Kantonsgericht St. Gallen
18.08.2014
Aufgrund der Taubenfütterung und des Zahlungsrückstands wurde der Mieterin nach wiederholter Abmahnung gekündigt. Der Einwand der Mieterin, die Kündigung sei erfolgt, weil sie Forderungen aus dem Mietverhältnis geltend gemacht habe, wurde nicht geteilt.
Am 12. November 2008 haben die Parteien einen Mietvertrag mit Mietbeginn per
1. Januar 2009 abgeschlossen. Das Mietverhältnis wurde per Ende Juli 2013 von
der Vermieterin aufgelöst. Die Mieterin hat die Kündigung am 17. Mai 2013
angefochten. Weil die Mieterin den Urteilsvorschlag der Schlichtungsbehörde
abgelehnt hat, erhob sie am 11. September 2013 fristgerecht Klage beim
Einzelrichter des Kreisgerichts St. Gallen. Dieser hat die Kündigung als gültig
betrachtet. Dagegen erhob die Mieterin am 28. Februar 2014 Berufung beim
Kantonsgericht St. Gallen.
Die Mieterin behauptet, die Kündigung sei erfolgt,
weil sie auf verschiedene Mängel an der Mietsache hingewiesen habe (Flecken auf
den Spannteppichen beim Einzug, Feuchtigkeitsschäden an der Wand zwischen Dusche
und Gang, Entstopfung der Dusche). Zudem habe sie die Änderung des Zahlungsmodus
mit einem Vertreter der Vermieterin besprochen.
Die Vermieterin bestreitet,
dass die Kündigung erfolgt sei wegen der Reklamationen der Mieterin oder wegen
der Übernahme zweier Rechnungen der Handwerker zur Behebung der Mängel. Ursache
der Kündigung seien vielmehr die vielen Abmahnungen wegen teurer
Schutzmassnahmen gegen Taubenkot, verursacht durch die Taubenfütterung der
Mieterin und wegen Zahlungsverzugs gewesen.
Die Kündigung ist form- und
fristgerecht erfolgt.
3. Nach Art. 271 Abs. 2 OR muss die Kündigung auf Verlangen begründet werden.
Es handelt sich dabei allerdings nicht um eine Rechtspflicht, sondern in dem
Sinn um eine Obliegenheit, dass dann, wenn die Kündigung nicht begründet wird
oder sich der Grund als vorgeschoben erweist, ein Verstoss gegen den Grundsatz
von Treu und Glauben vorliegt (BSK OR I-Weber, Art. 271/271a N 32; ZK-Higi, N 61
zu Art. 271 OR; LACHAT/ THANEI, a.a.O., N 29/3.1).
Im vorliegenden Fall
begründete die Vermieterin ihre Kündigung in der Stellungnahme vom 26. Juni 2013
zuhanden der Schlichtungsstelle mit “Taubenkot“, “Balkonbepflanzung“, “Kehricht“
und “Ausstehende Mietzinszahlung“: Trotz wiederholter mündlicher und
schriftlicher Abmahnung mit Kündigungsandrohung habe die Mieterin weiterhin
Tauben gefüttert, wodurch sich vor dem Mietobjekt und insbesondere vor dem
darunterliegenden Geschäftslokal eine besondere Häufung von Taubenkot ergeben
habe. Am 11. Oktober 2011 habe die Mieterin sodann ermahnt werden müssen, ihre
Blumenkisten auf der Innenseite des Balkons zu montieren, weil es durch die
Balkonbepflanzung auf der Aussenseite zu Verunreinigungen der Balkone und
Sitzplätze der darunterliegenden Mieter gekommen sei. Leider habe die
Hausverwaltung ferner feststellen müssen, dass die Mieterin für ihren Kehricht
nicht die gebührenpflichtigen Abfallsäcke verwendet, im Container fremde
Abfallsäcke aufgerissen und den Müll offen im Container verteilt habe.
