Anfechtbare Kündigung
Base légale
- Art. 271a al. 1 litt. e CO
Nom du tribunal
Bezirksgericht Höfe
Date
10.12.2001
Résumé
Die Tatsache, dass das Bundesamt für Wohnungswesen auf Initiative der Mieterschaft zu Ungunsten der Vermieterschaft verfügt hat, rechtfertigt es, dass die 3-jährige Sperrfrist von Art. 271a Abs. 1 lit. e OR zur Anwendung gelangt. Da die Kündigung während der Sperrfrist erfolgte, wird sie als missbräuchlich aufgehoben.
Exposé des faits
Der Kläger hat von der Stiftung A. ab 1. September 1997 eine
2-Zimmer-Wohnung zu einem Mietzins von Fr. 1'060.- zuzüglich
provisorisch festgesetzte Nebenkostenpauschale von Fr. 190.- gemietet.
Die Wohnung wurde mit Beiträgen gemäss Wohn- und
Eigentumsförderungsgesetz (WEG) gefördert. In der Folge hat sich der
Kläger an das Bundesamt für Wohnungswesen gewandt und die Überprüfung
der Nebenkostenpauschale verlangt. Das Bundesamt reduzierte die
fragliche Pauschale auf Fr. 143.-. Daraufhin wurde dem Kläger am 18.
August 1999 der Mietvertrag gekündigt. Der Mieter macht nun geltend, da
es sich beim Verfahren vor dem Bundesamt um ein Schlichtungsverfahren
handle, sei die Kündigung gemäss Art. 271 Abs. 1 lit. e OR anfechtbar.
Considérations
1. Zu prüfen ist vorliegend, ob die am 18. August 1999 von der Beklagten
ausgesprochene Kündigung als missbräuchlich i.S. von Art. 271 OR zu
qualifizieren ist.
Gemäss Art. 271 Abs. 1 OR ist eine Kündigung
allgemein anfechtbar, wenn sie gegen Treu und Glauben verstösst. Art.
271a Abs. 1 lit. e OR hält weiter fest, die Auflösung sei insbesondere
anfechtbar, wenn sie vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss eines mit
dem Mietverhältnis zusammenhängenden Schlichtungs- oder
Gerichtsverfahrens erfolgt, in dem der Vermieter zu einem erheblichen
Teil unterlegen ist oder mit dem Mieter einen Vergleich geschlossen oder
sich sonstwie geeinigt hat. Weiters wird im genannten Artikel in Absatz
2 festgelegt, dass lit. e auch anwendbar ist, wenn der Mieter durch
Schriftstücke nachweisen kann, dass er sich mit dem Vermieter ausserhalb
eines Schlichtungs- oder Gerichtsverfahrens über eine Forderung aus dem
Mietverhältnis geeinigt hat. Absatz 3 von Art. 271a OR enthält
schliesslich eine Aufzählung von Gründen, bei deren Vorliegen die eben
genannten Bestimmungen von Absatz 1 lit. e nicht zur Anwendung kommen.
2. Der
Mietvertrag enthält in Ziffer 3 Bestimmungen zu den Mietzinsen und
Nebenkosten. Dort wird u.a. geregelt, dass die pauschalen Nebenkosten
nach Ablauf des ersten Mietjahres definitiv festgelegt würden.
Die
vorliegend zur Diskussion stehende Wohnung ist unbestrittenermas-sen dem
Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz (WEG; SR 843) unterstellt
worden.
In der bundesrätlichen Verordnung zum WEG (VWEG; SR 843.1)
wird festgehalten, dass Mietzinse der Genehmigung des Bundesamtes
bedürfen (Art. 17). Ebenso ist eine solche Bewilligung bei einer
Pauschalierung der Nebenkosten notwendig (Art. 25 Abs. 3 VWEG).
Eine
solche Bewilligung hat die Beklagte nicht eingeholt. Auf Veranlassung
des Klägers wurden die Nebenkostenpauschalen vom zuständigen Bundesamt
überprüft. Dabei wurde festgestellt, dass die Amortisation der
Notrufanlage und die Inseratekosten für die Vermietung nicht unter den
Nebenkosten hätten auf die Mieter abgewälzt werden dürfen. Das Bundesamt
bewilligte nachträglich die Nebenkostenpauschalen in der von ihm
festgesetzten Höhe. Die vom Bundesamt für die 2 ½-Zimmerwohung (wie
diejenige des Klägers) bewilligte Pauschale betrug Fr. 143.- und lag
somit 24,7% unter der von der Beklagten bisher in Rechnung gestellten
Pauschale von Fr. 190.-. Auch mussten die zuviel bezogenen Nebenkosten
zurückerstattet werden. Zu bemerken ist, dass die Beklagte dem Bundesamt
umgehend und umfassend Auskunft erteilte und die Rückerstattung sofort
erfolgte.
3.a) Es stellt sich die Frage, ob dieses
Bewilligungsverfahren die dreijährige Sperrfrist von Art. 271a Abs. 1
lit. e OR ausgelöst hat. Wenn dem so ist, so wäre die Kündigung der
Wohnung als missbräuchlich aufzuheben.
b) Bei einer Anfechtung
der Nebenkosten ist gemäss neuerer bundesgerichtlicher Rechtsprechung
nicht die ordentliche Schlichtungsbehörde des Bezirks, sondern das
Bundesamt für Wohnungswesen für die Durchführung des
Schlichtungsverfahrens zuständig (BGE 124 III 463).
