Absichtliche Täuschung
Base légale
Nom du tribunal
Amtsgericht Luzern-Land
Date
18.12.2003
Résumé
Bei einem Dauerschuldverhältnis besteht ein höheres Mass an Aufklärungspflichten. Der Vermieter eines Restaurants mit Musikbetrieb muss vor Vertragsabschluss über restriktive behördliche Auflagen für den Musikbetrieb orientieren.
Exposé des faits
Die Parteien schlossen am 28.9.2000 per 1.1.2001 einen fünfjährigen
Mietvertrag über eine Liegenschaft mit Restaurant ab. Mit Schreiben vom
19.9.2001 erklärte der Kläger unter Berufung auf Art. 28 OR den Vertrag
wegen Täuschung für unverbindlich.
Er machte geltend, der Beklagte
habe ihm bei den Vertragsverhandlungen absichtlich verschwiegen, dass
restriktive Auflagen für den Musikbetrieb bestanden hätten und die von
ihm eigens eingerichtete Bar im ersten Obergeschoss gemäss einer
früheren behördlichen Verfügung nicht habe benutzt werden dürfen. Wegen
der ihm verschwiegenen behördlichen Auflagen und Einschränkungen im
Betrieb habe er den geplanten Umsatz nicht ansatzweise realisieren
können.
Considérations
5. Absichtliche Täuschung
5.1 Anfechtungserklärung: Der Kläger
erklärte mit Schreiben vom 19.9.2001 den Vertrag wegen Täuschung für
unverbindlich. Zudem forderte er die Rückzahlung des geleisteten Depots
von Fr. 15'000.-. Der Mietvertrag ist am 28.9.2000 abgeschlossen worden.
Damit ist die Einjahresfrist von Art. 31 OR eingehalten, womit der
Kläger seiner Ansprüche wegen absichtlicher Täuschung insofern nicht
verlustig gegangen ist.
5.2 Täuschungstatbestand: Ein täuschendes
Verhalten besteht in der Vorspiegelung falscher Tatsachen oder im
Verschweigen vorhandener Tatsachen. Die Vorspiegelung falscher Tatsachen
kann durch positive Handlungen erfolgen, z.B. durch Behauptungen in
mündlichen oder schriftlichen Mitteilungen, wie auch konkludent.
Tatsachenverschweigung stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn eine
Aufklärungspflicht besteht. Eine solche kann sich aus besonderer
gesetzlicher Vorschrift und aus Vertrag ergeben oder wenn eine
Mitteilung nach Treu und Glauben und den herrschenden Anschauungen
geboten ist. Wann dies zutrifft, ist im konkreten Einzelfall zu
bestimmen. Ein höheres Mass an Aufklärungspflichten ist insbesondere bei
Verträgen anzunehmen, die ein besonderes Vertrauensverhältnis
voraussetzen, und bei Dauerschuldverhältnissen wie Miete oder Pacht.
Geringere Aufklärungspflichten bestehen hingegen bei reinen
Austauschverträgen. Freilich hat auch hier jede Vertragspartei die
andere über Umstände aufzuklären, die erkennbar für den Entschluss zum
Vertragsabschluss von wesentlicher Bedeutung sind. Durch die Täuschung
muss auf Seiten des Getäuschten ein Irrtum hervorgerufen oder
aufrechterhalten werden. Dies wird regelmässig ein Motivirrtum sein. Wer
den Irrtum des andern erkennt, ist in der Regel zur Aufklärung
verpflichtet. Eine Täuschung ist absichtlich, wenn der Täuschende die
Unrichtigkeit des Sachverhalts kennt (Schwenzer, Basler Kommentar, 3.
Aufl. 2003, N 3 ff zu Art. 28 OR, Gauch/Schluep/Schmid/Rey,
Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, 8. Aufl.
Nr. 94, 263; Guhl/Koller/ Schmid/Druey, Das schweizerische
Obligationenrecht, 9. Aufl., § 17 N 2 f) und weiss, dass er einen Irrtum
hervorruft oder unterhält (Gauch/Schluep/Schmid/Rey, a.a.O., Nr. 864).
Die Täuschung muss für die Abgabe der Willenserklärung kausal gewesen
sein. Kausalität ist zu bejahen, wenn der Getäuschte die
Willenserklärung gar nicht oder nicht in dieser Weise abgegeben hätte.
Der Getäuschte muss sämtliche Voraussetzungen des Art. 28 OR beweisen
(Schwenzer, Basler Kommentar, a.a.O., N 14, 26 zu Art. 28 OR).
(...)
5.2.1.2.
Behördliche Auflagen: Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe ihm
bei den Vertragsverhandlungen absichtlich verschwiegen, dass restriktive
Auflagen für den Musikbetrieb bestanden hätten und die von ihm eigens
eingerichtete Bar im ersten Obergeschoss gemäss einer früheren
behördlichen Verfügung nicht habe benutzt werden dürfen. Er habe im
Hinblick auf die geplante Übernahme ein detailliertes Betriebskonzept
erarbeitet. Dieses habe regelmässige Events mit Top DJs,
Konzertveranstaltungen mit Innerschweizer Bands und andere spezielle
Anlässe mit den entsprechenden Verlängerungen vorgesehen. Das
Betriebskonzept sei dem Beklagten genau bekannt gewesen.
