Vertragsänderung im Sinne von Art. 269d Abs. 3 zu
qualifizieren ist. Der Anwendungsbereich der Art. 269 ff. OR beschränkt
sich auf die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen. Vorliegend handelt es
sich um ein Mietverhältnis über einen Geschäftsraum, was von keiner
Partei bestritten wird. Demzufolge sind die Art. 269 ff. OR
grundsätzlich anwendbar (Weber, in: Basler Kommentar Obligationenrecht
I, Art. 1-529 OR, 4. Auflage, Basel 2007, N3 zu Art. 269). Da sich weder
dem Gesetz noch der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und
Geschäftsräumen (VMWG) eine Definition der „einseitigen
Vertragsänderungen“ im Sinne von Art. 269d Abs. 3 OR entnehmen lässt,
ist diese durch Auslegung zu ermitteln.
Die Bezeichnung als
einseitige Vertragsänderung ist wirtschaftlich zu verstehen, was
bedeutet, dass die Vertragsänderung ohne Gegenleistung der Vermieters zu
erfolgen hat (Weber, a.a.O., N 10 zu Art. 269d; Zihlmann, Das
Mietrecht, 2. Auflage, Zürich 1995, S. 141 f.). Der Lehrmeinung, gemäss
welcher diejenigen Möglichkeiten einseitiger Vertragsanpassungen durch
den Vermieter, welche nicht hauptsächlich den Mietzins oder die
Nebenkosten betreffen, nicht von Art. 269d Abs. 3 OR erfasst werden
(Higi, in: Züricher Kommentar Obligationenrecht, Teilband V 2b, Die
Miete, Art. 269-270e OR, 4. Auflage, Zürich 1998 [zit: Higi-ZK 1998], N
49 ff. zu Art. 269d), widersprach das Bundesgericht in BGE 125 III 231.
Der Anwendungsbereich von Art. 269d und 270b Abs. 2 OR sei weit zu
fassen. Grundsätzlich würden davon sämtliche Änderungen des
Mietvertrages erfasst, durch welche das bisherige Austauschverhältnis
der Leistungen von Vermieter und Mieter verändert werden könne (BGE 125
III 231 E. 3b). Diese Auslegung überzeugt in Anbetracht des Zwecks der
Bestimmungen über die einseitigen Vertragsänderungen. Denn diese sollen
den Vermieter von der verpönten Änderungskündigung abhalten, indem sie
ihm anstelle einer Kündigung die Möglichkeit bieten, den Vertrag
einseitig zu Lasten des Mieters zu ändern. Gleichzeitig werden die
Rechte des Mieters dadurch nicht beschnitten, da dieser die
vorgeschlagene einseitige Vertragsänderung von einem Richter überprüfen
lassen kann, wenn er diese nicht akzeptieren will (Lachat/ Wyttenbach,
Mietrecht für die Praxis, 8. Auflage, Zürich 2009, S. 458).
Vorliegend
fordern die Vermieter von der Beklagten die Leistung einer Sicherheit
ohne ihrerseits eine Gegenleistung zu erbringen. Da das bisherige
Austauschverhältnis der gegenseitigen Leistungen dadurch offensichtlich
verändert wird, sind Art. 269d Abs. 3 OR sowie Art. 270b Abs. 2 OR
vorliegend anwendbar. Dies bedeutet, dass die einseitige Einführung
einer Sicherheitsleistung den Regeln über die Mietzinserhöhungen
unterstellt ist.
3.4.1 Da die einseitige Einführung einer Sicherheitsleistung wie aufgezeigt den Regeln über die Mietzinserhöhungen unterstellt ist (vgl. Erw. 3.2.2), ist sie gemäss Art. 270b OR anfechtbar. Mit fristgerechter Eingabe bei der Schlichtungsbehörde für das Mietwesen vom 8. April 2008 liess die Beklagte diese einseitige Vertragsänderung anfechten. Da in der Verhandlung vor der Schlichtungsbehörde keine Einigung erzielt werden konnte, ist vorliegend gemäss Art. 270b OR zu prüfen, ob sich die Einführung der Sicherheitsleistung als missbräuchlich erweist. Das Gesetz sagt nicht direkt, wann einseitige Vertragsänderungen materiell zulässig sind (Weber, a.a.O., N 11 zu Art. 269d; Zihlmann, a.a.O., S. 142). Grundsätzlich ist aufgrund des Verweises in Art. 270b OR zumindest analog anhand der Kriterien in Art. 269 und 269a OR über die Missbräuchlichkeit zu entscheiden (Lachat/ Wyttenbach, a.a.O., S. 461). Dabei ist der Grundformel von Art. 269 OR nach der Gesetzessystematik der Vorzug zu gewähren, weil der Kriterienkatalog gemäss Art. 269a OR nur Vermutungen begründet (Weber, a.a.O., N 15 zu Art. 269). Demzufolge darf die einseitige Vertragsänderung nicht zu einem übersetzten Ertrag aus der Mietsache führen (Art. 269 OR). Eine Sicherheitsleistung des Mieters generiert zwar keinen Ertrag, sondern stellt lediglich eine Geldleistung dar, die zu Sicherungszwecken vom Vermieter auf den Namen des Mieters hinterlegt wird (Art. 257e OR). Sinngemäss darf sich jedoch die geforderte Sicherheitsleistung nicht als übersetzt erweisen (analog Art. 269 OR). Dies bedeutet, dass sie in einem vernünftigen Verhältnis zu den Risiken stehen muss, für welche sie den Vermieter abzusichern hat (vlg. Lachat/ Wyttenbach, a.a.O., S. 263). Zudem ist zu prüfen, ob die einseitige Vertragsänderung dem Mieter vernünftigerweise zugemutet werden kann. Diesbezüglich müssen die Nachteile, welche die verlangte Änderung für den Mieter nach sich zieht, und die Gründe, die seitens des Vermieters geltend gemacht werden, gegeneinander abgewogen werden (Lachat/ Wyttenbach, a.a.O., S. 461). Insbesondere muss sich die Änderung auf sachliche Gründe stützten (Weber, a.a.O., N 11 zu Art. 269d).
