Einseitige Vertragsänderung

Base légale

Nom du tribunal

Gerichtspräsidium Muri

Date

18.05.2009

Résumé

Die Einführung einer Sicherheitsleistung im laufenden Mietverhältnis stellt eine einseitige Vertragsänderung im Sinne von Artikel 269d Absatz 3 OR dar und ist grundsätzlich zulässig. Die verlangte Sicherheitsleistung darf jedoch nicht übersetzt sein, d.h sie muss in einem vernünftigen Verhältnis zu den Risiken stehen und für den Mietenden zumutbar sein.

Exposé des faits

Die Beklagte schloss am 8./9. September 2005 mit dem Rechtsvorgänger der Kläger einen unbefristeten Mietvertrag über das Mietobjekt Café X. ab. Eine Sicherheitsleistung wurde nicht vereinbart. Mit amtlichem Formular vom 12. März 2008 teilten die Kläger eine per 1. Oktober 2008 in Kraft tretende Änderung mit, und zwar die Einführung einer Sicherheitsleistung von Fr. 17´280.- Als Begründung führten sie an “Sicherung des Mietzinses; Allfällige Beschädigungen des Mietobjektes; Höhe 6 Monatsmieten gemäss Kündigungsfrist“.
Die Vermittlungsverhandlung vor der Schlichtungsbehörde führte zu keiner Einigung. Die Kläger haben fristgemäss beim Gericht Klage erhoben. Sie beantragen, die Beklagte sei zu verpflichten, den Klägern eine Sicherheit gemäss Art. 257e OR in Höhe von Fr. 17´280.- zu leisten.
Zur Begründung ihrer Anträge liessen die Kläger im Wesentlichen ausführen, die Beklagte habe die vereinbarten Wartungsverträge gemäss Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vertragswidrig nicht abgeschlossen. Angesichts des Verhaltens der Beklagten hätten sie befürchten müssen, dass sie sich in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten befinde.

Considérations

3.2.2 Vorliegend stellt sich zunächst die Rechtsfrage, ob die Einführung einer Sicherheitsleistung während der Vertragsdauer als einseitige Vertragsänderung im Sinne von Art. 269d Abs. 3 zu qualifizieren ist. Der Anwendungsbereich der Art. 269 ff. OR beschränkt sich auf die Miete von Wohn- und Geschäftsräumen. Vorliegend handelt es sich um ein Mietverhältnis über einen Geschäftsraum, was von keiner Partei bestritten wird. Demzufolge sind die Art. 269 ff. OR grundsätzlich anwendbar (Weber, in: Basler Kommentar Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR, 4. Auflage, Basel 2007, N3 zu Art. 269). Da sich weder dem Gesetz noch der Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen (VMWG) eine Definition der „einseitigen Vertragsänderungen“ im Sinne von Art. 269d Abs. 3 OR entnehmen lässt, ist diese durch Auslegung zu ermitteln.
Die Bezeichnung als einseitige Vertragsänderung ist wirtschaftlich zu verstehen, was bedeutet, dass die Vertragsänderung ohne Gegenleistung der Vermieters zu erfolgen hat (Weber, a.a.O., N 10 zu Art. 269d; Zihlmann, Das Mietrecht, 2. Auflage, Zürich 1995, S. 141 f.). Der Lehrmeinung, gemäss welcher diejenigen Möglichkeiten einseitiger Vertragsanpassungen durch den Vermieter, welche nicht hauptsächlich den Mietzins oder die Nebenkosten betreffen, nicht von Art. 269d Abs. 3 OR erfasst werden (Higi, in: Züricher Kommentar Obligationenrecht, Teilband V 2b, Die Miete, Art. 269-270e OR, 4. Auflage, Zürich 1998 [zit: Higi-ZK 1998], N 49 ff. zu Art. 269d), widersprach das Bundesgericht in BGE 125 III 231. Der Anwendungsbereich von Art. 269d und 270b Abs. 2 OR sei weit zu fassen. Grundsätzlich würden davon sämtliche Änderungen des Mietvertrages erfasst, durch welche das bisherige Austauschverhältnis der Leistungen von Vermieter und Mieter verändert werden könne (BGE 125 III 231 E. 3b). Diese Auslegung überzeugt in Anbetracht des Zwecks der Bestimmungen über die einseitigen Vertragsänderungen. Denn diese sollen den Vermieter von der verpönten Änderungskündigung abhalten, indem sie ihm anstelle einer Kündigung die Möglichkeit bieten, den Vertrag einseitig zu Lasten des Mieters zu ändern. Gleichzeitig werden die Rechte des Mieters dadurch nicht beschnitten, da dieser die vorgeschlagene einseitige Vertragsänderung von einem Richter überprüfen lassen kann, wenn er diese nicht akzeptieren will (Lachat/ Wyttenbach, Mietrecht für die Praxis, 8. Auflage, Zürich 2009, S. 458).
Vorliegend fordern die Vermieter von der Beklagten die Leistung einer Sicherheit ohne ihrerseits eine Gegenleistung zu erbringen. Da das bisherige Austauschverhältnis der gegenseitigen Leistungen dadurch offensichtlich verändert wird, sind Art. 269d Abs. 3 OR sowie Art. 270b Abs. 2 OR vorliegend anwendbar. Dies bedeutet, dass die einseitige Einführung einer Sicherheitsleistung den Regeln über die Mietzinserhöhungen unterstellt ist.