Schliesslich sei die Mieterin seit Mai 2012 mit der Bezahlung eines Mietzinses
in Verzug. Von dieser Begründung, deren Stichhaltigkeit die Mieterin mit dem
Argument bestreitet, der wahre Grund für die Kündigung sei gewesen, dass sie
Ansprüche aus dem Vertrag geltend gemacht und insbesondere die Behebung von
Mängeln verlangt bzw. veranlasst habe, ist auszugehen und es ist im Folgenden zu
prüfen, ob die von der Vermieterin geltend gemachten Motive die Kündigung
sachlich zu begründen vermögen (nachfolgend E. 4) bzw. wie es sich mit den von
der Mieterin unterstellten Kündigungsgründen (nachfolgend E. 5) verhält.
4. a) Zur Taubenfütterung führt die Vermieterin aus, die Mieterin habe die
Tauben das ganze Jahr über und häufig mit Essensresten direkt aus dem
Küchenfenster der Wohnung im 3. Stock der Liegenschaft gefüttert, was zu einer
massiven Verkotung hauptsächlich auf den Vordächern und dem Hauseingang geführt
habe. Die Mieterin bestreitet die Fütterung der Tauben ebenso wenig wie die
entsprechenden Abmahnungen in den Schreiben der Vermieterin vom 3. Januar 2011,
22. Juli 2011 und 11. Oktober 2011. Sie macht aber geltend, sie habe bei H.
jeweils spezielles Vogelfutter gekauft, das sie in den Wintermonaten an jener
Stelle, an welcher in den schneefreien Jahreszeiten eine Grünfläche das Trottoir
vor dem Haus von der Fahrbahn der R.-Strasse trenne, an die hier überwinternden
Vögel verfüttert. Sie habe aber nie etwas aus dem Fenster oder vom Balkon
geworfen.
aa) Mit Schreiben vom 3. Januar 2011 teilte die Vermieterin
der Mieterin mit, im Jahr 2010 habe sie die Wohnung besichtigt und die Mieterin
betreffend die Fütterung der Tiere und die Verunreinigung durch Vogelkot
abgemahnt. Es sei nun der Vermieterin gemeldet worden, dass die Mieterin immer
wieder Essensreste aus dem Fenster werfe, um die Tiere zu füttern.
Offensichtlich füttere sie die Tiere immer noch. Der Eingangsbereich sei voller
Vogelkot und müsse immer wieder gereinigt werden. Am 27. Mai 2011 liess die
Vermieterin Taubenschutz-Stacheln auf den Vordächern der Liegenschaft R.-Strasse
x, y und z montieren, wobei Kosten von Fr. 1101.40 resultierten. Am 5. Juli 2011
sodann liess sie den Taubenkot auf dem Trottoir vor der Liegenschaft R.-Strasse
x, y und z mit Hochdruck reinigen und am 7. Juli 2011 holte sie eine Offerte
betreffend das Montieren von Taubenschutz auf den Vordächern der Liegenschaft
R.-Strasse x, y und z über Fr. 4700.15 ein. In einer zweiten schriftlichen
Abmahnung vom 22. Juli 2011 orientierte die Vermieterin die Mieterin über die
getroffenen Massnahmen, mahnte sie ein weiteres Mal betreffend Taubenfütterung
ab und kündigte ihr an, dass sie ihr die Kosten für die Reinigungsarbeiten mit
Hochdruckgeräten weiter verrechnen und das Mietverhältnis kündigen werde, wenn
sie weiterhin die Tiere füttere. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2011 an die
Mieterin hielt die Vermieterin schliesslich fest, sie habe die Mieterin mit
diversen Schreiben und Telefongesprächen darauf aufmerksam gemacht, dass sie die
Tauben nicht mehr füttern dürfe. Trotz mehrfacher Zusicherungen der Mieterin,
dass sie die Tiere nicht mehr füttern werde, gebe es immer noch Reklamationen
der Mitmieter. Sie, die Vermieterin, hoffe, “endlich keine Reklamationen (…)
mehr zu erhalten“. Gemäss Angaben der Vermieterin liess sie im Frühjahr 2013,
d.h. rund anderthalb Jahre später, die drei Vordächer umfassend mit
Taubenschutzstacheln ausrüsten, was Kosten von 17 000 Franken verursachte.