(Es folgen diverse Zeugenaussagen)
Zusammenfassend
ist aufgrund des gesamten Beweisergebnisses davon auszugehen, dass der
Kläger bei Vertragsabschluss keine Kenntnis von behördlichen Verfügungen
bezüglich Musikbetrieb hatte.
Bezüglich Bar im 1. Stock bestätigte
die Zeugin G., dass der Kläger eine solche Bar eingerichtet hatte. Er
habe nicht gewusst, dass diese nicht benutzt werden dürfe. Von wem er
dies erfahren habe, wisse sie nicht genau. In der Pachtofferte vom
4.9.2000 hat der Beklagte zudem ausdrücklich festgehalten, das Potential
von Küche, Dartbetrieb, Sitzungszimmer und Partyraum sei weitgehend
nicht ausgeschöpft und ausdehnbar. Es ist somit auch davon auszugehen,
dass der Kläger nichts davon wusste, dass die Bar im 1. Stock nicht
benutzt werden durfte.
5.2.2 Aufklärungspflicht: Da mit dem
Mietvertragsverhältnis ein Dauerschuldverhältnis vorlag, hatte der
Beklagte ein höheres Mass an Aufklärungspflichten. Der Kläger hatte
unbestritten im Hinblick auf die geplante Übernahme des Liberty ein
detailliertes Betriebskonzept ausgearbeitet, das gegenüber dem alten
Konzept der Vorgänger eine wesentliche Attraktivitätssteigerung für das
Publikum bringen sollte. Dieses Konzept sah regelmässige Events mit
Top-DJs, Konzertveranstaltungen mit Innerschweizer Bands und andere
spezielle Anlässe mit den entsprechenden Verlängerungen sowie Sound vom
MD-Player/CD Wechsler vor. Dies wurde denn auch von der Zeugin V. G.
bestätigt. Die Zeugin sagte weiter aus, das klägerische Betriebskonzept
habe sicher eine Attraktivitätssteigerung dargestellt und eine
eindeutige Umsatzsteigerung gegenüber vorher versprochen, sonst wäre sie
nicht dort arbeiten gegangen. Dies stimmt mit dem unbestrittenen
Vorbringen, dass das Betriebskonzept des Klägers zu einer eindeutigen
Umsatzsteigerung geführt hätte, überein. Die Einvernahme des vom Kläger
ebenfalls zu diesem Beweisthema als Zeuge angerufenen W. erübrigt sich
daher. Zwar blieb das Vorbringen des Beklagten, Veranstaltungen, wie sie
der Kläger geplant habe, habe auch der Beklagte als Betriebsleiter
seinerzeit durchgeführt, unwidersprochen. Hingegen ist sein Vorbringen,
dass er damit im Liberty einen Umsatz von über Fr. 44'000.- monatlich
hätte erzielen können, nicht bewiesen. Aus dem Umstand, dass er auch
solche Veranstaltungen durchführte, kann er somit nichts zu seinen
Gunsten ableiten. Das Konzept des Klägers war dem Beklagten unbestritten
bekannt. Es liegt auf der Hand, dass es für den Kläger bei seinem
Betriebskonzept auch für den Beklagten erkennbar für den Entschluss zum
Vertragsabschluss von wesentlicher Bedeutung war, dass es keine
behördlichen Auflagen von der fraglichen Art betreffend Musikanlage gab.
(...) Der Beklagte hätte den Kläger also über die behördlichen Auflagen
insbesondere bezüglich Musikanlage aufklären müssen. Indem er dies
nicht tat und betreffend Partyraum sogar auf ein ausdehnbares Potential
verwies, hat er den Kläger arglistig getäuscht.
5.2.3. Irrtum:
Aufgrund des Gesagten ergibt sich ohne weiteres, dass beim Kläger auch
für den Beklagten erkennbar durch die Täuschung ein Irrtum hervorgerufen
wurde, indem er fälschlicherweise davon ausging, dass es keine
behördlichen Auflagen gebe, die sein Betriebskonzept verhindern könnten.
5.2.4
Kausalität: Wie bereits ausgeführt, wäre es seitens des Klägers nie zum
Vertragsabschluss gekommen, wenn der Beklagte ihn bei den
Vertragsverhandlungen auf die behördlichen Auflagen hingewiesen hätte.
Die Täuschung war für den Vertragsabschluss durch den Kläger also
kausal.
5.3 Zusammenfassend sind die Voraussetzungen einer
arglistigen Täuschung nach Art. 28 OR also gegeben. Damit ist der
Mietvertrag mit dem Beklagten für den Kläger unverbindlich.
Décision
38/1 - Absichtliche Täuschung