Wäre vom
Bundesamt ein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden, käme Art. 271a
Abs. 1 lit. e OR zweifellos zur Anwendung und es wäre die Sperrfrist
ausgelöst worden.
Vorliegend hat der Kläger vom Bundesamt die
Überprüfung der pauschalierten Nebenkosten verlangt. Die Folge der
klägerischen Intervention war nun nicht die Durchführung eines
Schlichtungsverfahrens, sondern die Durchführung des
Genehmigungsverfahrens. Dies, weil die Nebenkos¬tenpauschale noch gar
nicht genehmigt worden war und eine Anfechtung von pauschalierten
Nebenkosten bei dem WEG unterstellten Wohnungen wohl erst nach der
erforderlichen Genehmigung möglich ist.
Das Bundesamt hat das
Genehmigungsverfahren durchgeführt mit dem Ergebnis, dass die
Nebenkostenpauschale herabgesetzt worden ist.
Dem Mieter darf
grundsätzlich kein Nachteil daraus erwachsen, dass in casu vom Bundesamt
das nichtstreitige Genehmigungsverfahren (anstelle des streitigen
Schlichtungsverfahrens) durchgeführt worden ist. Entscheidend ist, dass
das Verfahren für den Mieter und den Vermieter schliesslich zum selben
Ergebnis – nämlich der Reduktion der Nebenkosten – geführt hat. In der
Regel kann diese Wirkung im Mietrecht zwar nur durch die Einleitung
eines Schlichtungsverfahrens erreicht werden. Es wäre jedoch stossend,
wenn man im vorliegenden Fall dem Mieter den Schutz von Art. 271 OR
versagen würde, nur weil die Reduktion auf seine Veranlassung nicht
durch einen Schlichtungsentscheid, sondern durch einen
Genehmigungsentscheid veranlasst wurde, wusste doch der Mieter vorab
nicht, dass die Pauschalen nicht genehmigt waren. Massgebend ist einzig,
dass auf Intervention des Mieters hin die Nebenkosten durch eine
Behörde erheblich reduziert wurden. Die Tatsache, dass eine Behörde auf
Intervention des Mieters zuungunsten des Vermieters verfügt hat,
rechtfertigt es daher, dass die dreijährige Sperrfrist von Art. 271a
Abs. 1 lit. e OR hier zur Anwendung kommt, da eine Kündigung innert
dieser Frist in casu genauso wie bei den ausdrücklich genannten
Verfahren als Verstoss gegen Treu und Glauben erscheinen würde.
c) Dieses
Ergebnis entspricht auch der Bestimmung von Art. 271a Abs. 2 OR. Wie
bereits angeführt, ist die Sperrfrist auch anwendbar, wenn sich die
Parteien in einem Vergleich – ohne behördliche Intervention – über
Forderungen aus dem Mietverhältnis einigen. Vorliegend hat der Kläger
unbestrittenermassen wiederholt Auskunft über die Zusammensetzung der
Mietkosten verlangt. Inwiefern ihm Einsicht in die Abrechnungen gegeben
wurde, ist nicht massgebend, da ihn die erteilte Information
offensichtlich nicht befriedigte und er sich veranlasst sah, das
Bundesamt für Wohnungswesen anzugehen. Es kann ohne weiteres davon
ausgegangen werden, dass der Kläger diese Angaben zu Kontrollzwecken und
allenfalls als Basis für die Geltendmachung einer Reduktion der
Nebenkosten nutzen wollte. Indem er sich an die genannte Behörde wandte,
erreichte er eine Überprüfung bzw. eine Herabsetzung der
Nebenkostenpauschale, was ihm die Beklagte zuvor nicht gewährt hatte.
Auch wenn die Beklagte sich sofort zur Mitwirkung im
Bewilligungsverfahren bereit erklärte und die zuviel erhobenen Beträge
umgehend zurückerstattete, bestanden über die Frage der Offenlegung und
der Berechnung der Nebenkosten Differenzen zwischen den Parteien, die
erst mit dem Genehmigungsentscheid erledigt wurden. Bestanden aber
Differenzen bezüglich mietrechtlicher Forderungen zwischen den Parteien,
kommt die Sperrfrist zur Anwendung (vgl. dazu Urteil 4C.179/1999 vom
24.8.1999 des Schweizerischen Bundesgerichtes, in: NZZ Nr. 300,
24.12.1999, S. 16). Wenn nun aber sogar auf eine einvernehmliche Lösung
(ohne behördliche Intervention) Art. 271a Abs. 1 lit. e OR zur Anwendung
kommt, rechtfertigt sich dessen Berücksichtigung im vorliegenden Fall
um so mehr.
d) Auch die Bedingung des Unterliegens des Vermieters
zu einem erheblichen Teil ist erfüllt. In der Lehre wird die Grenze des
relevanten Teils zwischen 20% und 40% angesetzt (Weber/Zihlmann, in
Basler Kommentar, N 25 zu Art. 271-271a OR). In casu wurden die
Nebenkosten um rund 24% reduziert. Es ist davon auszugehen, dass der
Kläger bei einer allfälligen Anfechtung des Mietzinses nicht eine
Reduktion auf Null verlangt hätte; entsprechend ist die Quote des
Obsiegens deutlich höher als der Prozentsatz der tatsächlichen
Reduktion, womit zweifellos ein Unterliegen zu einem erheblichen Teil
vorliegt.
e) Es kann somit festgehalten werden, dass Art. 271a Abs. 1 lit. e OR hier grundsätzlich anwendbar ist.
Décision
36/6 - Anfechtbare Kündigung