Amtsgericht Entlebuch
17.09.2004
Kann das ursprünglich investierte Eigenkapital nicht mit genügender Sicherheit ermittelt werden, scheitert der Beweis des ungenügenden Nettoertrages von vornherein. Es genügt nicht, mittels Einreichung einer Bilanz das investierte Eigenkapital „plausibel“ zu machen.
6 Angemessener Nettoertrag: Unter Ertrag versteht man das in Prozenten ausgedrückte Verhältnis zwischen der Investition und den Einkünften, die aus ihr erzielt werden. Bei einer Liegenschaft unterscheidet man zwischen dem Bruttoertrag (Verhältnis zwischen Anlagekosten und Mieteinkünften) und dem Nettoertrag (Verhältnis zwischen Eigenkapital und Einkünften nach Abzug sämtlicher Auslagen). Unter Ertrag im Sinne von Art. 269 OR wird der Nettoertrag aus dem Eigenkapital verstanden. Der Nettoerlös oder die Nettorendite ist also die Eigenkapitalverzinsung. Dabei entsprechen die vom Eigentümer investierten Eigenmittel (Eigenkapital) den Anlagekosten der Mietsache abzüglich der von Dritten dem Eigentümer geliehenen Mittel (Fremdkapital) (Lachat/Stoll, Das neue Mietrecht für die Praxis, 1. Auflage, Zürich 1991, S. 192 f., Ziffern 2.2 und 2.3). Damit der Nettoertrag errechnet werden kann, müssen die Anlagekosten ermittelt werden. Das investierte Eigenkapital muss bekannt sein.
6.1 Die Höhe des ursprünglich investierten Eigenkapitals ist im vorliegenden Fall umstritten. Wo das Gesetz es nicht anders bestimmt, hat derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet (Art. 8 ZGB). Die Beklagte leitet aus dem behaupteten ungenügenden Nettoertrag das Recht ab, eine Senkung der Hypothekarzinse nicht an die Kläger weitergeben zu müssen. Es liegt somit an ihr, die Grundlagen zu beweisen, die es dem Gericht ermöglichen, den angemessenen Nettoertrag zu errechnen. Zu diesen Grundlagen gehört das ursprünglich investierte Eigenkapital. Kann dieses nicht mit genügender Sicherheit ermittelt werden, muss der Beweis des ungenügenden Nettoertrages zum vornherein scheitern.
6.2 Die Beklagte macht geltend, das für den Bau des Hauses im Jahre
1972 investierte Eigenkapital habe dem damaligen Genossenschaftskapital
von Fr. 155'500.00 entsprochen. Im übrigen sei das Gebäude fremd
finanziert worden. Als Beweismittel nennt die Beklagte einzig ihre
Bilanz per 31. Dezember 1973.
Dass das gesamte Anteilsscheinkapital
Anlagekosten der Liegenschaft darstellt, kann die Beklagte mit der
aufgelegten Bilanz nicht beweisen. Einerseits handelt es sich bei einer
Bilanz um eine Momentaufnahme, andererseits kann der Bilanz nicht
entnommen werden, dass das gesamte Anteilsscheinkapital tatsächlich und
vollständig für den Erwerb der Liegenschaft und/oder den Bau der
Mietwohnungen eingesetzt wurde. Die Bilanz gibt keine Auskunft darüber,
welche Summen die Beklagte für den Landkauf und für die Erstellung des
Gebäudes ausgegeben hat. Dies wäre aber für die Ermittlung der
Anlagekosten erforderlich (vgl. auch Higi, Zürcher Kommentar, Art. 269
OR, N. 180). Dazu kommt, dass der Bau des Wohnhauses nach
Sachdarstellung der Beklagten im Jahre 1972 erfolgte, die aufgelegte
Bilanz aber den Status vom 31. Dezember 1973 wiedergibt und erst noch
fast ein weiteres Jahr später erstellt wurde, nämlich am 16. Dezember
1974.
6.3 Die Beklagte räumt selber ein, dass die rund 20– bis 30–jährigen
Belege, welche zur Ermittlung des ursprünglich investierten
Eigenkapitals nötig wären, nur noch beschränkt vorhanden seien. Sie ist
offensichtlich nicht in der Lage, die fehlenden Belege beizubringen und
auch das Gericht sieht sich – auch im Rahmen des
Untersuchungsgrundsatzes – ausser Stande, die erforderlichen Beweise zu
beschaffen. Allerdings ist die Beklagte der Meinung, die aufgelegten
Belege würden die ausschlaggebenden Zahlen und Geschäftsvorgänge soweit
beinhalten, dass die effektiven Geschäftsvorgänge nachvollzogen werden
könnten. Da die für den Beweis notwendigen Belege bereits seit einiger
Zeit nicht mehr unter die Aufbewahrungspflicht fallen würden und deshalb
bei der Beklagten nicht mehr vorhanden seien, sei an das Beweismass
keine hohe Anforderung zu stellen. Die dargebrachten Beweise würden die
Kostenstruktur und die Zusammensetzung der strittigen Mietzinse als
plausibel erscheinen lassen.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt
werden. Die Beklagte hat das investierte Eigenkapital nicht nur
plausibel zu machen, sondern zu beweisen. Als bewiesen kann eine
Tatsache dann gelten, wenn das Beweisverfahren nach den Erfahrungen des
Lebens, wozu auch psychologische Erkenntnisse gehören, die richterliche
Überzeugung begründet, die mehr verlangt als den Eindruck blosser
Wahrscheinlichkeit, vielmehr jeden erheblichen Zweifel ausschliesst
(Studer/Rüegg/Eiholzer, Der Luzerner Zivilprozess, N 1 zu § 143 ZPO).
Zwar wird die Last des Beweisens und des Behauptens durch Art. 274d Abs.
3 OR leicht gemildert, indem das Gesetz vorschreibt, dass der Richter
den Sachverhalt von Amtes wegen festzustellen und die Beweise nach
freiem Ermessen zu würdigen hat (Art. 274d OR; Higi, Zürcher Kommentar,
Art. 269 OR, N. 265). Die freie Beweiswürdigung hat im Wesentlichen
jedoch nur zum Inhalt, dass das Verfahrensrecht keinen Ausschluss von
Beweismitteln vorsehen darf, und die Rechtsanwendungsinstanz die Beweise
nicht nach Regeln, insbesondere über den Beweiswert von einzelnen
Beweismitteln gegenüber anderen, zu würdigen hat. Hingegen ändert die
Beweiswürdigung nach freiem Ermessen, wie sie in Art. 274d Abs. 3 OR
vorgeschrieben ist, nichts daran, dass der strikte Beweis für die
Tatsache erbracht werden muss.
6.4. Zusammenfassend ergibt sich, dass das von der Beklagten investierte Eigenkapital nicht bekannt ist und auch nicht mehr mit genügender Sicherheit festgestellt werden kann. Ist dies aber der Fall, scheitert die Berechnung nach Art. 269 OR, erster Halbsatz (absolute Methode), schon im Ansatz, weil ein grundlegendes Berechnungselement fehlt (vgl. dazu auch Higi, Zürcher Kommentar, Art. 269 OR, N. 272). Diese Beweislosigkeit geht zu Lasten der Beklagten (Art. 8 ZGB).