3.4.1 Da die einseitige Einführung einer Sicherheitsleistung wie aufgezeigt den Regeln über die Mietzinserhöhungen unterstellt ist (vgl. Erw. 3.2.2), ist sie gemäss Art. 270b OR anfechtbar. Mit fristgerechter Eingabe bei der Schlichtungsbehörde für das Mietwesen vom 8. April 2008 liess die Beklagte diese einseitige Vertragsänderung anfechten. Da in der Verhandlung vor der Schlichtungsbehörde keine Einigung erzielt werden konnte, ist vorliegend gemäss Art. 270b OR zu prüfen, ob sich die Einführung der Sicherheitsleistung als missbräuchlich erweist. Das Gesetz sagt nicht direkt, wann einseitige Vertragsänderungen materiell zulässig sind (Weber, a.a.O., N 11 zu Art. 269d; Zihlmann, a.a.O., S. 142). Grundsätzlich ist aufgrund des Verweises in Art. 270b OR zumindest analog anhand der Kriterien in Art. 269 und 269a OR über die Missbräuchlichkeit zu entscheiden (Lachat/ Wyttenbach, a.a.O., S. 461). Dabei ist der Grundformel von Art. 269 OR nach der Gesetzessystematik der Vorzug zu gewähren, weil der Kriterienkatalog gemäss Art. 269a OR nur Vermutungen begründet (Weber, a.a.O., N 15 zu Art. 269). Demzufolge darf die einseitige Vertragsänderung nicht zu einem übersetzten Ertrag aus der Mietsache führen (Art. 269 OR). Eine Sicherheitsleistung des Mieters generiert zwar keinen Ertrag, sondern stellt lediglich eine Geldleistung dar, die zu Sicherungszwecken vom Vermieter auf den Namen des Mieters hinterlegt wird (Art. 257e OR). Sinngemäss darf sich jedoch die geforderte Sicherheitsleistung nicht als übersetzt erweisen (analog Art. 269 OR). Dies bedeutet, dass sie in einem vernünftigen Verhältnis zu den Risiken stehen muss, für welche sie den Vermieter abzusichern hat (vlg. Lachat/ Wyttenbach, a.a.O., S. 263). Zudem ist zu prüfen, ob die einseitige Vertragsänderung dem Mieter vernünftigerweise zugemutet werden kann. Diesbezüglich müssen die Nachteile, welche die verlangte Änderung für den Mieter nach sich zieht, und die Gründe, die seitens des Vermieters geltend gemacht werden, gegeneinander abgewogen werden (Lachat/ Wyttenbach, a.a.O., S. 461). Insbesondere muss sich die Änderung auf sachliche Gründe stützten (Weber, a.a.O., N 11 zu Art. 269d).