An der vorinstanzlichen Verhandlung vom 28. November 2013 erklärte die
Mieterin, dass sie “von Oktober bis manchmal April“, d.h. nur im Winter, die
Vögel mit Vogelfutter, nicht aber mit Brot und Essensresten, vor dem Haus
zwischen Trottoir und Wiese füttere. Die Vermieterin führte (demgegenüber) aus,
es habe wegen des Taubenkots immer wieder telefonische Reklamationen der anderen
Mieter und seitens der Hausreinigungsfirma, dann aber auch – wegen der Kunden –
seitens der D-Factory und der O-AG gegeben. Sie (Vermieterin) hätten der
Mieterin deswegen telefoniert, und zwar – auf die Frage des Einzelrichters,
weshalb der Mieterin telefoniert worden sei –, weil die Mieter ihr (Vermieterin)
gesagt hätten, “dass es aus dem 3. Stock komme“. Die Mieterin habe ihr
bestätigt, dass sie es so mache, weil sie Erbarmen mit den Vögeln habe.
bb) Die Mieterin räumt selber ein, dass sie die Vögel, insbesondere
Tauben, von Oktober bis April füttere, und zwar unmittelbar im Eingangsbereich
der R.-Strasse y zwischen Trottoir und Wiese. Sie hat unbestrittenermassen die
drei Abmahnschreiben im Jahre 2011 erhalten und hat deren Inhalt nicht
substantiiert – weder nach Erhalt der Schreiben, noch im vorliegenden Verfahren
– bestritten. Insbesondere hat sie nicht in Abrede gestellt, dass als Folge der
Verkotung vor dem Haus, in dem sich Ladengeschäfte befinden, der Eingangsbereich
mit erheblichem Aufwand gereinigt werden musste. Nachvollziehbar ist in diesem
Zusammenhang die Argumentation der Vermieterin, dass eine regelmässige Fütterung
der Tauben diese anziehe, was eine Verkotung des Platzes, wo sie sich
aufhielten, zur Folge habe. Die Vermieterin hat denn auch im Jahr 2013 mit
Kosten von 17 000 Franken einen Taubenschutz an der Liegenschaft x, y und z
anbringen lassen. Ungeachtet dessen, ob die bestrittene Behauptung der
Vermieterin, die Mieterin werfe Essenreste direkt aus dem Küchenfenster ihrer
Wohnung im 3. Stock, zutrifft oder nicht, legt die Vermieterin damit einen
sachlichen Grund für die Kündigung dar. Es verstösst nicht gegen Treu und
Glauben, einer Mieterin, die trotz drei schriftlichen Abmahnungen weiterhin
Vögel / Tauben füttert und damit zur Verkotung der Mietliegenschaft beiträgt, zu
kündigen; einem Vermieter ist nicht zuzumuten, die Mitverursachung der
Verschmutzung des Mietobjekts und der entsprechenden Behebungskosten durch das
Verhalten der Mieterin hinzunehmen.
b) Die Vermieterin macht geltend, der
chronische Zahlungsverzug der Mieterin (14 Kündigungsandrohungen vom 22. Mai
2012 bis 23. September 2013) sei ein weiterer massgeblicher Grund für die
ordentliche Kündigung gewesen. Die ausserordentliche Kündigung wegen
Zahlungsverzugs nach Art. 257d OR sei zwar jeweils angedroht worden, jedoch sei
deren Aussprechung nie erfolgt, da die Mieterin jeweils deutlich zu spät, aber
gerade noch rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen Zahlungsfrist von 30 Tagen
bezahlt habe.
aa) Die Vorinstanz verwies in ihrer Begründung auch auf die
Mahnungen wegen des Zahlungsverzugs und hielt fest, dass “angesichts der
zahlreichen Abmahnungen“ nicht von einer Schikanekündigung ausgegangen werden
könne. Die Mieterin äussert sich dazu in der Berufung nur in allgemeiner Weise,
nachdem sie noch in der Verhandlung vom 28. November 2013 ausgeführt hatte, sie
habe sich mit Herrn S., der gemäss Angaben der Vermieterin Buchhaltungsassistent
bei der Vermieterin ist, abgesprochen, weil ihr Geld gestohlen worden sei. Sie
habe ihn auch gebeten, die automatischen Briefe im System abzuschalten. Herr S.
