Amtsgericht Luzern-Land
17.05.2010
Die Pflicht zur Sorgfalt und Rücksichtnahme gilt nicht nur für den Mietenden. Dieser muss sich das Verhalten von Dritten, denen er den Zugang zur Sache oder den Gebrauch der Mietsache gestattet, anrechnen lassen.
4. Kündigung von Wohnräumen: Gemäss Art. 271 Abs. 1 OR ist die
Kündigung anfechtbar, wenn sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben
verstösst. Dabei genügt es, wenn die Kündigung ohne schützenswertes
Interesse ausgesprochen wird. Ein offenbarer Rechtsmissbrauch ist nicht
nötig.
4.1 Die Schlichtungsbehörde hielt in ihrem Entscheid vom
4.12.2009 fest, die Pflicht zu Sorgfalt und Rücksichtnahme gelte nicht
nur für den Mieter. Der Mieter sei dem Vermieter als Vertragspartner
auch für den sorgfältigen und vertragsgemässen Gebrauch der Mietsache
durch Dritte, denen er den Zugang zur Sache oder den Gebrauch der
Mietsache gestatte, verantwortlich. Es sei aufgrund der Akten und
mangels Bestreitung durch den Kläger erstellt, dass ein Gast des Klägers
einen Münzautomaten in der Waschküche aufgebrochen habe. Das Verhalten
seines Gastes sei daher dem Kläger anzurechnen und dieser habe die
Folgen der schweren vorsätzlichen Schädigung der Mietsache zu tragen.
Das Gesetz stelle für diesen Fall die unwiderlegbare Vermutung auf, dass
die Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar sei. Die
ausserordentliche Kündigung sei daher rechtens. Im Übrigen sei das
Verhalten des Klägers als schwere Sorgfaltspflichtver-letzung zu
qualifizieren, was die Beklagte nach erfolgter Abmahnung ebenfalls zur
ausserordentlichen Kündigung legitimiert hätte (vgl. Entscheid vom
4.12.2009 Erw. 6).
4.2 In seiner Klage vom 22.12.2009 bringt der
Kläger vor, die deliktischen Handlungen seines Schulkollegen könnten ihm
nicht angelastet werden. Dem kann nicht gefolgt werden. Die Pflicht zur
Sorgfalt und Rücksichtnahme gilt nicht nur für den Mieter. Er ist dem
Vermieter gegenüber auch für den sorgfältigen und vertragsgemässen
Gebrauch der Mietsache durch Dritte, denen er den Zugang zur Sache oder
den Gebrauch der Mietsache gestattet, verantwortlich (Higi, Zürcher
Kommentar, 1994, N 26 zu Art. 257f OR, Lachat/Püntener, Mietrecht für
die Praxis, 2009, Kap. 2 Ziff. 1.3.15, SVIT-Kommentar, 2008, N 55 ff. zu
Art. 257f OR, Weber, Basler Kommentar, 2007, N 3 zu Art. 257f OR). Ist
Art. 101 Abs. 1 OR anwendbar, kann sich der Schuldner – hier der Mieter –
nicht von seiner Haftung befreien, indem er beweist, dass ihn kein
Verschulden trifft. Vielmehr müsste er nachweisen, dass ihm, hätte er
gleich gehandelt wie seine Hilfsperson, keinerlei Verschulden angelastet
werden könnte (vgl. Pra 1992 Nr. 81). Der Aufbruch des Münzautomaten in
der Waschküche ist als schwere und vorsätzliche Schädigung der
Mietsache zu qualifizieren und dem Kläger anzurechnen. Die
ausserordentliche Kündigung ist daher als wirksam zu erklären.
4.3 Zusammengefasst
ist festzuhalten, dass der Gast des Klägers der Mietsache vorsätzlich
einen schweren Schaden zugefügt hat. Dieses Verhalten muss sich der
Kläger anrechnen lassen. Die Fortsetzung des Mietverhältnisses ist der
Beklagten – und den anderen Hausbewohnern – nicht zumutbar.
Ergänzend ist anzuführen, dass die Beklagte, selbst wenn man nicht
von einer schweren Schädigung der Mietsache im Sinne von Art. 257f Abs. 4
OR ausgehen würde, zur ausserordentlichen Kündigung nach Art. 257f Abs.
3 OR berechtigt wäre. Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom
10.3.2009 abgemahnt. Die Schädigung des Münzautomaten stellt eine
erneute Pflichtverletzung dar, welche die Fortführung des
Mietverhältnisses für die Beklagte und die anderen Hausbewohner
unzumutbar macht (Lachat/Spirig, Mietrecht für die Praxis, 2009, Kap. 27
Ziff. 3.1.17).
5. Erstreckung des Mietverhältnisses: Bei einer
ausserordentlichen Kündigung wegen schwerer Verletzung der Pflicht des
Mieters zu Sorgfalt und Rücksichtnahme ist eine Erstreckung
ausgeschlossen (Art. 272a Abs. 1 lit. b OR).