3.4.3 …
Für die Beklagte stellt diese nachträgliche Einführung einer Sicherheitsleistung eine zusätzliche finanzielle Belastung dar. Aufgrund ihrer bescheidenen finanziellen Verhältnisse hätte eine Sicherheitsleistung in der geforderten Höhe einschneidende Folgen für die Beklagte. Da im ursprünglichen Mietvertrag vom 8./9. September 2005 keine Sicherheitsleistung vereinbart war, durfte die Beklagte zumindest darauf vertrauen, dass eine allenfalls während des laufenden Mietverhältnisses neu einzuführende Sicherheitsleistung nicht in einem solchen Umfang, wie sie von den Klägern gefordert wird, von ihr verlangt würde. Die Einwendung der Beklagten, das klägerische Begehren ziele ausschließlich darauf ab, sie aus dem Mietverhältnis zu entfernen, ist nicht gänzlich unbegründet. Die Kläger sagten selber aus, dass sie eine innovativere Mieterin bezüglich Öffnungszeiten sowie Marketing und Werbung wünschten. Zudem sprachen sie bereits am 10. August 2007 eine Kündigung des Mietverhältnisses per 31. März 2008 aus, welche sie durch Vergleich vor der Mietschlichtungsbehörde vom 13. Dezember 2007 wieder zurückzogen. Dass das Vorgehen der Kläger als Antwort darauf erfolgte, dass die Beklagte ihren Anspruch auf Unterhalt der Sache in einem zum vereinbarten Gebrauch tauglichen Zustand geltend machte, vermag die Beklagte nicht zu beweisen. Es wäre jedenfalls missbräuchlich, die Einführung einer Sicherheitsleistung mit dem Ziel zu verlangen, die Kündigung des Mietverhältnisses herbeizuführen. Die von den Klägern vorgebrachten sachlichen Gründe der Sicherung des Mietzinses sowie der Deckung allfälliger Beschädigungen des Mietobjektes vermögen zwar grundsätzlich die Einführung einer Sicherheitsleistung zu rechtfertigen. Aufgrund der von den Klägern zu tragenden Risiken, die sich wie erwähnt in einem üblichen Rahmen halten, sowie der Zumutbarkeitsprüfung erscheint jedoch eine Sicherheitsleistung in der geforderten Höhe von Fr. 17´280.- als missbräuchlich. Unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen erscheint die Einführung einer Sicherheitsleistung im Umfang von 2 Monatsmieten, d.h. Fr. 5´760.-, angemessen, da sie einerseits den berechtigten Sicherungsinteressen der Kläger Rechnung trägt und andererseits auch der Beklagten zumutbar ist.

3.5 Zusammenfassend ist demzufolge festzuhalten, dass die Einführung einer Sicherheitsleistung gemäss Art. 257e OR im laufenden Mietverhältnis zulässig ist. Sie stellt eine einseitige Vertragsänderung des Vermieters im Sinne von Art. 269d Abs. 3 OR dar, weshalb das Verfahren gemäss Art. 269d OR einzuhalten ist. Vorliegend wurde die einseitige Vertragsänderung form- und fristgerecht vorgenommen. Die Missbräuchlichkeitsprüfung gemäss Art. 270b OR hat ergeben, dass die Einführung einer Sicherheitsleistung im Umfang von Fr. 5´760.- vorliegend angemessen erscheint und die Beklagte zur Leistung dieser Sicherheit zu verpflichten ist. Demgegenüber ist das Begehren um Sicherheitsleistung über diesen Betrag hinaus zufolge Missbräuchlichkeit abzuweisen.

Décision

46/7 - Einseitige Vertragsänderung

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