3.4.3 …
Für die Beklagte stellt diese nachträgliche Einführung
einer Sicherheitsleistung eine zusätzliche finanzielle Belastung dar.
Aufgrund ihrer bescheidenen finanziellen Verhältnisse hätte eine
Sicherheitsleistung in der geforderten Höhe einschneidende Folgen für
die Beklagte. Da im ursprünglichen Mietvertrag vom 8./9. September 2005
keine Sicherheitsleistung vereinbart war, durfte die Beklagte zumindest
darauf vertrauen, dass eine allenfalls während des laufenden
Mietverhältnisses neu einzuführende Sicherheitsleistung nicht in einem
solchen Umfang, wie sie von den Klägern gefordert wird, von ihr verlangt
würde. Die Einwendung der Beklagten, das klägerische Begehren ziele
ausschließlich darauf ab, sie aus dem Mietverhältnis zu entfernen, ist
nicht gänzlich unbegründet. Die Kläger sagten selber aus, dass sie eine
innovativere Mieterin bezüglich Öffnungszeiten sowie Marketing und
Werbung wünschten. Zudem sprachen sie bereits am 10. August 2007 eine
Kündigung des Mietverhältnisses per 31. März 2008 aus, welche sie durch
Vergleich vor der Mietschlichtungsbehörde vom 13. Dezember 2007 wieder
zurückzogen. Dass das Vorgehen der Kläger als Antwort darauf erfolgte,
dass die Beklagte ihren Anspruch auf Unterhalt der Sache in einem zum
vereinbarten Gebrauch tauglichen Zustand geltend machte, vermag die
Beklagte nicht zu beweisen. Es wäre jedenfalls missbräuchlich, die
Einführung einer Sicherheitsleistung mit dem Ziel zu verlangen, die
Kündigung des Mietverhältnisses herbeizuführen. Die von den Klägern
vorgebrachten sachlichen Gründe der Sicherung des Mietzinses sowie der
Deckung allfälliger Beschädigungen des Mietobjektes vermögen zwar
grundsätzlich die Einführung einer Sicherheitsleistung zu rechtfertigen.
Aufgrund der von den Klägern zu tragenden Risiken, die sich wie erwähnt
in einem üblichen Rahmen halten, sowie der Zumutbarkeitsprüfung
erscheint jedoch eine Sicherheitsleistung in der geforderten Höhe von
Fr. 17´280.- als missbräuchlich. Unter Berücksichtigung der obigen
Erwägungen erscheint die Einführung einer Sicherheitsleistung im Umfang
von 2 Monatsmieten, d.h. Fr. 5´760.-, angemessen, da sie einerseits den
berechtigten Sicherungsinteressen der Kläger Rechnung trägt und
andererseits auch der Beklagten zumutbar ist.
3.5 Zusammenfassend ist demzufolge festzuhalten, dass die Einführung einer Sicherheitsleistung gemäss Art. 257e OR im laufenden Mietverhältnis zulässig ist. Sie stellt eine einseitige Vertragsänderung des Vermieters im Sinne von Art. 269d Abs. 3 OR dar, weshalb das Verfahren gemäss Art. 269d OR einzuhalten ist. Vorliegend wurde die einseitige Vertragsänderung form- und fristgerecht vorgenommen. Die Missbräuchlichkeitsprüfung gemäss Art. 270b OR hat ergeben, dass die Einführung einer Sicherheitsleistung im Umfang von Fr. 5´760.- vorliegend angemessen erscheint und die Beklagte zur Leistung dieser Sicherheit zu verpflichten ist. Demgegenüber ist das Begehren um Sicherheitsleistung über diesen Betrag hinaus zufolge Missbräuchlichkeit abzuweisen.