habe ihr gesagt, dies sei aus technischen Gründen nicht möglich. Sie solle aber
einfach regelmässig den Mietzins zahlen; den einen Mietzins werde sie zum
Schluss noch zahlen müssen, obschon die Wohnung schon abgegeben sei, damit über
die ganze Mietdauer der Mietzins bezahlt sei. So sei man verblieben. Die
Vermieterin bestritt eine solche Aussage ihres Buchhaltungsassistenten. Selbst
wenn sie aber zutreffen würde, hätte die Mieterin erkennen können und müssen,
dass Herr S. nicht befugt gewesen sei, solche Zusagen zu machen. Vielmehr seien
der Mieterin auch weiterhin regelmässig Zahlungsverzugsmahnungen mit
Kündigungsandrohung zugestellt worden, und die Mieterin habe regelmässig
bezahlt, so dass nie eine ausserordentliche Kündigung habe ausgesprochen werden
können.
bb) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann eine
Kündigung anfechtbar sein, auch wenn sie auf Zahlungsrückstand des Mieters
(i.S.v. Art. 257d OR) beruht. Dabei braucht es besondere Umstände, damit sie
aufgehoben werden darf. Die Anfechtbarkeit besteht etwa dann, wenn der Vermieter
seinem Mieter die Kündigung wegen Nichtbezahlung fälliger Mietzinse oder
Nebenkosten androht, bevor er Gewissheit hat, dass dieser den Betrag schuldet
(BGE 120 II 31 E. 4b; vgl. LACHAT/THANEI, a.a.O., N 29/4.5. S. 607).
Gemäss
Mietvertrag war der Mietzins – im Sinn eines Verfalltags – monatlich im Voraus
jeweils zum Monatsersten zu bezahlen. Tatsächlich bezahlte die Mieterin gemäss
dem unbestritten gebliebenen Kontoauszug ab Januar 2012 mit bis zu 13 Tagen
Verspätung und blieb den Mietzins für Mai 2012 vorerst schuldig, sodass sie am
1. Juni 2012 mit zwei Mietzinsen in Verzug geriet, um anschliessend wieder
regelmässig zwischen dem 8. und dem 10. des jeweiligen Monats zu bezahlen.
Selbst wenn es die behauptete Abmachung mit dem Buchhaltungsassistenten der
Vermieterin betreffend die Verschiebung des Zahlungstermins um einen Monat
gegeben hat, kam die Mieterin ihrer Mietzinszahlungspflicht demnach seit Januar
2012 immer erst mit bis zu 13 Tagen Verspätung nach. Auch diese Verspätung
stellt wegen des jeweiligen Zinsverlusts und der damit für die Vermieterin
verbundenen Umtriebe im Zusammenhang mit dem Inkasso einen sachlichen
Kündigungsgrund dar, weshalb auch offen bleiben kann, ob die Mieterin, die in
keiner Weise ausführt, wann und unter welchen Umständen sie mit Herrn S. von der
Vermieterin die von ihr behauptete Vereinbarung getroffen hat, ihrer
diesbezüglichen Substantiierungspflicht nachgekommen ist.
c)
Zusammenfassend steht fest, dass sich die Vermieterin im Zeitpunkt der Kündigung
auf zwei sachlich nachvollziehbare Gründe – Fütterung von Vögeln trotz Abmahnung
und, etwas weniger gravierend, regelmässiger Zahlungsverzug – stützen konnte und
dies auch tat. Nach der eingangs zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichts
[BGer 4C.365/2006 E 3.2] bedeutet dies, dass die weiteren Kündigungsgründe –
“Balkonbepflanzung“ und “Kehricht“ – an sich nicht geprüft werden müssten. Im
Sinn der auch vom Bundesgericht gebotenen Gesamtwürdigung und insbesondere auch
im Hinblick auf den Einwand der Mieterin, die Vermieterin habe nur deshalb
gekündigt, weil sie, die Mieterin, sich gewehrt habe und sich nicht habe mundtot
machen lassen, ist darauf allerdings im Folgenden trotzdem einzugehen. °°°
[Einwand verneint]